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Focus Markenrecht
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Wettbewerbswidrige Werbung: Was unwahr ist, muss nicht auch noch täuschen können

unwahre Werbung Krankentransport
Photo by Mat Napo on Unsplash

Dass in der Werbung übertrieben wird, sollte allgemein bekannt sein. Insoweit wird bei Werbebotschaften immer die Spitze zu kappen sein. Wenn ein Produkt als das neuste und beste angepriesen wird, ist allgemeine Vorsicht angezeigt. Das wissen wir. Allerdings ist ein gewisser Wahrheitsanspruch auch an Werbung zu richten. Eine objektiv unwahre Werbebehauptung ist eine wettbewerbswidrige Irreführung – und zwar unabhängig davon, ob sie zudem geeignet ist, die Verbraucher zu täuschen.

Fahrdienst zum Arzt ist kein Krankentransport 

Das hat nun das OLG Nürnberg entschieden (OLG Nürnberg, Urteil vom 24.5.2022, Az.: 3 U 4652/21). In dem vorliegenden Fall wurde in der Werbung für einen Fahrdienst, der anbot, Menschen zum Arzt oder in die Klinik zu bringen, mehrfach von „Krankentransporten“ gesprochen. Der Begriff Krankentransport ist klar definiert und seine Definition enthält u.a., dass während der Fahrt eine „medizinisch fachliche Betreuung“ stattfindet. Zudem wurde in der Werbung darauf hingewiesen, man halte die gesetzlichen Bestimmungen ein. Damit konnten die interessierten Personen davon ausgehen, dass eine „medizinisch fachliche Betreuung“ während der Fahrt gewährleistet ist. Das war sie aber bei dem angebotenen Fahrdienst nicht. Zudem besaß dieser gar nicht die Genehmigung für reguläre Krankentransporte.

Täuschungseignung nicht erforderlich

Was der Fahrdienst also behauptet, stimmt nicht. Soweit ist der Fall klar. Üblicherweise setzt die wettbewerbswidrige Irreführung aber eine Täuschungseignung voraus. Ob diese auch bei objektiv nachprüfbar unwahren Angaben erforderlich ist, gilt als umstritten. Das OLG Nürnberg sieht im Falle einer objektiv unwahren Werbebehauptung die Eignung zur Täuschung nicht als Tatbestandsvoraussetzung der maßgeblichen Norm (§ 5 UWG) an. Dies ergebe sich, so das Gericht, schon aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der § 5 UWG zugrundeliegenden Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken vom 11.5.2005 (UGP-RL). Dort heißt es unmissverständlich, dass neben den zwar sachlich richtigen Werbeformen, die aber dennoch durch bestimmte sprachliche Windungen, irreführende Gestaltung und trickreiche Präsentationsmodi geeignet sind, den Durchschnittsverbraucher zu täuschen, ein Typus Werbung in jedem Fall zu den unerlaubten Geschäftspraktiken zählt: der, dessen Botschaft „falsche Angaben enthält und somit unwahr ist“. Unmissverständlich – im Gegensatz zu mancher Werbeaussage.

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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