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KG Berlin: Die Bitte in der Begründung, einen Antrag unter mehreren Aspekten zu prüfen, führt nicht zur Klagehäufung

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Verbotsanträge Klagehäufung
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Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass ein Antrag, der mit unabhängig voneinander zu einem Verbot führenden Aspekten begründet wird, nicht zu einer Anspruchshäufung führt. Eine kumulative Antragstellung erfordert vielmehr eine entsprechende Zahl von Anträgen. Ein anderslautender Antrag ist aber nicht unbestimmt, sondern in Bezug auf die konkrete Verletzungsform zulässig (KG Berlin, Urteil v. 21.02.2023, Az. 5 U 138/21).

In dem Verfahren, das vor dem Kammergericht Berlin landete, wurde die Antragsgegnerin verurteilt, es zu unterlassen im Rahmen geschäftlicher Handlungen zu Wettbewerbszwecken für das Arzneimittel mit der Bezeichnung „Gelencium® EXTRACT“ mit bestimmten Angaben zu werben. Darunter war die Werbeaussage „60% weniger Gelenkschmerzen“, aber auch die Aussage „Eine wirkstarke neue Gelenkschmerztherapie gibt Millionen Deutschen aktuell Hoffnung. In klinischen Studien fanden Wissenschaftler heraus, dass chronische Gelenkschmerzen bei Behandlung mit einem neuen hochkonzentrierten Arzneistoff um -60% gemindert wurden.“

34 Verbotsanträge, teils mit mehreren Aspekten

In dem Verfahren vor dem KG Berlin zielte der Antrag des Antragstellers einer einstweiligen Verfügung 34 Mal auf eine oder mehrere konkrete Verletzungsformen ab. Jeder einzelne der 34 Anträge wurde mit mehreren Aspekten begründet; in der Begründung seiner Antragsschrift bat der Antragsteller das Gericht, die 34 Anträge jeweils unter mehreren Aspekten im Wege einer kumulativen Klage- beziehungsweise Anspruchshäufung zu prüfen.

Macht ein Kläger in einer Klage mehrere Ansprüche geltend, wird dies als objektive Klagehäufung bezeichnet, geregelt in § 260 der Zivilprozessordnung (ZPO). Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf eine Klage oder ein Unterlassungsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nach § 308 Abs. 1 ZPO nicht erkennbar abgegrenzt sind. Dies würde nämlich dazu führen, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen könnte und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe.

Antrag muss hinreichend bestimmt sein

Das KG Berlin urteilte, dass im Lauterkeitsrecht ein Klageantrag die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bereits dann erfüllt, wenn dieser auf eine oder mehrere konkrete Verletzungsformen abzielt und der Antragsteller wie geschehen vorträgt, dass der Beklagte diese konkrete Verletzungsform verwendet habe. Dadurch werde der Streitgegenstand eindeutig bestimmt.

Das Kammergericht wertete das Vorgehen des Antragstellers, die mehreren Aspekte nur in der Begründung zu erwähnen, als “rechtsirrig”. Der BGH habe in seiner Entscheidung Biomineralwasser bestimmt, dass ein Kläger, der eine konkrete Werbeanzeige unter verschiedenen Aspekten jeweils gesondert angreifen möchte, eben diese verschiedenen Aspekte im Wege der kumulativen Klagehäufung zu jeweils getrennten Klagezielen machen kann. In diesem Fall müsse er die einzelnen Beanstandungen in verschiedenen Klageanträgen umschreiben, wobei er zur Verdeutlichung jeweils auf die konkrete Verletzungsform Bezug nehmen kann (“wie geschehen in …”). In diesem Fall nötige der Kläger das Gericht, die beanstandete Anzeige unter jedem der geltend gemachten Gesichtspunkte zu prüfen (BGH, Urteil v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser, Rn. 29).

Das KG widerspricht aber in seinem Urteil dem Landgericht Berlin, welches den gesamten einstweiligen Verfügungsantrag zurückgewiesen hatte, weil dieser bereits unbestimmt sei. Mache ein Kläger beziehungsweise Antragsteller unter den genannten Umständen geltend, „die angegriffenen Aspekte“ im Wege einer kumulativen Klage- bzw. Anspruchshäufung lediglich in der Begründung zum Streitgegenstand des Unterlassungsantrags zu machen, so sei dies „rechtsirrig“. Ein solcher untauglicher Versucht nötige ein Gericht nicht dazu, auch im Falle der Hergabe des erstrebten Verbots sämtliche Aspekte zu prüfen und zu bescheiden.

Biomineralwasser-Entscheidung: Bezugnahme auf konkrete Verletzungsform immer zulässig

In der konkreten Verletzungsform, gegen die sich eine Klage richtet, sei laut Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird. Der Antrag führe deshalb nicht zu einer Vermehrung der Streitgegenstände und damit nicht zu einer fehlenden Bestimmtheit von „Gegenstand und Grund des Anspruchs“ im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Verbotsanträge seien vor diesem Hintergrund bestimmt genug, denn sie bezögen sich allesamt mit der Formulierung „wie geschehen in…“ auf jeweils konkrete Verletzungsformen. Außerdem würden sie in ihrer Formulierung erkennen lassen, welche Einzelaussage oder Ausschnitte aus diesen Verletzungsformen jeweils unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten angegriffen werden sollen.

Einordnung:

Wir halten die Entscheidung für jedenfalls diskussionswürdig.

Der BGH hat in seiner Biomineralwasser-Entscheidung zwar tatsächlich eine Anleitung gegeben, wie ein Kläger das Gericht dazu bewegen kann, die beanstandete Anzeige unter jedem der geltend gemachten Gesichtspunkte zu prüfen (BGH, Urteil v. 13.09.2012, Az. I ZR 230/11 – Biomineralwasser, Rn. 29). Der Senat verwendet dort auch das Wort “muss”. Ob dies allerdings tatsächlich so gemeint ist, erscheint zweifelhaft.

Denn auch beim Leistungsanspruch erkennen Gericht und letztlich der Schuldner am Klageantrag nicht immer den Klagegrund. Dieser ergibt sich meist auch nur aus der Begründung. ZB, wenn ein Zahlungsanspruch alternativ auf Kaufvertrag und Darlehen gestützt wird. Auch beim Unterlassungsanspruch ergeben sich Streitgegenstand und Reichweite eines Verbots nicht allein aus dem Antrag. Wenn aber die Begründung ohnehin zur Bestimmung des Anspruchsumfangs herangezogen werden muss, besteht auch kein Grund, ein kumulatives Verbot nur dann für gegeben zu halten, wenn jedem Aspekt ein einzelner Antrag zuzuordnen ist.

Es ergeben sich auch Folgeprobleme, da bei einer abstrakten Formulierung eines Antrags immer die Gefahr besteht, dass sich dort unbestimmte (Rechts-)begriffe einschleichen, die die Bestimmtheit einer Antrag in Frage stellen.

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