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BGH: Unzulässige Zahlungsaufforderung bei Identitätsdiebstahl

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Zahlungsaufforderung Identitätsdiebstahl
1STunningART – stock.adobe.com

Der sogenannte Identitätsdiebstahl im Internet ist jedem ein Begriff. Kriminelle nutzen gestohlene Daten im Netz für allerlei Einkäufe und Verträge auf Kosten ihrer Opfer. Die Aufforderung zur Zahlung einer Rechnung lässt dann meist nicht mehr lange auf sich warten.

Fordert ein Inkassounternehmen einen Betroffenen später auf, eine Forderung zu begleichen, obwohl das behauptete Vertragsverhältnis überhaupt nicht besteht, verstößt gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Der BGH stellt hierzu klar, dass dieser Grundsatz selbst dann gilt, wenn das Inkassounternehmen nicht weiß, dass der Forderung ein Fake-Vertrag zugrunde liegt.

Zahlungsaufforderung an das Opfer eines Identitätsdiebstahls

Das wovor sich viele Menschen fürchten – einem Identitätsdiebstahl im Internet – wurde für eine Frau bittere Realität. Sie bekam ganz unerwartet eine Aufforderung von einem Inkassounternehmen zur Zahlung von rund 650 Euro. Diese solle sie bezahlen, weil sie im November 2017 einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen habe. Einen solchen Vertrag mit ihren Daten gab es zwar, aber diesen hatte nicht die Adressatin des Schreibens geschlossen. Ein Verbraucherschutzverband, an den sich die Betroffene wandte, mahnte daraufhin das Inkassounternehmen erfolglos wegen unlauterer Geschäftshandlungen ab. Auch eine Unterlassungsklage vor dem Landgericht Hamburg blieb erfolglos. Jedoch bekam der Verbraucherschutzverband sowohl vor dem Oberlandesgericht als auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Recht.

Unrichtige Zahlungsaufforderungen = unlautere Geschäftshandlungen

Fest steht demnach: Das Inkassounternehmen darf die Zahlung nicht mehr einfordern. Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 20.10.2021, Az. I ZR 17/21) ist der Auffassung, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Das Versenden der Zahlungsaufforderung stelle eine irreführende geschäftliche Handlung gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Fall des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar. Denn nach der Vorschrift sei eine geschäftliche Handlung dann irreführend und untersagt, wenn sie unwahre Tatsachen enthält. Da das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Mobilfunkanbieter nie entstanden sei, handele es sich unstreitig um eine unwahre Tatsache.

Auch sehen die Richter in Karlsruhe die Forderung als geeignet zur Täuschung an und damit auch geeignet die Verbraucherin in die Irre zu führen. Das aus dem Grund, weil davon auszugehen sei, dass ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrskreises sich über einen solchen Vertragsschluss täuschen ließe, weil sich gerade über Telefon und Internet – vielleicht sogar als Kombinationspaket – sehr leicht Verträge schließen lassen. Zwar werde man im Fall eines behaupteten Vertrags über solche Leistungen nicht stets annehmen können, dass der Verbraucher keine Kenntnis mehr darüber habe, ob er den Vertrag geschlossen habe oder nicht. Ausreichend sei hier aber gerade eine abstrakte Eignung zur Täuschung, die in diesem Fall anzunehmen sei. Denn nach Zugang einer solchen Aufforderung werde der Betroffene häufig einen versehentlichen oder nicht mehr verinnerlichten Abschluss annehmen und die vermeintliche Forderung begleichen. Der BGH hält dieses vom OLG Hamburg angenommene Verhalten für mit dem Leitbild eines verständigen und situationsadäquate aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers vereinbar.

Irrtum des Unternehmens spielt keine Rolle

Außerdem sei der Einwand, das Inkassounternehmen habe nicht über das „Wie“ des Vertragsschlusses wissen können, ohne Belang. Weder § 5 UWG noch Art. 6 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken setzten voraus, dass der Gewerbetreibende vorsätzlich falsche Angaben mache. Der Irrtum über die Richtigkeit der von den Auftraggebern übermittelten Daten könne nicht zu Gunsten des Unternehmens berücksichtigt werden, so der BGH. Auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung spiele ein mangelndes Verschulden keine Rolle. Dieser Umstand finde erst im Vollstreckungsverfahren Berücksichtigung.

Bundesgerichtshof: Änderung der Rechtsprechung

Und auch das höchste Gericht in Deutschland ändert hin und wieder seine Meinung. Denn bei der Frage, wann eine unzulässige geschäftliche Handlung nach § 3 Abs. 3 UWG gegeben ist, waren die Richter vor einiger Zeit noch anderer Auffassung.

Unzulässige geschäftliche Handlungen sind nach Nr. 29 des Anhangs I der oben genannten Norm stets anzunehmen, wenn die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber gelieferter Waren oder erbrachter Dienstleistungen ergeht. Jedoch hatten die Richter zur alten Fassung noch angenommen, dass dies auch für Fälle gilt, in denen eine Ankündigung zur Lieferung der Produkte oder zur Erbringung der Dienstleistung genügt. Nunmehr ist der BGH davon überzeugt, dass ohne Lieferung oder Erbringung die Voraussetzungen nicht erfüllt seien. So müsse der Verbraucher die Ware oder die Möglichkeit zur Nutzung der Dienstleistung erhalten haben, ansonsten fehle es an der spezifischen Drucksituation, aus der er sich zur Zahlung verpflichtet fühlen könnte. Eine solche Drucksituation liege hier hingegen nicht vor, da die Adressatin keinerlei Leistung von dem Mobilfunkunternehmen erhalten habe. Genau aus diesem Grund gilt für sie die allgemeine Vorschrift § 5 Abs. 1 S. 1 UWG, die die speziellen Tatbestände in § 3 UWG ergänzt. Diese „neue“ Auffassung ergebe sich bereits aus dem Wortlaut und folge zudem aus der europarechtskonformen Auslegung.

Kein Festhalten an alter Rechtsprechung

Neben der Feststellung, dass eine unrichtige Zahlungsaufforderung eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, ist das Urteil auch in einer anderen Sache sehr aufschlussreich. Dieses besagt nämlich, dass an einer früheren Rechtsprechung des I. Zivilsenats nicht mehr festgehalten werde. Danach bedarf es für die Erbringung einer Dienstleistung/Ware nun immer eines „Erreichens“ des Verbrauchers, sodass dieser tatsächlich in der Lage ist, sie zu nutzen oder sonst über deren Verwendung zu bestimmen.

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