Multiple awards.

Focus Markenrecht
de

YouTube: Störereigenschaft, Unterlassungs- und Prüfpflichten von Hostprovidern

Pflichten Hostprovider
Photo by Azamat E on Unsplash

Im Grundsatz haftet ein Anbieter von Online-Informationen zunächst einmal für eigene Inhalte, die er zur Nutzung bereithält. Bei Host Providern werden jedoch meist keine eigenen Inhalte des Anbieters geteilt. Vielmehr handelt es sich um Plattformen, die es Nutzern ermöglichen, deren eigene Inhalte auf der Plattform hochzuladen. Aufgrund ihrer Stellung sind sie grundsätzlich nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten und gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Sprich: Solange sie nichts hören, müssen sie auch nichts tun. Doch ab Kenntniserlangung unterliegt auch der Host-Provider meist Prüfungspflichten oder etwa nicht? 

Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Facebook? 

Die Kläger nehmen die Beklagte, die die Video-Hosting-Plattform „YouTube“ betreibt, im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung der Verbreitung zweier Videos und Unterlassung des Behauptens und Verbreitens von drei Äußerungen in Anspruch, welche in weiteren auf Youtube eingestellten Videos enthalten sind. 

Das Landgericht Frankfurt hat den Anträgen mit Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung zunächst entsprochen. Hinsichtlich des eines Antrages jedoch erst nach Beschwerde im Abhilfeverfahren. Auf den Widerspruch der Beklagten hat das Landgericht die ausgesprochenen Verbote dahingehend eingeschränkt, dass die Untersagung nur für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gelten soll. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein. Das Oberlandesgericht sollte das landgerichtliche Urteil aufheben und den Verfügungsantrag der Beklagten zurückweisen. Im Wesentlichen wendete sie sich gegen die Reichweite des ausgesprochenen Verbots. Außerdem vertritt sie zu den einzelnen Videos/Äußerungen die Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Prüfpflicht für sie nicht vorgelegen haben. Die Kläger hingegen beantragten mit ihrer Anschlussberufung, den ursprünglichen Beschluss vollständig zu bestätigen, also das landgerichtliche Urteil im Hinblick auf die Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs abzuändern.

YouTube unterlag Prüfpflicht

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG, Urteil v. 11.11.2021, Az. 16 U 253/20) entschied, dass die Berufung des Beklagten in der Sache Erfolg habe. Die Anschlussberufung hingegen zurückzuweisen sei.

Die Richter sind der Auffassung, den Klägern stünden gegen die Beklagte kein Verfügungsanspruch aus den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i.V.m. Art. 1, 2 Abs. 1 des Grundgesetztes (GG) auf Unterlassung des Verbreitens zweier Videos beziehungsweise Behauptens und Verbreitens der bezeichneten Äußerungen, wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Unternehmenspersönlichkeitsrechts zu. 

Voraussetzung für einen solchen Anspruch sei, dass die Beklagte Störerin im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB ist. Demnach müsste der Beklagten die Beeinträchtigung der Kläger zugerechnet werden können. Hierzu führen die Richter aus, die Beklagte stelle mit Youtube lediglich eine Plattform für Äußerungen Dritter zur Verfügung. Unmittelbarer Störer sei jedoch allein der Nutzer, der Filme und andere Medien einstellt. Für die Verhaltenspflichten eines Hostproviders, der dem unmittelbaren Störer die Internetplattform zur Verfügung stelle, habe der Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung folgende Grundsätze aufgestellt: Danach sei ein Hostprovider zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz eingestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Allerdings sei er ab dem Zeitpunkt verantwortlich, ab dem er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt habe. 

Weist ein Betroffener den Hostprovider also auf eine mögliche Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hin, könne der Hostprovider verpflichtet sein, künftige Störungen zu verhindern. Dann bedürfe es jedoch zusätzlich einer Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG; Art. 10 EMRK geschützten Rechts jedenfalls des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Weiter führen die Richter aus, dass in dem Fall, in dem der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert werde, welche so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen erforderlich sei.

Das Oberlandesgericht entschied diesbezüglich, dass das Landgericht im Ergebnis zu Recht angenommen habe, dass die Kläger in Bezug auf die beanstandeten Äußerungen die Beklagte hinreichend auf die Rechtsverletzung hingewiesen habe. Aus diesem Grund treffe die Beklagte – entgegen ihrer Einschätzung – auch eine Prüfpflicht. 

YouTube = Störer? 

Außerdem erachteten es die Richter als ausreichend, dass die Videos innerhalb einer angemessenen Frist vom Nutzer selbst entfernt beziehungsweise von der Beklagten in der deutschen Länderversion gesperrt wurden. Weswegen die Beklagte der ihr obliegenden Prüfungs- und Reaktionsobliegenheit nachgekommen sei. Ferner sei die Beklagte gerade nicht Störerin im Sinne von § 1004 BGB. Denn ein Hostprovider, der auf den Hinweis des Betroffenen oder nach sonstiger Kenntniserlangung, den Beitrag rechtzeitig löscht – unabhängig davon, ob er den Nutzer kontaktiert – unterliege gerade keinem Unterlassungsanspruch. Ziel sei nur, dass ein das Persönlichkeitsrecht verletzender Beitrag so schnell wie möglich gelöscht werde. Die zuzugestehende Frist bestimme sich dann letztlich nach den Umständen des Einzelfalls.

Darüber hinaus sei nach Auffassung des Gerichts eine sachgerechte Reaktion der Beklagten nicht deshalb zu verneinen, weil die Beklagte die Videos nur für die deutsche Länderversion gesperrt haben. Hier spiele keine Rolle, ob die Kläger tatsächlich einen materiell-rechtlichen Anspruch auf weltweite Sperrung des Zugangs zu den betreffenden Videos haben. Vielmehr habe die Beklagte aufgrund der vorgerichtlich erfolgten Beanstandung davon ausgehen können, dass die Kläger allein Rechtsverletzungen durch vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus abrufbaren Inhalten geltend machen wollen. Das ergebe sich zum einen daraus, dass die Kläger ihren Sitz in Deutschland haben. Zum anderen habe es auch keine anderen Angaben dazu gegeben, dass die Videos außerhalb des Gebiets abgerufen werden. Hier weisen die Richter darauf hin: Im gewerblichen Rechtsschutz gelte der Grundsatz, dass auf bestimmte Verhaltensweisen bezogene Klageanträge im Zweifel nur für das Gebiet der Bundesrepublik gestellt seien. Die sei immer dann anzunehmen, wenn sie keine ausdrücklichen territoriale Bestimmungen enthalten.

Umfang der Unterlassungspflicht 

Einen Hostprovider treffen spezifische Prüf- und Verhaltenspflichten, wenn ihnen gegenüber ein Rechtsverstoß (üble Nachrede) oder ein Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht im Netz beanstandet wird. Das gilt insbesondere, wenn die Unzulässigkeit der Äußerung gut belegt ist. Aus diesem Grund entschied auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, dass die Beklagte nach einem hinreichenden Hinweis durch die Kläger einer Prüfpflicht unterlag. Insoweit wird das am 1.10.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt abgeändert und die einstweilige Verfügung aufgehoben.

Die Anschlussberufung der Kläger hat nach dem Ergebnis der Berufung gleichfalls keinen Erfolg. Da den Klägern die geltend gemachten Löschungs- und Unterlassungsansprüche nicht zustehen und die einstweilige Verfügung aufzuheben sei, können sie auch nicht beanspruchen, dass die räumliche Reichweite der beantragten einstweiligen Verfügung ohne die Beschränkung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland bestätigt wird.

In erster Linie ist aber festzuhalten, dass ein Plattformbetreiber nicht unmittelbarer Störer ist, wenn es sich um Filme und Medien anderer handelt.

Practical handbook for enforcing claims in competition law

2nd, completely revised and updated edition

Arranged chronologically, differentiated structure, numerous cross-references and, brand new: Extensive practical information on every process situation.

Learn more

Praxishandbuch Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht