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BGH: Die Bezeichnung als „zum Diätmanagement geeignet” ist irreführend

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Diätmanagement-Bezeichnung
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Nahrungsergänzungsmittel sind in aller Munde und werden von einer Vielzahl von Menschen eingenommen. Oftmals suggerieren Nahrungsergänzungsmittel und diesen ähnliche Produkte dem Kunden, dass sie eine heilende oder zumindest gesundheitsverbessernde Wirkung bei körperlichen Leiden haben. Problematisch sind hierbei die Formulierungen mit welchen diese Produkte beworben werden. Der BGH hat jetzt entschieden, dass der Vertrieb und die Bewer-bung eines Produktes, welches Bakterienkulturen enthält und laut Hersteller „zum Diätma-nagement“ geeignet ist, irreführend ist, wenn diese Aussage dem angesprochenen Verkehrs-kreis vermittelt, es handele sich bei den beworbenen Produkten um Lebensmittel für besonde-re medizinische Zwecke.

Im Verfahren stritten der Kläger – ein eingetragener Verein – und der Beklagte – der Produ-zent der umstrittenen Produkte – darum, ob die vom Beklagten gewählten Bezeichnungen in der gewählten Form rechtmäßig, folglich der Vertrieb der Produkte damit zulässig gewesen ist und das Produkt gleichbezeichnet weiter vertrieben werden darf. Der Beklagte vertreibt meh-rere Produkte, welche vermehrungsfähige, natürlicherweise im menschlichen Darm vorhande-ne Bakterienkulturen enthalten. Er bewirbt diese Produkte im Internet damit, dass sie „zum Diätmanagement“ bei Reizdarmsyndrom (RDS), Colitis Ulcerosa und Pouchitis (CU), atopi-scher Dermatitis (ATOP) und symptomatisch unkomplizierter Divertikelkrankheit (SUP) geeig-net sind.

Konkret ging es um die Frage, ob es sich bei den am Markt vertriebenen Produkten um Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke handelt und ob die Produktbezeichnung den potentiellen Kunden irreleitet, indem es diesem suggeriert, dass das Produkt Eigenschaften aufweise, über die es in Wirklichkeit nicht verfügt.

Die verschiedenen Produktgruppen

Grundsätzlich gilt es Nahrungsergänzungsmittel, Arzneimittel, Medizinprodukte und Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zu unterscheiden. Jede dieser Klassen enthält unterschiedliche Voraussetzungen für das Inverkehrbringen und die Bewerbung eines Produkte.

Während zum Beispiel Arzneimittel nur nach Prüfverfahren in den Verkehr gebracht werden dürfen und die Wirksamkeit und Sicherheit belegt sein muss, unterliegen Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke keiner Prüfpflicht. Beide müssen nach der Anmeldung des Produkts beim Bundesinstitut für Verbraucherschutz auch keinen Nachweis der Wirksamkeit und Sicherheit gegenüber einer Behörde erbringen. Einzig jedoch müssen Hersteller von Lebensmitteln für medizinische Zwecke einen Nachweis über die Eignung ihrer Produkte erbringen können.

Der größte Unterscheid zwischen Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke liegt darin, dass es bei Nahrungsergänzungsmitteln keine Höchstmengen für Inhaltsstoffe (außer technologischer Zusatzstoffe) gibt und krankheitsbezogene Werbung nicht zulässig ist, während bei Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke Höchstmengen für Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente festgelegt sind und krankheitsbezogene Werbung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt ist.

Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke oder doch Nahrungsergänzungsmittel?

Umstritten war zunächst, ob es sich bei den Produkten um Lebensmittel für besondere medizinische Mittel handelt. Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke sind für die ergänzende Ernährung von Patienten, die eine eingeschränkte, behinderte oder gestörte Aufnahme, Verdauung, Resorption, Verstoffwechselung oder Ausscheidung gewöhnlicher Lebensmittel oder der darin enthaltenen Stoffe haben, bestimmt. Kernpunkt ist, dass die Nährstoffdefizite in der Erkrankung begründet sein müssen. Es geht demnach darum mit diesen Produkten medizinisch bedingte Nährstoffdefizite auszugleichen, welche der Erkrankte nicht durch eine Modifizierung der normalen Ernährung nivellieren kann. Die rechtliche Grundlage für das Inverkehrbringen dieser Produkte ist die Verordnung (EU) Nr. 609/2013, insb. deren Art. 2 Abs. 2 Buchst. g.

Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmitteln und dienen der Ergänzung der Ernährung von gesunden Personen. Die rechtliche Grundlage ist hier das Lebensmittelrecht, insb. das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch (LFGB) und die Nahrungsergänzungsmittelverordnung NEM-V).

Bei den in Rede stehenden Erkrankungen handelt es sich jedoch nicht um solche, die eine Unterversorgung der betroffenen Personen mit Bakterienkulturen verursachen. Ziel sei es den Betroffenen Bakterienkulturen zuzuführen, um Beschwerden therapeutisch zu behandeln. Man könne kein Produkt nur deshalb als Lebensmittel für medizinische Zwecke klassifizieren, da die Inhaltsstoffe aus dem es besteht, bei dem Erkrankten eine positive Auswirkung haben und diesem in der Art einen Nutzen verschaffen können, dass dessen Beschwerden vorgebeugt, gelindert oder sogar geheilt werden.

Der EUGH hat festgestellt (EuGH, GRUR 2022, 1765), dass der Begriff „Nährstoffe“ in der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 nicht näher definiert ist. Daher ist bezüglich der Nährstoffdefini-tion auf die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 (LMIV) abzustellen. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. s LMIV sind „Nährstoffe“ Eiweiße, Kohlenhydrate, Fette, Ballaststoffe, Natrium, Vitamine und Mineralien, die im Anhang XIII Teil A Nummer 1 der Verordnung aufgeführt sind, sowie Stoffe, die einer dieser Klassen angehörig bzw. ein Bestandteil einer dieser Klasse sind. Die in den umstrittenen Produkten enthaltenen Bakterienkulturen fallen gerade nicht unter eine der in der Verordnung aufgezählten „Nährstoffe“.

Auch der Verweis auf Art. 1 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 15 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 609/2013 führt zu keinem anderen Ergebnis, da diese Normen lediglich bestimmen, welche Stoffe den Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke zugesetzt werden dürfen. Zwischen den Stoffen, die zugesetzt werden dürfen und Lebensmitteln für besondere medizini-sche Zwecke, die aus Nährstoffen bestehen, muss unterschieden werden. Zweck dieser gene-rellen Auflistung ist, klarzustellen welche Stoffkategorien als Zusatz für die in der Verordnung genannten Lebensmittelkategorien grundsätzlich zugelassen sind. Speziellere Zusammensetzungsanforderungen sollen dazu dienen, die Zusammensetzung der einzelnen unter die Ver-ordnung fallenden Lebensmittelkategorien zu regeln.

Im Ergebnis handelt es sich bei den Darmkulturprodukten nicht um Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, weil sie weder dem Grunde nach unter die Definition eines solchen Lebensmittels fallen, da sie keinerlei spezifische Ernährungsfunktion innehaben, noch die erforderlichen Nährstoffe enthalten. Es handelt sich demnach um ein normales Nahrungsergänzungsmittel.

Wird der Kunde durch die Bezeichnung „zum Diätmanagement“ irregeführt?

Streitgegenstand war auch, ob der Hersteller durch seine Angaben, dass die vertriebenen Produkte „zum Diätmanagement“ geeignet sind und durch die Zuordnung der Produkte zu verschiedenen Erkrankungen, der Zielgruppe vermittelt, dass es sich bei den Produkten wahrheitswidrig um Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 609/2013 handelt.

Eine Irreführung liegt dann vor, wenn das Verständnis, das eine Aussage bei dem angespro-chenen Verkehrskreis erweckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht konform ist. Darüber hinaus liegt gem. § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG eine Irreführung über wesentliche Merkmale nicht nur vor, wenn einer Ware konkrete, im Einzelnen benannte Eigenschaften zugewiesen werden, die diese tatsächlich nicht aufweist, sondern auch, wenn Angaben über die Art der beworbenen Ware zu Unrecht die Zugehörigkeit zu einer Gattung erwarten lassen, mit welcher im Verkehr eine bestimmte Wertschätzung oder eine besondere Eigenschaft in Verbindung gebracht wird. Durch die Zugehörigkeit eines Produktes zu einer dieser Kategorien, kann ein Kunde bereits – ohne weitere Erkundigungen einzuziehen – erste Informationen über dessen Eigenschaften entnehmen.

An dieser Stelle weist das Gericht auch darauf hin, dass das Abstellen auf das Verständnis eines Durchschnittsverbrauchers nicht zu beanstanden ist, da man nicht davon ausgehen könne, dass eine Person, welche unter einer der Erkrankungen leide, über ein abweichendes (besseres) Verständnis der Produktbezeichnungen verfüge. Es geht hier also nicht darum, ob ein Kunde aus der streitgegenständlichen Produktbezeichnung entnimmt, dass er seine Er-krankung lindern oder sogar heilen kann, sondern darum, ob die Angabe „zum Diätmanagement“ dazu führt, dass dieser davon ausgeht, dass es sich um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke handelt. Davon ist gerade bei betroffenen Menschen auszugehen, da diese mit dem Begriff „Diätmanagement“, mit dem nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. e VO (EU) Nr. 2016/128 Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bezeichnet werden, vertraut sind.

Im Ergebnis wird der Kunde demnach durch die Bezeichnung „zum Diätmanagement“ irregeführt. Eine solche irreführende Angabe ist auch geeignet den (Durchschnitts-)Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er ohne die Bezeichnung nicht getroffen hätte (§ 5 Abs. 1 UWG).

Folge für den Unternehmer

Der Unternehmer hat die umstrittene Werbeaussage „zum Diätmanagement“ gem. § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2. §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB, Art. 7 Abs. 3 und 4 LMIV zu unterlassen.

Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB darf der verantwortliche Unternehmer (§ 8 Abs. 1 LMIV) nicht mit Informationen werben, die den Anforderungen nach Art. 7 Abs. 3 und 4 LMIV nicht ent-sprechen. Nach Art. 7 Abs. 3 LMIV dürfen – vorbehaltlich einiger vorgesehener Ausnahmen – Informationen über Lebensmittel diesen keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit beimessen oder den Eindruck erwecken, sie wür-den über eine dieser Eigenschaften verfügen. Nach Art. 7 Abs. 4 Buchst. a LMIV gilt dies auch für Werbung.

Wie bereits festgestellt, handelt es sich bei den umstrittenen Produkten nicht um Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, sondern um Nahrungsergänzungsmittel. Nahrungsergänzungsmittel sind „normale“ Lebensmittel, d.h. sie bestehen aus Stoffen bzw. sind Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen vernünftigerweise erwartet werden kann, dass sie in verarbeiteten, teilweise verarbeiteten oder unverarbeiteten Zustand von Menschen auf-genommen werden können (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 178/2002). Bei Nahrungsergänzungsmitteln ist – wie bereits erwähnt – eine krankheitsbezogene Werbung nicht erlaubt. Das hat zur Folge, dass es bei den umstrittenen Bezeichnungen, in denen das Unternehmen die Er-krankungen explizit erwähnt, gerade nicht auf die Irreführung ankommt, da die Bewerbung eines Produkts mit der krankheitsbezogenen Informationen zum Schutz des Verbrauchers schon gar nicht gestattet ist (Marktverhaltensregelung). Eine Missachtung dieses Verbots ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil des Verbrauchers gem. § 3a UWG deutlich zu beein-trächtigen.

Fazit

Die Bezeichnung eines Produkts als „zum Diätmanagement“ geeignet, führt nicht dazu, dass es sich um ein Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke handelt. Um zu dieser Gattung zu gehören, muss das Produkt über die entsprechenden „Nährstoffe“ verfügen. Jedoch führt die in Rede stehende Bezeichnung zur Irreführung des Verbrauchers, da er das Produkt einer Gattung und deren Eigenschaften zuordnet, zu der es in Wirklichkeit gar nicht gehört. Dennoch kommt es im vorliegenden Verfahren schlussendlich nicht auf die Irreführung an, da eine krankheitsbezogene Werbung für Nahrungsergänzungsmittel bzw. einfache Lebensmittel in der Regel Verboten ist.

Sollten Sie Hilfe bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Bewerbung eines Produktes benöti-gen, unterstützen unsere fachkundigen Rechtsanwälte sie gerne.

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