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BGH: Kein zu strenger Maßstab hinsichtlich des Beweismaßes bei der Belegbarkeit von Werbeaussagen über kosmetische Mittel

Der Bundesgerichtshof hat im Januar dieses Jahres (BGH, Urteil v. 28.1.2016, Az. I ZR 36/14) festgestellt, dass die Belegbarkeit von Werbeaussagen über kosmetische Mittel im Hinblick auf die in Nr. 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 enthaltenen Regelungen nicht erfordert, dass die Aussagen als wissenschaftlich gesichert anzusehen sind.

Intergrund dieses Rechtsstreits sind die folgenden Werbeaussagen:

a) HYDRO

Spendet direkt Feuchtigkeit

b) Feuchtigkeitsspendendes Gel-Reservoir

und

c) Das wasseraktivierte Gel mit Aloe Vera und Vitamin E spendet der Haut schon während der Rasur direkt Feuchtigkeit,

wie unter anderem nachfolgend dargestellt:

Wilkinson

Die Parteien stehen sich auf dem Gebiet der Nassrasierer mit Wechselklingen als Wettbewerber gegenüber. Die Beklagte bietet die Rasierer „HYDRO 3“ und „HYDRO 5“ an, bei denen sich in einem Behälter oberhalb der drei oder fünf Klingen Pulver mit dem Hauptbestandteil „Polyox“ befindet, das sich mit Wasser zu einem Gel verbindet.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass von den in dieser Weise beworbenen Nassrasierern keine, vor allem keine länger andauernde feuchtigkeitsspendende Wirkung ausgehe. Sie hält die Werbeaussagen der Beklagten daher für irreführend. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, dass bei der Verwendung ihres Rasierers durch das Gel der Feuchtigkeitsgehalt der oberen Hautschichten positiv beeinflusst werde, so dass im feuchten „Rasurmilieu“ Wassermoleküle gebunden und diese langsam an die Haut abgegeben werden sowie die normale Abdampfrate der Haut vermindert werde, was die Hautfeuchtigkeit während der Rasur spürbar erhöhe.

Das Landgericht Köln hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (vgl. OLG Köln, GRUR RR 2014, 303). Die Vorinstanzen haben die Ansprüche wegen irreführender Werbung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 1, § 3 Abs. 1 und 2, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und § 9 UWG, § 242 BGB für begründet erachtet.

Ausgeführt wurde dazu von den Vorinstanzen unter anderem folgendes:

„Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die angegriffenen Werbeaussagen dahin, dass bei den Nassrasierern der Beklagten über die Erhaltung oder Schonung der bei jeder Nassrasur vorhandenen oberflächlichen Hautfeuchtigkeit und über das bloße Verhindern eines Feuchtigkeitsverlusts hinaus Feuchtigkeit aktiv zugeführt werde. Der von der Beklagten vorgetragene Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis biete jedoch keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass bei der Verwendung der Rasierer der Beklagten eine solche aktive Abgabe von Feuchtigkeit an die Haut stattfinde.

Für die Vermeidung einer Irreführung und den Nachweis der Richtigkeit der Werbeangaben würden an den Grundsätzen über die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Aussagen orientierte erhöhte Anforderungen gelten. Die streitgegenständliche Werbung enthalte zwar keine medizinischen Wirkungsaussagen. Sie beziehe sich aber auf die Physiologie der Haut und damit auf das körperliche Wohlbefinden und die Unversehrtheit eines wichtigen Teils des menschlichen Organismus. Da sich die Werbeaussage auch auf die Gesundheit beziehe, seien an ihre Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit besonders strenge Anforderungen zu stellen. Jedenfalls wegen des in der Werbung enthaltenen Appells an die Verbraucher, ihrer Haut durch Benutzung der „feuchtigkeitsspendenden“ Rasiergeräte der Beklagten Gutes zu tun, sei die Bewertung der streitgegenständlichen Werbung an den für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Werbeangaben entwickelten Kriterien auszurichten.“

Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung nun klargestellt, dass das Berufungsgericht die Klageanträge zu Unrecht als aus §§ 8, 9, 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG begründet erachtet hat. Hierzu stellt er folgendes fest:

„Die streitgegenständliche Werbung bezieht sich auf die Wirkung des durch die Verbindung des Pulvers in den Nassrasierern der Beklagten mit Wasser entstehenden Gels, bei dem es sich um ein kosmetisches Mittel im Sinne von § 2 Abs. 5 LFGB und von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 über kosmetische Mittel (im Weiteren: Kosmetik-Verordnung) handelt.

Nach Art. 20 Abs. 1 Kosmetik-Verordnung liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass einem kosmetischen Mittel Merkmale oder Funktionen fehlen, über die es nach seiner Aufmachung oder nach der dafür betriebenen Werbung verfügen soll, grundsätzlich bei demjenigen, der dies geltend macht, und daher vorliegend bei der Klägerin. Abweichendes gilt jedoch dann, wenn der mit der Werbung angesprochene Durchschnittsverbraucher die Werbung dahin versteht, dass die Wirksamkeit des Mittels wissenschaftlich abgesichert ist.

Das Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung mit der Anforderung, die Nachweise für die Richtigkeit der streitgegenständlichen Werbeaussagen müssten denen entsprechen, die für die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Werbeangaben entwickelt worden seien, und müssten daher als wissenschaftlich gesichert anzusehen sein, von einem zu strengen Maßstab ausgegangen.

Nach der Nummer 3 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 müssen Werbeaussagen über kosmetische Mittel (lediglich) durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, wobei neben Sachverständigengutachten auch andere Arten von Nachweisen herangezogen werden können, sofern diese Nachweise den Stand der Technik berücksichtigen (Nrn. 1 und 2). Da die Beweiskraft der Nachweise bzw. Belege mit der Art der getätigten Werbeaussage in Einklang stehen muss, gelten für Aussagen, bei denen eine fehlende Wirksamkeit ein Sicherheitsproblem verursachen könnte, höhere Beweisanforderungen als für Werbeaussagen, bei denen dies nicht der Fall ist (Nrn. 4 und 7). Damit konnte im Streitfall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht verlangt werden, dass die von der Klägerin beanstandeten Werbeaussagen als wissenschaftlich gesichert anzusehen waren.“

Der erkennende Senat hat zu § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 LFGB bereits entschieden, dass sich eine hinreichende wissenschaftliche Absicherung im Sinne dieser Vorschrift schon aus einer einzelnen Arbeit ergeben kann, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht (BGH, GRUR 2010, 359 Rn. 18 – Vorbeugen mit Coffein!).

Die Sache ist aufgrund der Ausführungen des BGH zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es bleibt somit abzuwarten, wie das OLG Köln den Rechtsstreit mit der Maßgabe der höchstrichterlichen Entscheidung neu beurteilen wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden. (pi)

(Bild: © djedzura – Fotolia.com)

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