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„Rechtliche Geschäftsvorteile“ durch Gestaltungsspielraum im Online Handel – am Beispiel des Widerrufsrechts

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Der Onlinekäufer ist eine sich rasant verbreitende Spezies. Um seine Gunst tritt eine Vielzahl von Unternehmern in einen schwer umkämpften Wettbewerb. Jeder Vorteil gegenüber der Konkurrenz zählt. Die Konsumerwartungen, das Kaufverhalten sowie Kaufwünsche der Verbraucher sind dabei ein dynamischer Faktor, der beobachtet und im Handel umgesetzt werden muss. Leider werden die Gestaltungsmöglichkeiten durch verbraucherschützende Vorschriften sehr eingeschränkt. Dies führt allzu oft dazu, dass die Händler im starren rechtlichen Korsett den Käufererwartungen kaum entsprechen können.

Marktnische – Waren nach individuellen Vorgaben des Kunden

Die Individualität eines Produktes hat schon immer einen betörenden Reiz auf jeden Kaufwilligen ausgeübt. Insbesondere dann, wenn der Käufer über die Individualität des Produktes selbst entscheiden kann (z.B. durch die eigenen Zusammenstellung von Material, Farbe und Muster, Größe etc.), wird er erfolgreich zum Kauf animiert werden.

Die Gewährung und Gestaltung solcher „Kompositionsmöglichkeiten“ für den Kunden bietet also eine gute Chance, um dessen Aufmerksamkeit und vor allem Kaufbereitschaft zu wecken und für sich zu gewinnen, da man ihm mehr als standardisierte Massenware anbietet.

Kalkulationsposten: Widerrufsrecht!

Für den Unternehmer stellt sich jedoch die Frage, ob ein solches Kundenverlangen nach Individualität auch nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten realisiert werden kann. Denn als wichtige Bastion des Verbraucherschutzes stellt das gesetzliche Widerrufsrecht beim Warenhandel im Internet einen ernst zu nehmenden Kalkulationsposten für jeden Unternehmer dar.

Waren, die aufgrund gesetzlich eingeräumtem Widerrufsrecht zurückgesendet werden, müssen wieder in den Verkauf gelangen und absatzfähig sein. Die von einem Verbraucher vorgegeben Individualität einer Ware mindert jedoch naturgemäß dessen Absatzfähigkeit (oder schließt sie sogar ganz aus), wenn die spezifisch angefertigten Bestandteile nicht revidierbar oder der weitere Absatz mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen verbunden ist.

Die rechtliche Lücke als Chance

Das Gesetz bietet für genau derartige Produktangebote einen möglichen Ausnahmetatbestand, der ein Widerrufsrecht des Verbrauchers ausschließt. Nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB  besteht das Widerrufsrecht nämlich nicht bei Fernabsatzverträgen,

zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.  

Der Ausschluss eines Widerrufsrechts aufgrund dieser Ausnahme, also der Anfertigung von Waren nach Wunsch des Bestellers, wird von der Rechtsprechung im Wesentlichen dann anerkannt, wenn

  1.  der Unternehmer die Ware auf Weisung des Bestellers herstellt; der Verbraucher muss hierzu durch seine Bestellung die Herstellung der Ware veranlassen und zu diesem Zweck genauere Angaben zur Beschaffenheit der Ware machen (Kompositionsmöglichkeit des Verbrauchers),
  2. die so angefertigte Ware nicht ohne Einbuße an Substanz und Funktionsfähigkeit ihrer Bestandteile bzw. nur mit unverhältnismäßigem Aufwand wieder rückgängig zu machen ist (technische Unzumutbarkeit der Rücknahme),
  3. und die zudem aufgrund der Anfertigung so individualisiert wurde, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme wirtschaftlich wertlos ist, weil er sie nicht mehr oder allenfalls nur noch unter erhöhten Schwierigkeiten und mit erheblichem Preisnachlass verkaufen kann (wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Rücknahme).

Beachtet man diese rechtlichen Vorgaben, so kann das grundsätzlich einschränkende Verbraucherschutzrecht dem Unternehmer auch einen Wettbewerbsvorteils eröffnen: Der Unternehmer entspricht der Konsumtendenz des Verbrauchers nach Individualität auf dem „World Wide Webmarket“ und kann sich gleichzeitig aus einem Teil des verbraucherschützenden Korsetts befreien.

Fazit

Die Gestaltung besonderer Produktangebote im Online Handel und die damit einhergehende Eroberung von Nischen sind sicherlich mit aufwendiger Planung und Kalkulation verbunden. Eine solche individuelle geschäftliche Verwirklichung durch kreative Gestaltung muss aber nicht an dem Kalkulationsposten „Compliance“, also der zwingenden Beachtung von rechtlichen Vorgaben, scheitern. Vielmehr bietet auch gerade das Gesetz einen Gestaltungsspielraum, um sich als Unternehmer auf regeltreue Weise von der Masse abzuheben.  

Eine gute Geschäftsidee kann daher durch das Erkennen und Umsetzen des rechtlichen Vorteils zu einem lebensfähigen, wenn nicht unschlagbaren Geschäftskonzept werden. (ro/af)

(Bild: © Gordon Bussiek – Fotolia.com)

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