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„Cancel Culture“ in der Kunst

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Cancel Culture Kunst
Photo by Yannis Papanastasopoulos on Unsplash

Ein Vorwurf greift um sich in Europa: „kulturelle Aneignung“. .Jede und jeder, die oder der in der Öffentlichkeit steht, muss aufpassen, dass dieser Vorwurf nicht gegen sie oder ihn erhoben wird. Und das ist kaum zu schaffen, will man nicht völlig opportunistisch sein. Denn eine weite Definition von „kultureller Aneignung“ nimmt auch jene Elemente des Ausdrucks auf, die man sich gerne und respektvoll zu eigen gemacht, die längst Teil der eigenen Persönlichkeit wurden, unabhängig von ihrer fremden Herkunftskultur. Man denke etwa an eine Rasta-Frisur mit Dreadlocks. Auch damit kann man im Paradigma der „Cancel Culture“ arge Probleme bekommen. Vor allem Künstler können davon ein Lied singen.

Der „Fall“ der Band „Lauwarm“

Oder auch nicht. Dann nämlich nicht, wenn sie daran gehindert werden. So wie die Schweizer Band „Lauwarm“, deren Konzert im Juli 2022 abgebrochen werden musste, weil sich Besucher an den Rasta-Frisuren der Bandmitglieder störten. Der Konzertveranstalter zeigte sich nicht loyal, verteidigte den Auftritt nicht. Das Ergebnis der „Cancel Culture“ ist in diesem Fall, dass die Popularität der bislang eher regional bekannten Berner Band erheblich stieg. „Lauwarm plötzlich heissbegehrt”, titelte vor einigen Wochen die „Schweizer Illustrierte“. Tatsächlich überschlug sich die Kritik an dem Konzertabbruch in den Sozialen Medien. Das machte „Lauwarm“ für die „klassischen“ Medien interessant – nicht nur eidgenössische Periodika berichteten über den „Fall“, sondern auch aus der niederländische „Telegraaf“ oder die britische „Times“. Typischer Fall von „Der-Schuss-geht-nach-hinten-los“.

Der „Fall“ der Sängerin Ronja Maltzahn

Ebenfalls ein gehöriges mediales Echo erfuhr die Ausladung der Münsteraner Sängerin Ronja Maltzahn durch die „Fridays for Future“-Ortsgruppe Hannover im März 2022. Die Klima-Aktivisten warfen der hellhäutigen Künstlerin vor – eine Rasta-Frisur zu tragen. Ein Auftritt anlässlich einer der berühmten Freitagsdemos in Hannover wäre nur möglich gewesen, hätte sie sich zuvor die Dreadlocks abschneiden lassen. Das jedoch wollte Ronja Maltzahn nicht. Sie bedauert die Absage und kann die Begründung von „Fridays for Future“, es ginge ihnen bei der Demo nicht nur ums Klima, sondern auch um ein „antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ“, in Bezug auf ihre Person nicht nachvollziehen. Ihr selbst gehe es bei jedem Auftritt immer auch um „ein Zeichen für Frieden und gegen Diskriminierung“, schreibt sie auf Ihrem Instagram-Kanal. Und: „Schade, dass wir aufgrund von äußerlichen Merkmalen ausgeschlossen werden.“ In der Tat!

Der „Fall“ des Sängers Mario Parizek

Noch ein dritter Rasta-„Fall“ aus diesem Sommer: Im August durfte der österreichische Musiker Mario Parizek sein Konzert in der Zürcher Kulturbar „Das Gleis“ nicht beginnen. Der Grund: Der Veranstalter erhielt im Vorfeld Anrufe und Mails besorgter Personen, die sich über Parizeks Dreadlocks mokierten. Parizeks wollte mit der Leitung der Bar in kein Gespräch über seine Frisur eintreten – was auch immer hier hätte verhandeln werden können – und das Konzert wurde abgesagt. Immerhin erhielt der Künstler von der Bar eine finanzielle Entschädigung. Mario Parizek fand für die „Cancel Culture“ deutliche Worte. Er sprach von einer „mehr oder weniger faschistischen Einstellung“ der Initiatoren.

Drei Künstler, ein Problem: Dreadlocks. Das muss man nicht verstehen. Und man muss auch nicht gleich zur Nazi-Keule greifen. Doch die Konzertabbrüche und Ausladungen demonstrieren ungewollt eindrucksvoll, wie totalitär die „Cancel Culture“ ist.

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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