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OLG Düsseldorf: Können Persönlichkeitsrechtsverstöße überhaupt noch Unterlassungsansprüche auslösen?

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Das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urteil v. 08.03.2010, Az. I-20 U 188/09) hat aktuell einen Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgewiesen, mit dem die Fertigung von heimlichen Ton- und Filmaufnahmen in einer Arztpraxis verboten werden sollte. Nachdem das Landgericht die Verfügung erlassen und nach mündlicher Verhandlung bestätigt hatte, hob das OLG Düsseldorf die Verfügung auf und wies den entsprechenden Antrag zurück.

Prozessiert hatte ein Arzt, in dessen Praxis heimliche Bild- und Tonaufnahmen gefertigt worden waren. Die spätere Austrahlung erfolgte „gepixelt“, wobei streitig war, ob der Betroffene trotzdem erkennbar war oder nicht. Nach dem die Antragsgegnerin eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte, mit der sie sich verpflichtete, keine Ton- und Bildaufnahmen des Antragstellers zu veröffentlichen, soweit er erkennbar ist, wollte der Arzt der Antragsgegnerin auch bereits die Anfertigung der Aufnahmen per se verbieten.

Das OLG Düsseldorf lehnt einen solchen Anspruch zusammengefasst mit dem Hinweis darauf ab, dass es einem vorbeugenden Verbotstenor gleichkomme, wenn alle zukünftigen Film- und Tonaufnahmen verboten würden. Dies sei aber unzulässig, weil jede einzelne Veröffentlichung jeweils konkret auf einen Rechtsverstoß zu untersuchen sei. Die Beantwortung der Frage, ob die Ton- oder Bildaufnahme einer Person ohne ihr Einverständnis einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstelle, bedürfe stets der umfassenden Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem durch die Presse- und Rundfunkfreiheit geschützten Informationsbedürfnis der Allgemeinheit. Dies gelte sogar für heimliche Tonaufnahmen, die gem. § 201 StGB stets strafbar seien. Aber auch hier stehe nicht immer fest, dass eine solche heimliche Aufnahme immer „unbefugt“ sei, da eine Rechtfertigung durch Bejahung eines überwiegenden Interesses bei der Güter- und Interessenabwägung in Betracht komme. Eine solche umfassende Abwägung sei aber in einem Eilverfahren nicht möglich, so dass es zudem an einem Verfügungsgrund fehle.

Der Senat bezieht sich dabei auf die Rechtssprechung des BGH, der für die Frage der Veröffentlichung von Bildern entschieden hat, dass selbst die erneute Veröffentlichung eines Bildes nicht verboten werden kann, weil sich die Veröffentlichung stets in einem anderen Kontext auch ohne Einwilligung des Abgebildeten als zulässig erweisen kann und dass dies erst recht für solche Bilder gilt, die zum Zeitpunkt des Verbots noch gar nicht gefertigt sind und bei denen insbesondere der Kontext, in dem sie veröffentlicht werden, nicht bekannt ist (BGH GRUR 2008, 446, 447, Tz. 14 – „kerngleiche“ Berichterstattung; BGH GRUR 2010, 173, 174, Tz. 7 – Kinder eines ehemaligen Fußballprofis). Die Grundsätze, welche die Rechtsprechung zu Unterlassungsklagen insbesondere im wettbewerbsrechtlichen Bereich zur Verhinderung von Umgehungen des Verbotsausspruchs entwickelt hat, lassen sich laut BGH auf das Recht der Bildberichterstattung nicht übertragen.

So weit, so richtig.

Interessant an der Entscheidung des OLG ist jedoch erstens, dass der Senat sich sowohl zu Verfügungsgrund als auch Verfügungsanspruch ausgelassen und beide verneint hat, obwohl nach herrschender Meinung die Prüfung des Verfügungsanspruchs Vorrang hat und das Gericht die Prüfung nach Ablehnung dieses Grundes bereits hätte abbrechen können. Wenn das Gericht ein Thema interessiert oder es seine Entscheidung auf mehrere Füße stellen möchte, werden solche prozessualen Feinheiten jedoch gerne einmal ignoriert. Einen solchen prozessualen Lapsus müsste sich mal die Partei oder deren Rechtsanwalt erlauben. Quod licet Iovi, non licet bovi.

Dies aber nur nebenbei. Der eigentliche „Knaller“ der Entscheidung kommt ganz unauffällig daher. Ohne es zu merken, stellt das OLG Düsseldorf das ganze System der Unterlassungsansprüche jedenfalls für solche außerhalb des Wettbewerbsrechts in Frage.

Erst bei genauer Betrachtung fällt auf, dass die BGH-Entscheidungen, auf die der Senat Bezug nimmt, ein anderes „Petitum“ und somit auch einen anderen Antrag zum Gegenstand hatten. Dort wollte der jeweilige Kläger nicht die konkrete, in der Vergangenheit liegende Verletzungsform verboten wissen, sondern auch ähnliche bzw. „kerngleiche“ Verletzungen. Der beteiligte Fussballer wollte sogar ein Verbot aller Veröffentlichungen von noch gar nicht gemachten Lichtbildern seiner Kinder bis diese volljährig seien, erreichen, welches die berühmt berüchtigte Pressekammer, bestätigt durch das OLG Hamburg, noch erlassen hatte.

Im vorliegenden Fall wollte der Antragsteller aber nicht die Fertigung ähnlicher oder kerngleicher Aufnahmen  für  die Zukunft verboten wissen, sondern die Anfertigung der konkreten Ton- und Bildaufnahmen,

„wie in der Anlage ASt 2 wiedergegeben.“

Ein generelles oder vorbeugendes Verbot war demnach gar nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern ein ganz konkretes. Einen Anspruch auf ein solches Verbot aber habe der Antragsteller aber nicht, so das OLG Düsseldorf,

„weil eine identische Wiederholung der konkreten behaupteten Verletzungshandlung nicht denkbar ist und das Verbot kerngleicher Verletzungshandlungen wegen der stets im Einzelfall gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen im Bereich des Persönlichkeitsschutzes grundsätzlich nicht in Betracht kommt.“

Der Hammer.

Die Brisanz dieses beiläufig geäußerten Satzes wird klar, wenn man bedenkt, dass eine menschliche Handlung im „Raum-Zeit-Kontinuum“ niemals auf identische, auf dieselbe Weise wiederholt werden kann. Denn die gleiche Äußerung an einem anderen Tag oder sogar nur Minuten später  wird zum Beispiel immer eine geringfügig andere, manchmal sogar eine völlig andere Bedeutung haben. Man denke nur an den Brauch, am 1. April Scherzmeldungen zu verbeiten. Die gleiche Meldung würde am 2. April völlig anders verstanden. Wiederholt werden können daher naturgmäß in jeder Hinsicht nur ähnliche Handlungen, die der vorhergehenden gleichen. Wenn sie dies dann auch noch „im Kern“ tun, dann wird man von der Wiederholung einer gleichen (nicht selben) Handlung sprechen können. Diese Überlegung zeigt wiederum, weshalb sich die Rechtssprechung im Bereich der Unterlassungsansprüche, die in die Zukunft gerichtet sind, überhaupt veranlasst sah, die „Kernbereichslehre“ einzuführen. Da der identische Verstoß denklogisch nicht begangen werden kann, musste ein Weg gefunden werden, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass auch andersartige Handlungen die gleiche (selbe?) Wirkung haben können und damit ebenfalls unter das Verbot fallen müssen, wenn dieses nicht von vorneherein völlig leerlaufen soll.

Der Satz des OLG ist vor diesem Hintergrund daher völlig richtig, nur als Begründung für die Ablehnung schon des Unterlassungsanspruchs, und innerhalb dessen der Wiederholungsgefahr, also der Gefahr, dass die Handlung wiederholt wird, unbrauchbar. Denn mit dieser naturwissenschaftlichen Erkenntnis müsste man die Gefahr einer Wiederholung einer jeden Handlung und somit jeden Unterlassungsanspruch grundsätzlich ablehnen und käme nur mit der Kernbereichslehre weiter. Das OLG Düsseldorf behauptet ja aber nun, dass diese nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen aufgrund deren Vielschichtigkeit gerade nicht gelten soll.

Sind Persönlichkeitsrechtvereltzungen nun nicht mehr im Wege einer Unterlassungsklage verfolgbar? Kommen nur noch Schadensersatzansprüche für die Vergangenheit in Betracht?

Bevor die Blogger nun jubeln: Wohl nicht:

Der Rechstsprechung ist die Vermeidung von zu allgemein gehaltenen Unterlassungsverboten daher so wichtig, da die Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Verhaltens dem Erkenntnisverfahren vorbehalten bleiben und diese Fragen nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden sollen. Diese strikte Trennung wird durch die Kernbereichslehre aufgeweicht, da vor deren Hintergrund im Vollstreckungsverfahren die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens was in der konkreten Form nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens war, beurteilt werden muss. Man muss aber auch abseits des Wettbwerbsrechts allein wegen der Natur der in die immer ungewisse Zukunft gerichteten Unterlassungsansprüche eine gewissen „Kernbereich“ zulassen, wenn man die Wiederholungsgefahr von Persönlichkeitsrechtsverletzungen und somit auch den entsprechenden Unterlassungsanspruch nicht völlig in Frage stellen will.

Es ist daher zu vermuten, dass das OLG Düsseldorf sich lediglich ungenau ausgredrückt hat und nicht „Persönlichkeitsrechtsverletzung“ sondern „Bildberichterstattung“ sagen wollte. Gegenstand der in Bezug genommenen BGH-Entscheidungen waren dementsprechend auch nicht generell Persönlichkeitsrechtsverletzungen, sondern speziell Bildveröffentlichungen, die laut BGH nicht per se, sondern immer nur im Zusammenhang mit den Umständen, unter denen sie vorgenommen wurde, verboten werden können.

Ersetzt man die Worte in dem entscheidenden Satz entsprechend, lässt es sich wieder aufatmen. Dann passt dieser nämlich wieder in die Systematik der Unterlassungsansprüche. Denn die Entscheidung, die Aufnahme, also das der Veröffentlichung vorgeschaltete Verhalten, das ein Weniger zur nachfolgenden Veröffentlichung darstellen kann, jedenfalls aber keinesfalls ein Mehr, im vorliegenden Fall im Lichte der höchstrichterlichen Rechtssprechung rechtlich gleich zu behandeln, dürfte richtig sein.

Der Antragssteller steht, worauf das Gericht zu Recht hinweist, auch nicht schutzlos da, weil die  Veröffentlichung der Aufnahmen bereits mit der außergerichtlichen Unterlassungserklärung abgedeckt ist. Darüber, ob das Betreten der Praxis unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eventuell rechtswidirg war,  worüber man ebenfalls nachdenken könnte, hatte das Gericht wiederum nicht zu entscheiden. (la) Zum Urteil

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