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BGH: Kein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen Berichterstattung über Plagiat

plagiat allgemeines Persönlichkeitsrecht
Photo by Markus Winkler on Unsplash

Der BGH hat entscheiden, dass kein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen die identifizierende Berichterstattung über mögliche Plagiate in wissenschaftlichen Arbeiten besteht.

Journalisten könne nicht schon im Vorfeld verboten werden, über solche Plagiate zu berichten.   

Bitte keine namentliche Berichterstattung!

Ursprünglich ging es um Plagiatsvorwürfe sowohl gegen die Habilitations- als auch der Promotionsschrift einer Juristin. Sie verzichtete auf ihre verliehene Bezeichnung als „Privatdozentin“ und wurde auf ihr Verlangen aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit entlassen. Außerdem erkannte die Hochschule ihr die Habilitation ab, weil sich die Plagiatsvorwürfe bestätigten – so sah es auch das Verwaltungsgericht, wo die Juristin erstinstanzlich unterlag.

Die Klägerin ging zudem zivilrechtlich gegen einen freien Journalisten vor. Er hatte in einigen Artikeln unter Namensnennung über den Plagiatsvorwurf berichtet. In dem Verfahren versuchte die ehemalige Jura-Dozentin, einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch hinsichtlich jeglicher namentlichen Berichterstattung über mögliche Plagiate in ihren wissenschaftlichen Arbeiten geltend zu machen.

Nachdem das Landgericht Frankfurt am Main der Klage stattgegeben hatte, entschied das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main) zu Gunsten des Beklagten und wies die Klage ab.

Abwägung zwischen APR und öffentlichen Informationsinteresse

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 09.03.2021, Az. VI ZR 73/20) bestätigte die Ansicht des Berufungsgerichts. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass stets eine Abwägung zwischen dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person und dem öffentlichen Informationsinteresse – das ebenfalls grundrechtlich verankert ist – erfolgen müsse. Zwar greife solch eine Berichterstattung grundsätzlich in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein, jedoch kann im Vorfeld nicht hinreichend festgestellt werden, ob die notwendige Abwägung in jedem Fall zu Gunsten der Klägerin ausfiele.

Vielmehr müssen alle Umstände des Einzelfalls in solchen Fällen Berücksichtigung finden. Dazu gehört nicht nur der Inhalt und etwaige getätigte Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen. Sondern es müssen vor allem auch Umstände, wie der Zeitpunkt der Veröffentlichung, die angesprochenen Rezipienten und das Medium der Veröffentlichung einbezogen werden, um festzustellen, welche konkreten Folgen für die Klägerin zu erwarten seien. Daher lasse sich über die Art und Weise einer zukünftigen Berichterstattung nur spekulieren – was für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch aber gerade nicht ausreiche.

Das Gericht sah in dem Fall außerdem lediglich die Sozialsphäre der Klägerin als betroffen an – also den Bereich des beruflichen und wissenschaftlichen Wirkens. Zwar habe sich die Klägerin aus dem beruflichen Leben vollständig zurückgezogen und auf die Führung der akademischen Bezeichnung verzichtet. Dennoch sei mit den Plagiatsvorwürfen und einem darüber gefertigten Bericht – auch unter Nennung ihres Namens – kein Eingriff in ihre Privatsphäre verbunden, da die Ursache für diesen Bericht aus ihrer Sozialsphäre und früheren beruflichen Tätigkeit stamme.

Dass sich die Juristin mittlerweile aus ihrem früheren Leben zurückgezogen hatte, spiele in diesem Fall keine Rolle. Nach Auffassung des Senats hat die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des Namens der Autorin dieser wissenschaftlichen Schriften, weil gerade hierin ein besonderer Informationswert liege, der ohne die namentliche Nennung nicht berücksichtigt würde – so würde die Fortwirkung des Wissenschaftsbetriebs nicht angemessen berücksichtigt.

Der BGH bestätigt die Berufungsentscheidung dahingehend, dass es die Frau selbst gewesen ist, „die so gearbeitet hat, dass ihr Werke dem Plagiatsvorwurf ausgesetzt worden seien“. Ein Recht auf Vergessenwerden habe sie aus diesem Grund gerade nicht.

Bestimmtheit des Klageantrags

Außerdem wurde über die Bestimmtheit ihres Klageantrags gestritten. Diese ist nach § 253 ZPO bei einem Unterlassungsantrag regelmäßig dann gegeben, wenn die konkret angegriffene Verletzungsform antragsgegenständlich ist. Bleibt die konkret erwartete Verletzungsform im Einzelfall ungewiss, weil es sich um einen auf Erstbegehungsgefahr gestützten vorbeugenden geltend gemachten Unterlassungsanspruch handelt, komme es maßgeblich darauf an, ob das Klagebegehren im Rahmen des dem Kläger Möglichen eindeutig formuliert sei und als Urteilstenor vollstreckbar wäre.

Der BGH sah hier die Anforderungen als gegeben an. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Antrag der Klägerin sehr weit gefasst sei. Denn trotz und gerade wegen dieser Weite sei der Antrag bestimmt. Für den Beklagten ergebe sich daraus eindeutig, dass die Klägerin das Unterlassen jeder Berichterstattung über gegen sie erhobene Plagiatsvorwürfe einschließlich etwaiger Bemühungen, bisherige Berichterstattungen zu unterbinden, begehrt, sofern sie namentlich erfolgen.

Der BGH macht deutlich, dass auch dann kein Einwand gegen die Bestimmtheit des Klageantrags gegeben sei, wenn der Antrag auch solche Fälle umfasse, deren Verbot die Betroffene gar nicht verlangen könne – daraus ließe sich allenfalls ein Einwand gegen die sachliche Berechtigung herleiten. Somit sei zwar von der Zulässigkeit des Antrags auszugehen, da er hinreichend bestimmt ist – die Klage ist jedoch aufgrund des Fehlens einer konkreten Abwägung unbegründet.

Keine vorweggenommene Abwägung

Der BGH macht deutlich: Da für die komplexe Abwägung nicht von vornherein gesagt werden könne, dass das Interesse der Klägerin an einem Unterlassen stets überwiegen werde, könne auch nicht vorbeugend jegliche weitere Berichterstattung über die Vorwürfe unterbunden werden. Außerdem müssen für die Berichterstattung über wissenschaftliche Plagiate gerade andere Maßstäbe gelten, als für andere Berichterstattungen, da sich der Verfasser von wissenschaftlichen Schriften eben in den öffentlichen Diskurs begebe.

Nicht nur dem betroffenen Journalisten, sondern allen Medien hilft die Entscheidung des BGH. Denn insoweit wurde geklärt, dass Berichterstattungen über Plagiatsfälle auch Klarnamen der Verantwortlichen enthalten dürfen.

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