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Kein Auskunftsanspruch gegen Bewertungsportal bei sofortiger Kommentar-Löschung

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Auskunftsanspruch gelöschter Kommentar
Alexander Limbach – stock.adobe.com

Anbieter von Telemedien müssen bei rechtlich problematischen Kommentaren nur dann Auskunft über Bestandsdaten geben, wenn der Betroffene einen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch hat. Dieser setzt zumindest eine Störerhaftung voraus, die nicht vorliegt, wenn der Kommentar auf Aufforderung unverzüglich gelöscht wird (Oberlandesgericht Köln, Beschluss v. 29.4.2021, Az. 15 W 29/21).

Auskunft zu Bestandsdaten eines Nutzers

In einem Fall, den das Oberlandesgericht Köln entschieden hat, begehrte der Antragsteller die gerichtliche Anordnung der Zulässigkeit einer Auskunftserteilung durch ein Arbeitgeber-Bewertungsportal im Internet.

Auf dem Portal können registrierte User Arbeitgeber anonym anhand verschiedener Kriterien mit Sternen bewerten und Kommentare abgeben.

Kommentare vorab gelöscht

Der Antragsteller begehrte Auskunft zu Bestands- und Nutzungsdaten (Namen, Email-Adresse und IP-Adressen nebst Angaben) im Zusammenhang mit zwei im Januar 2021 auf der Plattform veröffentlichten Bewertungen mit Kommentaren. Die Bewertungen wurden unter der Verfasserbezeichnung „Mitarbeiter“ eingestellt. Die Kommentare waren zuvor nach einer Löschungsaufforderung durch eine GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer der Antragsteller ist, entfernt worden.

Der Antragsteller war der Auffassung, ihm stünden Auskunftsansprüche aus § 14 Abs. 3 TMG i.V.m. § 1 Abs. 3 NetzDG i.V.m. §§ 186, 187 StGB wegen unwahrer ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen bzw. einer Eindruckserweckung zu.

Nach § 14 Abs. 1 Telemediengesetz (TMG) darf ein Diensteanbieter personenbezogene Nutzerdaten, sogenannte Bestandsdaten, nur erheben und verwenden, soweit sie für das Vertragsverhältnisses zwischen dem Diensteanbieter und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich sind. Der Diensteanbieter darf darüber hinaus nach § 14 Abs. 3 TMG im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erforderlich ist. Diese müssen von § 10a Absatz 1 TMG  oder § 1 Absatz 3 Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) erfasst sein. Für die Erteilung einer Auskunft nach § 14 Abs. 3 TMG ist eine vorherige gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit der Auskunftserteilung erforderlich, die der Verletzte beantragen muss.

Materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch Voraussetzung

Das OLG Köln entschied, dass die Anwendung des § 14 Abs. 4 TMG einen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch des Antragstellers voraussetzt. Ein solcher bestehe jedoch nicht, insbesondere sei die Löschungsaufforderung nicht im Namen des Antragstellers erfolgt. Vertragliche Ansprüche des Antragstellers gegen die Beteiligte seien im konkreten Fall nicht begründet. Ein gesetzlicher Anspruch auf Auskunft könne sich allenfalls aus § 242 BGB ergeben. Dafür müssten allerdings die Voraussetzungen einer mittelbaren Störerhaftung der Beteiligten gegeben sein, was das Gericht verneinte.

Auf die Löschungsaufforderung der antragstellenden GmbH sei sogleich reagiert worden und es sei auch nicht vorgetragen worden, dass die beanstandeten Bewertungen zwischenzeitlich wieder online gestellt wurden. Auch gegenüber der GmbH seien keine Prüfpflichten verletzt worden, weil sofort reagiert und gelöscht worden sei.

Betroffenenauskunft nach Art. 15 DSGVO nicht einschlägig

Das Gericht befasste sich auch mit der Frage, ob der Kläger stattdessen einen regulären Auskunftsanspruch über gespeicherte Daten nach Art. 15 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geltend machen kann. Das Gericht entschied: Nein. Der Anspruch nach Art. 15 sei als zentrales Betroffenenrecht grundsätzlich nur auf personenbezogene Daten des Betroffenen beschränkt und beziehe sich damit gerade nicht auch auf solche (nur) des Users. Zwar könne nach Art. 15 Abs. 1 lit. g) DSGVO dann, „wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden“, im Grundsatz auch Auskunft über „alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten“ verlangt werden. Doch finde das Auskunftsrecht über die Öffnungsklausel in Art. 23 Abs. 1 DSGVO in Verbindung mit entsprechenden nationalen Regelungen seine Schranke unter anderem zum Schutz der betroffenen Person oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen (Art. 23 Abs. 1 lit. i) bzw. zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (lit. g).

Leerlaufen des Auskunftsanspruchs in bestimmten Fällen

Auf diesem Rechtsgebiet ist zukünftig mit Bewegung zu rechnen. In dem Beschluss spricht das Gericht auch den Gesetzgeber an. Es könne nämlich in einigen Fällen „ein Leerlaufen des § 14 Abs. 4 TMG (…) drohen (…), wenn sich der Gesetzgeber nicht durchringt, nach dem Vorbild anderer gesetzlicher Sonderregelungen wie etwa § 101 Abs. 2 UrhG einen allgemeinen Auskunftsanspruch gegen Telemediendienste als ‚Nicht-Störer‘ zu kodifizieren“.

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