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Infoserie zu Facebook Teil 6: Welche Rechtsordnung muss ich beachten?

Two roads diverged in a wood, and I — I took the one less traveled by, And that has made all the difference

Wie wir berichtet haben, droht Nutzern von Facebook eine Abmahnung bzw. eine gerichtliche Inanspruchnahme, wenn auf ihrem Profil oder ihrer Chronik Dritte widerrechtlich Bilder veröffentlichen.

Aber nach welcher Rechtsordnung richtet sich dies eigentlich?

Facebook ist ein amerikanisches Unternehmen, gegründet und registriert in Delaware, mit tatsächlichem Sitz in Kalifornien und einem Tochterunternehmen in Irland. Die Server stehen in Kalifornien.

Ich als Nutzer hingegen bin in Deutschland. Woher weiß ich also, ob amerikanisches Recht auf meine Facebook-Aktivitäten anwendbar ist? Ein deutsches Gericht wendet nämlich nicht unbedingt nur deutsches Recht an.

Der folgende Beitrag richtet sich an diejenigen, die sich mit der Materie etwas tiefergehender befassen möchten und ist daher bewusst detaillierter und ausführlicher gehalten.

Das internationale Privatrecht

Die Frage, welches Recht ein deutsches Gericht anwendet, wird vom internationalen Privatrecht, oder Kollisionsrecht, beantwortet.

Was Facebook anbelangt, so wird die Antwort auf die Frage, welches nationale Recht angewendet wird, insbesondere durch zwei europäische Verordnungen, die Rom I-VO (für vertragliche Schuldverhältnisse) und die Rom II-VO (für außervertragliche Schuldverhältnisse) bestimmt. Außervertragliche Schuldverhältnisse sind insbesondere auch Urheberrechtsverletzungen. Darüber hinaus findet aber auch, da Persönlichkeitsrechtsverletzungen vom Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgenommen sind (Art. 1 Abs. 2 g Rom II-VO), noch Art. 40-42 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) sowie vielleicht § 3 Telemediengesetz (TMG) Anwendung. Nach § 3 TMG unterliegen Anbieter von Telemedien dem Recht am Ort ihrer Niederlassung.

Das Verhältnis zwischen privatem Nutzer und Facebook

Facebook selber hat in seiner „Erklärung über Rechte und Pflichten“ (im Folgenden: Erklärung) eine gut versteckte Rechtswahlklausel:

Während nach Ziffer 15.1 „alle Ansprüche, die möglicherweise zwischen dir und uns entstehen, den Gesetzen des Bundesstaates Kalifornien“ unterliegen, soll nach Ziffer 16.3 für „deutsche“ Nutzer „bestimmte Richtlinien“ (im Folgenden: Richtlinien) gelten. Die Richtlinien definieren dann „deutsche Nutzer“ wiederum als Nutzer mit Wohnsitz in Deutschland. Nach Ziffer 1 der Richtlinie unterliegt die „Erklärung über Rechte und Pflichten“ deutschem Recht.

Zunächst einmal zu der Frage, was den gelten würde, wäre die Rechswahlklausel nicht zugunsten deutschen Rechts enthalten. Deutsche Verbraucher wären dennoch gut geschützt. Denn aus Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO ergibt sich auch, dass dem Verbraucher stets das Schutzniveau des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes erhalten bleibt. Die Vorschrift ist für den Kreis der Nutzer interessant, welche zwar ihren gewöhnlichen Aufenthalt, aber nicht ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Diese sind von der Rechtswahlklausel zugunsten deutschen Rechts nämlich nicht erfasst, dennoch gewährleistet Art. 6 Abs. 2 Rom I-VIO das zwingende Schutzniveau des deutschen Rechts.

Nun aber zu der Frage, ob eine solche Rechtswahlklausel überhaupt wirksam ist. Die Wirksamkeit einer Rechtswahlklausel richtet sich nach dem Recht, das anwendbar wäre, wenn die Rechtswahlklausel gültig wäre (Art. 5, 10, 11, 13 Rom I-VO). Das bedeutet, dass zunächst einmal die Wirksamkeit der Rechtswahl in den Richtlinien nach deutschem Recht zu beurteilen ist.

Bei dieser Untersuchung liegt es nicht fern, davon auszugehen, dass aufeinander bezugnehmende und sich widersprechende Rechtswahlklauseln wie die von Facebook gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 BGB) verstoßen.

Dennoch hat die Rechtsprechung, namentlich das LG Berlin, in einem in diesem Blog bereits mehrfach erwähnten Urteil festgehalten, dass die Rechtswahlklausel wirksam ist. Zuzustimmen ist der Entscheidung insoweit, als dass auch zwischen Verbrauchern und Unternehmen eine Rechtswahl nach Art. 6 Abs. 2, Art. 3 Rom I-VO möglich ist.

Die Entscheidung des Gerichts war vielleicht auch von der Überlegung motiviert, sich, da die Rechtswahlklausel in der Richtlinie dankenswerterweise auf deutsches Recht verwies, um die Frage drücken zu können, wie denn zu verfahren wäre, wenn aufgrund eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot die Rechtswahl in der Richtlinie ungültig gewesen wäre. Dann bliebe ja nur noch die Rechtswahl in der Erklärung übrig, und die verweist leider auf kalifornisches Recht.

Da aber, wie oben gesagt, für Nutzer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland das Schutzniveau des deutschen AGB-Rechts nach Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO erhalten bleibt, wäre auch die Rechtswahlklausel zugunsten kalifornischen Rechts in der Erklärung wohl aufgrund der intransparenten Ausgestaltung des Rechtswahlklauselpaares wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des deutschen AGB-Rechts unwirksam. Dann würde die Regelanknüpfung des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO greifen, der für einen deutschen Facebook-Nutzer ebenfalls auf deutsches Recht verweist.

Im Ergebnis unterliegt das Verhältnis zwischen privatem deutschen Facebook-Nutzer und Facebook also deutschem Recht.

Über die Wirksamkeit der Rechtswahlklausel hinaus hat das LG Berlin dankenswerterweise auch klargestellt, dass die Bestimmung des anwendbaren Rechts auch „Nebengebiete“ wie die Vorschriften etwa des Bundesdatenschutzgesetz oder des TMG erfasst.

Anwendbares Recht im Verhältnis zwischen Nutzer und Dritten, Haftung für Urheberrechtsverletzungen und Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Schwieriger als die Beantwortung der Frage, welches Recht auf das Verhältnis zwischen Facebook und Nutzer anwendbar ist, ist die Antwort auf die Frage der Bestimmung des anwendbaren Rechts auf außervertragliche Schuldverhältnisse.

Dies liegt zunächst einmal in der Natur der Sache. Außervertragliche Schuldverhältnisse sind etwa Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche, welche nicht auf Vertrag beruhen. Da der durchschnittliche Mensch den Großteil seines Verhaltens und seines täglichen Tuns nicht vertraglich absichert, ist hier schon einmal potentiell ein viel größeres Spektrum des menschlichen Handelns erfasst. Darüber hinaus ist aber auch die gesetzliche Regelung komplizierter.

Keine Regelung des anwendbaren Rechts durch § 3 TMG

Einfach stellt sich die Lage dar, wenn man § 3 Abs. 1 TMG liest. Wie die Kollegen vom Blog „Recht am Bild“ überzeugend darstellen, spricht einiges dafür, den Facebook-Nutzer als Anbieter von Telemedien anzusehen. Dies könnte zunächst einmal für Aufatmen sorgen. Denn § 3 TMG enthält eine einfach klingende Regelung: Telemedien-Anbieter unterliegen dem Recht ihres Niederlassungsorts, also beim deutschen Nutzer deutschem Recht. Leider ist es so einfach nicht.

Lange Zeit war es fraglich, ob und im welchem Umfang § 3 TMG eine Bestimmung des anwendbaren Rechts enthält. Der EuGH hat aber in seinem Urteil eDate-Advertising (Az.: RS C-509/09 und C-161/10, C-509/09, C-161/10) entschieden, dass Art. 3 der eCommerce-Richtlinie, welchen § 3 TMG umsetzt, keinen kollisionsrechtlichen Gehalt hat.

Die Entscheidung des EuGH betrifft zunächst einmal nur die Auslegung der eCommerce-Richtlinie. Sie wirkt sich aber auch auf die Auslegung und Anwendung des § 3 TMG aus. Zunächst ist es nun unmöglich für die Verfechter des kollisionsrechtlichen Gehalts des § 3 TMG, dies weiterhin mit europarechtlichen Vorgaben zu begründen. Zweitens bedeutet dies, dass es nun einen klaren Anwendungsvorrang der Rom II-VO vor § 3 TMG gibt. Hätte die eCommerce-Richtlinie das anwendbare Recht bestimmen wollen, und wäre § 3 TMG diesem Auftrag nachgekommen, so wäre § 3 TMG nach Art. 27 Rom II-VO vorrangig vor der Rom II-VO anzuwenden gewesen. Da dies nicht der Fall ist, geht die Rom II-VO aufgrund des allgemeinen Anwendungsvorrangs des Europarechts vor deutschem Recht vor.

Ein bedeutender Bereich eines möglichen kollisionsrechtlichen Gehalts des § 3 TMG ist damit weggebrochen. Im Ergebnis sollte § 3 TMG dann aber auch überhaupt kein kollisionsrechtlicher Gehalt mehr beigemessen werden können.

Das Schutzlandprinzip für Urheberrechtsverletzungen

Für Urheberrechtsverletzungen gilt dann die Regel des Art. 8 Rom II-VO. Auf einen urheberrechtlichen Anspruch ist damit das Recht des Landes anwendbar, für den Schutz begehrt wird. Zwar gibt es auch hier einen rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Streit darüber, ob „Schutzland“ jedes Land ist, in dem sich die Urheberrechtsverletzung manifestiert, oder ob Art. 8 Rom II-VO einengend auszulegen ist, so dass bei Internetdelikten beispielsweise nur das Land, in dem der Verletzer tätig wird, das Land des Serverstandortes, oder das Land, an dem der in Anspruch genommene seinen Sitz hat, maßgeblich sein soll. In der Rechtsprechung wird diese Diskussion jedoch soweit ersichtlich nicht nachvollzogen. Sobald die Urheberrechtsverletzung auch in Deutschland wahrgenommen wird, wird durch deutsche Gerichte deutsches Recht angewendet. Letztendlich ist die Frage, wo die Verletzungshandlung, gegen die der Schutz begehrt wird, genau lokalisiert ist, nicht abschließend geklärt, so dass in dieser wichtigen Frage Rechtsunsicherheit herrscht.

Für den deutschen Nutzer, der wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch genommen wird, wird im Regelfall die Anwendung deutschen Rechts von Vorteil sein, da dies die ihm vertraute Rechtsordnung ist.

Handlungs- und Erfolgsort für Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Wie eingangs bereits angesprochen ist die Frage, welches Recht auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen anwendbar ist, ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgenommen. Insoweit gilt also weiterhin das „alte“ EGBGB, nach Art. 40 EGBGB insbesondere das Recht des Handlungs- oder Erfolgsortes.

Wo bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung der Handlungsort liegt, ist leider hoch umstritten: sei es der Ort, an dem der Beitrag verfasst wird, sei es der Ort, an dem der Server steht. Auch der Erfolgsort ist leider nicht klar eingrenzbar. In Betracht kommt, da das Internet ein weltweites Medium ist, potentiell alle nationalen Rechte. Nach ganz überwiegender Meinung ist ein bestimmtes nationales Recht als Recht des Erfolgsortes aber nur insoweit anwendbar, als auch der Schaden in dem betreffenden Staat entstanden ist. Deutsches Recht findet also insoweit Anwendung, als in Deutschland ein persönlichkeitsrechtlicher Schaden entstanden oder Unterlassung begehrt wird.

In der bereits angesprochenen eDate-Advertising-Entscheidung (Az.: RS C-509/09 und C-161/10, C-509/09, C-161/10) hat der EuGH darüber hinaus auch entschieden, dass ein Erfolgsort für den gesamten Schaden dort besteht, wo der Verletzte seinen Interessenmittelpunkt hat. Dies betraf allerdings nicht Fragen des anwendbaren Rechts, sondern der gerichtlichen Zuständigkeit. Es ist dennoch davon auszugehen, dass ein deutsches Gericht diese Rechtsprechung zum Erfolgsort wohl auch bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts einbeziehen würde.

Ein deutscher Facebook-Nutzer, welcher also das Persönlichkeitsrecht eines anderen deutschen Nutzers verletzt, muss daher nicht fürchten, dass der gesamte Schaden etwa amerikanischem Recht unterliegt. (JJB)

(Bild: © emma – Fotolia.com)

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