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Vorwurf des Rechtsmissbrauchs auf der Kanzleihomepage

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Wer im Gewächshaus sitzt, sollte nicht auch noch die Vorhänge bei Ikea kaufenMan liest immer wieder von „rechtsmissbräuchlichen Massenabmahnungen“. Gewöhnlich stößt man auf solche Äußerungen in Internetforen, in denen sich Privatleute Luft machen, weil sie eine Abmahnung erhalten haben. Auch in der Medienberichterstattung wird häufig von „Abmahnwellen“ und Rechtsmissbrauch gesprochen.

Es gibt aber sogar Rechtsanwälte, die auf ihrer Internetseite zum Beispiel das Folgende bereithalten:

„Die Massenabmahnung bleibt ein leichtes und lukratives Geschäft mit dem Rechtsmissbrauch, welches nicht nur bei den Abgemahnten zu großen finanziellen Belastungen führt, sondern nach unserer Einschätzung auch zunehmend erhebliche gesamtwirtschaftliche Schäden verursacht. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, den Massenabmahnern ihr “Handwerk” so weit wie möglich zu erschweren.“

Eine solche Aussage kann rechtliche Folgen haben.

Was ist mit „Massenabmahnung“ gemeint?

Der Begriff der Massenabmahnung wird dazu benutzt, um eine Vielzahl (Masse) von Abmahnungen, welche einen ähnlichen Sachverhalt betreffen und daher gleichartig formuliert sind zu bezeichnen. Um einen juristischen Fachbegriff handelt es sich dabei nicht.

Was bedeutet Rechtsmissbrauch?

Das Institut des Rechtsmissbrauchs kommt in der Rechtsprechung nur sehr selten vor und ist in gewisser Weise wie eine „Notbremse“ für den Richter zu verstehen, der sonst durch das Grundgesetz an die Gesetzgebung gebunden ist. Das heißt, ein Richter hat gemäß Art. 20 III GG, 97 I GG die Pflicht, die Gesetze umzusetzen. Nur in den krassesten Ausnahmefällen darf er von dieser Pflicht abweichen. Hierzu gibt es das Institut des Rechtsmissbrauchs. Rechtsmissbrauch wird dann bejaht, wenn jemand Ansprüche aus einer missbräuchlich begründeten Stellung unter sachfremden Erwägungen für sich ausnutzt. Der Richter muss also nach einer umfassenden Abwägung dazu kommen, dass er ausnahmsweise von seiner grundgesetzlichen Pflicht abweichen kann und gegen das Gesetz entscheiden darf.

Massenabmahnung als Rechtsmissbrauch?

Abgemahnt werden kann dann, wenn jemand einen Unterlassungsanspruch gegen einen anderen hat. Es ist sozusagen das Pendant zur Mahnung, in dem Fall, dass jemand einen Zahlungsanspruch geltend macht. Ein Unterlassungsanspruch besteht, wenn jemand in seiner rechtlichen Position gestört wird. Greifbar ist für viele das Beispiel, dass man Eigentum an einem Grundstück hat und ein Nachbar auf diesen Müll ablagert. Das Recht am Eigentum wird durch den Nachbar gestört. Hier müsste der Eigentümer den Nachbar vor der gerichtlichen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zunächst abmahnen.

Auch das geistige Eigentum wird durch deutsche Gesetze in den unterschiedlichsten Formen geschützt. Beispielhaft ist hier das Recht des Urhebers zu nennen. Erfährt der Urheber davon, dass jemand sein Werk ohne seine Erlaubnis nutzt, so hat er einen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 97 UrhG. Er hat sogar gemäß § 97 a UrhG die Pflicht vor der Einleitung gerichtlicher Schritte den Verletzer abzumahnen. Mahnt er ab, handelt er grundsätzlich im Sinne der Rechtsordnung und nicht dagegen, wie es bei einem Rechtsmissbrauch der Fall wäre.

Ein Fall, in dem ein Urheber seine Rechtsposition missbräuchlich erlangt oder aus sachfremden Gründen nutzt, ist vor diesem Hintergrund kaum denkbar. Urheber wird man durch die Schöpfung eines Werkes. Hat jemand ein Werk geschaffen, werden er und sein Werk von der Rechtsordnung geschützt. Er kann sich  im Rahmen der rechtlichen Vorgaben gegen jegliche Beeinträchtigung wehren. Er gebraucht das Recht.

Hat der Anspruchsteller dagegen kein eigenes Werk geschaffen oder liegen die Voraussetzungen eines urheberrechtlichen Unterlassungsanspruchs aus anderen Gründen nicht vor, so fehlt ihm das geltend gemachte Recht, so dass auch in diesem Fall ein Missbrauch ausscheidet.

Auch „Massenabmahnungen“ sind nicht rechtsmissbräuchlich. Wird jemand von hunderten Personen in seiner Rechtsposition verletzt, so kann er von diesen hunderten verlangen, dass diese Störung unterlassen wird. Wirft – um beim obigen Beispiel zu bleiben – die ganze Nachbarschaft Müll auf ein  Grundstück, so ist kein Grund ersichtlich, warum der Eigentümer sich nicht gegen jeden Einzelnen wehren können soll. Anderenfalls könnte er gegen die Verletzungen nicht effektiv vorgehen. Das Eigentum wäre für den Inhaber funktionslos.

Konsequenz des Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs

Rechtsanwälte, die in der Werbung fälschlicherweise behaupten, dass Massenabmahnungen ein „Geschäft mit dem Rechtsmissbrauch“ seien, riskieren kurioserweise  wegen dieser Äußerung selber eine Abmahnung. Denn darin könnte eine unlautere Wettbewerbshandlung zu sehen sein.

Das UWG gilt auch für Rechtsanwälte, denn sie bieten Dienstleistungen als Unternehmer an und stehen mit anderen Rechtsanwältinim Wettbewerb (§§ 1, 2 UWG). In diesem Wettbewerbsverhältnis ist es unlauter,  Unwahren Behauptungen und damit irreführend zu werben (§ 5 UWG). Darüber hinaus ist es unzulässig, Dienstleistungen eines Mittbewerbers herabzusetzen oder zu verunglimpfen (§ 4 Nr. 7 UWG) oder über Dienstleistungen eines Unternehmers Tatsachen zu behaupten oder zu verbreiten, die geeignet sind, den Betrieb eines anderen Unternehmens zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind (§ 4 Nr. 8 UWG).

Durch den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs im Zusammenhang mit Massenabmahnungen und der erklärten Zielsetzungen, dass „Massenabmahnern“ das Handwerk gelegt werden müsse, könnte die Dienstleistung solcher Kanzleien unzulässigerweise herabgewürdigt werden, die das rechtlich zulässige Mittel von Abmahnungen nutzen. Denn durch diese Aussage könnte der Eindruck erweckt werden, dass ein Anwalt der der im Auftrag seines Mandanten zahlreich abmahnt, sogar gesetzeswidrig handelt.

Außerdem ist, wie oben dargestellt, der Rechtsmissbrauch ein Institut mit Ausnahmecharakter. Die pauschale Behauptung, dass Massenabmahnungen rechtsmissbräuchlich seien, ist meiner Ansicht nach daher insbesondere, wenn diese von einer Rechtsanwaltsseite stammt, nicht mehr von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt.

Ironie des Schicksals

Es ist bezeichnend, dass ein Rechtsanwalt anderen Rechtsmissbrauch vorwirft und dadurch gleichzeitig zum potentiellen Rechtsverletzer wird. Aus meiner Sicht ist es besonders bedauerlich, dass Anwälte, die aus der Natur ihres Berufes heraus immer jeweils Interessenvertreter sind, sich eben diese Interessenvertretung gegenseitig zum Vorwurf machen.

Am schlimmsten ist meiner Ansicht nach, dass dem rechtsuchenden Bürger so vorgespiegelt wird, dass eine Rechtsverteidigung allein basierend auf dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs wegen „Massenabmahnung“ Aussicht auf Erfolg haben könne, um so lukrative Mandate zu generieren. Nicht selten werden die nachfolgenden Gerichtsverfahren verloren. Den vertretenden Rechtsanwalt kann es egal sein. Der bekommt sein Geld unabhängig davon, ob seine Beratung erfolgreich war oder nicht.  (jr)

(Bild: © Bettina Pressl – Fotolia.com)

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