Abmahnungen wegen Kundenbewertungen: Warum eine vorschnelle Unterlassungserklärung zur teuren Vertragsfalle wird
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs mahnt derzeit verstärkt Unternehmen ab, die auf ihrer Website Kundenbewertungen darstellen, ohne hinreichend darüber zu informieren, ob und wie diese auf Echtheit überprüft wurden.
Die rechtliche Grundlage bildet § 5b Abs. 3 UWG. Auf den ersten Blick scheint es sich lediglich um eine überschaubare Informationspflicht zu handeln – tatsächlich aber drohen erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen.
Reine Informationspflicht – aber voll abmahnfähig
§ 5b Abs. 3 UWG verpflichtet Unternehmen nicht dazu, Bewertungen tatsächlich auf ihre Echtheit zu überprüfen. Vielmehr verlangt die Vorschrift lediglich eine Information darüber, ob und – wenn ja – wie eine solche Prüfung erfolgt. Es handelt sich also nicht um eine klassische Handlungspflicht, sondern um eine transparenzbezogene Informationspflicht.
Gerade diese scheinbare Harmlosigkeit macht die Regelung so gefährlich: Die Rechtslage ist klar, die Norm leicht auffindbar und für jedermann über eine einfache Internetrecherche erschließbar. Verstöße sind deshalb nicht nur rechtlich relevant, sondern auch besonders leicht nachweisbar – und damit ein gefundenes Fressen für die Konkurrenz.
Handlungspflicht bei der Bezeichnung als „Kundenbewertung“
Noch brisanter wird es, wenn die Bewertungen ausdrücklich als „Kundenbewertungen“, „Kundenstimmen“ oder vergleichbar bezeichnet werden. Denn dann greift eine weitere Vorschrift: Nr. 23b des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Danach handelt unlauter, wer behauptet, dass Bewertungen von tatsächlichen Nutzern stammen, ohne angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen zur Überprüfung getroffen zu haben.
Damit entsteht eine echte Handlungspflicht. Es reicht dann nicht mehr, lediglich über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Prüfmaßnahme zu informieren. Die gesetzgeberische Konstruktion wirkt auf den ersten Blick widersprüchlich: Einerseits reicht in § 5b Abs. 3 UWG die Information, andererseits löst eine bestimmte sprachliche Gestaltung („Kundenbewertung“) eine tatsächliche Prüfpflicht aus. Diese Feinheit ist für Laien kaum durchschaubar – juristisch aber hochrelevant.
Die Unterlassungserklärung: Ein gefährlicher Vertrag
In den Abmahnungen der Wettbewerbszentrale findet sich regelmäßig eine vorformulierte Unterlassungserklärung. Die Zahlung einer vergleichsweise geringen Kostenpauschale in Höhe von 374,50 € (inkl. MwSt.) erscheint vielen als pragmatische Lösung. Doch dieser Eindruck täuscht: Mit der Abgabe der Erklärung wird ein dauerhaft bindender Unterlassungsvertrag geschlossen – inklusive Vertragsstrafeversprechen.
Die Wettbewerbszentrale ist dafür bekannt, die Einhaltung solcher Verträge konsequent zu überwachen. Selbst kleine oder technische Fehler können zu einer Vertragsstrafe im Bereich von 5.000 € oder mehr führen. Bei reinen Informationspflichten ist die Lage besonders kritisch: Da die Vorschrift und ihr Anwendungsbereich einfach nachzuvollziehen sind, lassen sich Verstöße schnell feststellen und belegen – mit entsprechenden Folgen.
Privilegierungen? Nicht bei der Wettbewerbszentrale!
Nach der UWG-Reform 2022 (Omnibus-Richtlinie) enthält das Gesetz gewisse Privilegierungen für Kleinstunternehmen und KMU, wenn diese erstmalig gegen gesetzliche Informationspflichten verstoßen (§ 13a Abs. 4 UWG). Danach dürfen Mitbewerber bei Bagatellverstößen keine Unterlassungsvereinbarung und keine Abmahnkosten geltend machen.
Aber: Diese Privilegierung gilt ausschließlich für Mitbewerber im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die Wettbewerbszentrale fällt als qualifizierter Wirtschaftsverband unter § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG – und ist daher von der Beschränkung nicht erfasst.
Das bedeutet: Selbst bei erstmaligen Bagatellverstößen darf die Wettbewerbszentrale vertragsstrafebewehrte Unterlassungserklärungen fordern und Kosten geltend machen. Die häufig geäußerte Hoffnung auf eine Art gesetzgeberischen „Welpenschutz“ greift also gerade bei diesen Abmahnungen nicht.
Zudem ist in vielen Fällen – insbesondere bei der Bezeichnung als „Kundenbewertung“ – ohnehin nicht nur von einer Informationspflichtverletzung, sondern von einer wesentlichen Irreführung im Sinne des § 5 UWG bzw. eines Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG auszugehen. In diesen Fällen entfällt jede denkbare Privilegierung ohnehin.
Handlungsempfehlung
Unternehmen sollten den eigenen Webauftritt sorgfältig prüfen. Bewertungen dürfen nicht unkommentiert übernommen oder dargestellt werden. Sobald Ausdrücke wie „Kundenbewertungen“ oder „Kundenstimmen“ verwendet werden, müssen angemessene Prüfmaßnahmen implementiert oder die Formulierung angepasst werden.
Wer eine Abmahnung der Wettbewerbszentrale erhält, sollte keinesfalls vorschnell zahlen oder unterschreiben. Stattdessen ist eine rechtliche Prüfung des Vorwurfs und der vorgelegten Unterlassungserklärung geboten. In vielen Fällen ist eine modifizierte Unterlassungserklärung angezeigt, um das Risiko späterer Vertragsstrafen deutlich zu reduzieren.
Fazit
Was wie eine harmlose Informationspflicht aussieht, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als rechtlich komplexes und risikobehaftetes Spielfeld. Die klare Rechtslage, die niedrige Nachweisbarkeit und das konsequente Vorgehen der Wettbewerbszentrale machen Verstöße gegen § 5b Abs. 3 UWG zu einem echten Kostenrisiko.
Durch die Kombination von Informations- und Handlungspflichten – abhängig von der Wortwahl – entsteht zudem eine gesetzgeberische Fallkonstellation, die juristisch differenziert betrachtet werden muss. Wer hier voreilig unterschreibt, geht ein unnötiges und dauerhaftes Risiko ein.