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Bundesverfassungsgericht zu einstweiliger Verfügung ohne Anhörung

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Anhörung einstweilige Verfügung
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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne vorherige Anhörung, verstößt gegen die prozessuale Waffengleichheit. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall entschieden, der das OLG Hamburg betrifft (BVerfG, Beschluss v. 01. Dezember 2021, Az. 1 BvR 2708/19).

In dem Streitfall ging es um ein Interview, welches die Beschwerdeführerin in dem Verfahren auf einer Internetseite veröffentlichte und in dem die Antragstellerin des Ausgangsverfahrens erwähnt wurde. Die Antragstellerin mahnte die Beschwerdeführerin wegen des Interviews erfolglos ab. Danach stellte sie beim Landgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung. Der Unterlassungstenor entsprach dabei der vorherigen, erfolglosen außergerichtlich geforderten Unterlassungserklärung. Nachdem das Gericht der Antragstellerin mitteilte, dass ihre Anträge keine Erfolgsaussicht hätten, formulierte die Antragstellerin ihren Antrag um und ergänzte ihn um zwei Hilfsanträge. Die Beschwerdeführerin nahm diese zwar zurück, doch das Oberlandesgericht erließ anschließend eine einstweilige Unterlassungsverfügung gegen die Beschwerdeführerin, „der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung“. Die Beschwerdeführerin, die zuvor auch nicht schriftlich angehört worden war, rügte eine Verletzung der prozessualen Waffengleichheit.

Recht auf prozessuale Waffengleichheit verletzt

Das Bundesverfassungsgericht moniert in seinem Beschluss, dass die Beschwerdeführerin bereits von der Umstellung, Ergänzung und teilweisen Rücknahme von Anträgen schon keine Kenntnis gehabt habe und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden war. Dies verletze die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i. V. m.  Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz.

Gericht muss Äußerung zum Verfügungsantrag ermöglichen

Die prozessuale Waffengleichheit stehe im Zusammenhang mit dem Gehörsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit darstelle. Als prozessuales Urrecht gebietet dieser, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen. Vor einer stattgebenden Entscheidung müsse die Gegenseite ein per Antrag und mit weiteren an das Gericht gerichteten Schriftsätzen geltend gemachtes Vorbringen erwidern können.

Anhörung nur in Ausnahmefällen entbehrlich

Eine vorherige Anhörung sei nur in Ausnahmefällen entbehrlich, so das Bundesverfassungsgericht. So sei etwa denkbar, dass das Gericht in Eilverfahren der Gegenseite vorprozessual erlaubt, sich zu einem Verfügungsantrag zu äußern, wenn sichergestellt sei, dass solche Äußerungen vollständig dem Gericht vorliegen. Die Möglichkeit eine Abmahnung, die einem Verfügungsverfahren vorausgeht, zu erwidern, genüge dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen: Erstens müsse der Verfügungsantrag im Anschluss an die Abmahnung unverzüglich nach Ablauf einer angemessenen Frist für die begehrte Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht werden. Zweitens müssen die abgemahnte Äußerung sowie die Begründung für die begehrte Unterlassung mit dem bei Gericht geltend gemachten Unterlassungsbegehren identisch sein. Und drittens müsse der Antragsteller ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht einreichen.

Anhörung bei Hinweisen oder abweichendem Vortrag

Dem Antragsteller sei Gehör zu gewähren, wenn er nicht in der vorgesehenen Form abgemahnt werde oder der Antrag bei Gericht anders als die Abmahnung oder mit ergänzendem Vortrag begründet werde. Gehör sei im Übrigen insbesondere dann zu gewähren, wenn das Gericht dem Antragsteller Hinweise nach § 139 ZPO erteile, von denen die Gegenseite sonst nicht oder erst nach Erlass einer für sie nachteiligen Entscheidung erfahre. An diese Grundsätze habe sich das OLG Hamburg nicht gehalten.

Erfolge keine vorherige Anhörung sei keine Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung gegenüber dem Verfahrensgegner gewährleistet. Im zu entscheidenden Fall habe der Verfügungsantrag, dem der OLG-Pressesenat stattgab, nicht mehr der außerprozessualen Abmahnung entsprochen. Die Antragstellerin habe durch mehrere gerichtliche Hinweise ihre Anträge umstellen, ergänzen und teilweise zurücknehmen und damit flexibel nachsteuern können. Die Beschwerdeführerin hingegen habe keinerlei Möglichkeit gehabt, auf die veränderte Sach- und Streitlage zu reagieren. Sie habe zur Zustellung der Entscheidung des Pressesenats sogar nicht einmal gewusst, dass gegen sie ein Verfahren geführt wurde.

Die neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stärkt die prozessuale Stellung aller, die im Äußerungsrecht Unterlassungsverfügungen abwehren müssen. Das Bundesverfassungsgericht setzt mit dem Beschluss seine jüngere Rechtsprechung, die eine Anhörung grundsätzlich verlangt, fort.

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