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Focus Markenrecht
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EuGH: Kein Geld zurück beim Widerruf von Online-Ticket-Kauf

Widerruf Ticket
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Eine Verbraucherin, die ein Ticket beim Online-Tickethändler CTS Eventim kaufte, wollte statt eines Gutscheins den Kaufpreis zurückerhalten. Das sei Sache des Konzertveranstalters, urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil v. 31.03.2022, Az. C-96/21).

Der EuGH hatte sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen zu befassen, welches die Auslegung von Art. 16 lit. l der Richtlinie 2011/83/EU über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinien 93/13/EWG und 1999/44/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinien 85/577/EWG und 97/7/EG betraf.

Gutschein statt Rückzahlung des Ticketpreises

Eine Verbraucherin stritt mit dem Online-Tickethändler CTS Eventim darüber, ob bei einem Vertrag, der den Erwerb von Eintrittskarten für ein Konzert zum Gegenstand hatte, ein Widerrufsrecht besteht. Die Verbraucherin bestellte DM über die Ticketsystemdienstleisterin CTS Eventim Eintrittskarten zu einem von einem Dritten veranstalteten Konzert. Das Konzert im März 2020 wurde wegen Einschränkungen, die von Behörden im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erlassen wurden, abgesagt und sollte zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden.

Konkludenter Widerruf

Die Verbraucherin verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises und erklärte damit nach den Ausführungen des vorlegenden Amtsgerichts Bremen konkludent den Widerruf des Vertrages. CTS Eventim schickte daraufhin der Verbraucherin im Auftrag des Konzertveranstalters einen von diesem ausgestellten Gutschein. Der Wert des Gutscheins entsprach dem Kaufpreis der Eintrittskarten. Die Verbraucherin verlangte von CTS Eventim weiterhin die Rückzahlung des Kaufpreises sowie zusätzliche Kosten.

Widerrufsrecht der Richtlinie 2011/83/EU anwendbar?

Das vorlegende Amtsgericht Bremen war der Auffassung, dass die Ausnahme vom Widerrufsrecht in Art. 16 lit. l der Richtlinie 2011/83/EU nicht anwendbar sei. Die Ausnahme dürfe nur dem unmittelbaren Erbringer einer Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen zugutekommen, also im konkreten Fall dem Konzertveranstalter, nicht aber dem Ticketsystemdienstleister. Dessen Tätigkeit beschränke sich auf die Abtretung eines Rechts auf Zugang zu einem Konzert.

Der EuGH befand, dass der vorliegende Vertrag unter den Begriff des Dienstleistungsvertrags im Sinne von Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 falle. Die Abtretung eines Rechts auf Zugang zu einer Freizeitbetätigung bzw. die Erfüllung durch den Unternehmer stelle eine Dienstleistung im Sinne von Art. 16 lit. l der Richtlinie 2011/83/EU dar. Dieser sehe Ausnahmen vom Widerrufsrecht vor, wenn Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht werden und der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht.

Die Ausstellung des Gutscheins an die Verbraucherin erfolgte im Einklang mit der deutschen Regelung über die Absage von Freizeitbetätigungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Die Rechtsnatur, die das nationale Recht einer Leistung zuweise, die ein Unternehmer an einen Verbraucher erbringe, könne keine Auswirkung auf die Auslegung von Art. 16 lit. l der Richtlinie 2011/83/EU haben, so die Entscheidung.

Konzertveranstalter muss Ticketsystemdienstleister

Der EuGH urteilte, es sei unerheblich, ob es dem Unternehmer unter Umständen zum Zeitpunkt eines Widerrufs möglich wäre, die dadurch frei gewordenen Kapazitäten anderweitig zu nutzen, indem er zum Beispiel die betreffenden Eintrittskarten an andere Kunden verkaufe. Der Konzertveranstalter sei verpflichtet, CTS Eventim in dem Fall, dass ein Käufer die Rückzahlung des Preises einer Eintrittskarte fordere, „von jeder Haftung freizustellen“. Im Fall einer Auflösung des Vertrags infolge eines Widerrufs durch einen Verbraucher sei es „Sache des Konzertveranstalters“, der Verbraucherin „den Kaufpreis für die von CTS Eventim erworbenen Eintrittskarten zu erstatten“.

Ausnahme vom Widerrufrecht nach Art. 16 lit. l der Richtlinie 2011/83/EU

Die Vorlagefrage beantwortete der EuGH so: Art. 16 lit. l der Richtlinie 2011/83/EU sei dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht einem Verbraucher entgegengehalten werden könne, der mit einem Vermittler, der im eigenen Namen, aber für Rechnung des Veranstalters einer Freizeitbetätigung handle, einen Fernabsatzvertrag über den Erwerb eines Zutrittsrechts zu dieser Betätigung geschlossen habe. Voraussetzung dafür sei, dass die Freizeitbetätigung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum stattfinden soll und ein Erlöschen der Erfüllungspflicht gegenüber dem Verbraucher durch einen Widerruf dem Veranstalter ein wirtschaftliches Risiko durch die Bereitstellung von Kapazitäten auferlegen würde.

Die Corona-Pandemie hat Konzertveranstalter vor große Aufgaben gestellt. Verbraucherinnen und Verbraucher hingegen sehnen sich nach Planungssicherheit und möchten nicht als Kapitalgeber für die Konzertveranstalter agieren. Das EuGH-Urteil schafft hier einen fairen Ausgleich, in dem es Konzertveranstalter im Falle eines Widerrufs im Innenverhältnis zum Verkäufer des Tickets in die Haftung nimmt.

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