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EuGH erteilt genereller biometrischer Registrierung eine Absage

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Biometrie- und DNA-Daten
Foto von Drew Hays auf Unsplash

Der Europäische Gerichtshof hat geurteilt, dass die Verarbeitung von Biometrie- und DNA-Daten im Rahmen einer polizeilichen Registrierung nicht generell zulässig ist (EuGH, Urteil vom 27.01.2023, Az. C-205/21 – Strafverfahren gegen V.S., Beteiligter: Ministerstvo na vatreshnite raboti, Glavna direktsia za borba s organiziranata prestapnost [Generaldirektion für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität]).

Gegen die Frau V.S. wurde wegen Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung mit Bereicherungsvorsatz Ermittlungen aufgenommen. Am 15. März 2021 wurde sie über die Ermittlungen informiert und aufgefordert, an einer polizeilichen Registrierung mitzuwirken. Diese beinhaltete die Anfertigung von Fotos, das Abnehmen von Fingerabdrücken sowie die Entnahme einer Probe für das DNA-Profil. V. S. weigerte sich und füllte sie einen Vordruck in Form einer Erklärung aus. Darin gab sie an, über das Bestehen einer Rechtsgrundlage für die Registrierung informiert worden zu sein, mit der Maßnahme und der Entnahme der DNA-Probe aber nicht einverstanden zu sein.

Nationales Recht sieht „polizeiliche Registrierung“ von Personen vor

Ein nationales Gesetz in Bulgarien sieht eine Verpflichtung des Gerichts vor, die zwangsweise Erhebung von Karteifotos, Fingerabdrücken oder DNA-Proben, anzuordnen, selbst wenn die Person sich weigert und kein Gericht beurteilt, ob ein begründeter Straftatverdacht besteht.

Ein bulgarisches Strafgericht legte am 31. März 2021 mehrere Rechtsfragen als Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH vor. Es wollte klären, ob Art. 10 der EU-Richtlinie 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates im nationalen bulgarischen Gesetz wirksam umgesetzt wird.

Verarbeitung zur Wahrung lebenswichtiger Interessen erlaubt

Art. 10 der EU-Richtlinie 2016/680 regelt die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, also auch „die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten“. Eine solche Verarbeitung ist nur erlaubt, wenn sie unbedingt erforderlich ist und vorbehaltlich geeigneter Garantien für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Person erfolgt, nach Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten zulässig ist oder der Wahrung lebenswichtiger Interessen der betroffenen oder einer anderen natürlichen Person dient.

Der EuGH entschied auch die Frage, ob die Anforderungen von Art. 6 lit. a i. V. m. Art. 52 der EU-Richtlinie 2016/680 und Art. 3 (Recht auf Unversehrtheit) und Art. 8 (Schutz personenbezogener Daten) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erfüllt sind. Art. 6 lit. a der EU-Richtlinie 2016/680 (Unterscheidung verschiedener Kategorien betroffener Personen) schreibt den Mitgliedstaaten vor, dass der Verantwortliche zwischen personenbezogenen Daten verschiedener Kategorien betroffener Personen klar unterscheidet, darunter auch „Personen, gegen die ein begründeter Verdacht besteht, dass sie eine Straftat begangen haben oder in naher Zukunft begehen werden“. Art. 52 betrifft das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde.

EuGH: „nur dann erlaubt, wenn sie unbedingt erforderlich ist“

In seinem Urteil gelangt der EuGH zu dem Ergebnis, dass nationale Vorschriften, die die systematische Erhebung biometrischer und genetischer Daten aller Personen, die einer vorsätzlichen Offizialstraftat beschuldigt werden, für Zwecke der Registrierung der EU-Richtlinie 2016/6808 entgegenstehen, wenn keine Pflicht der Behörde vorgesehen ist, nachzuweisen, dass die Erhebung für die Erreichung Ziele unbedingt erforderlich ist.

Der EuGH sieht eine Verarbeitung biometrischer und genetischer Daten durch Polizeibehörden für Untersuchungstätigkeiten zu Zwecken der Kriminalitätsbekämpfung nach nationalem Recht als zulässig an, wenn das nationale Recht eine hinreichend klare und präzise Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit der Verarbeitung enthält.

EU-Richtlinie oder DSGVO?

Die nationale Regelung darf auf die DSGVO Bezug nehmen und nicht auf die EU-Richtlinie 2016/680. Während die Verarbeitung sensibler Daten für die unter die Richtlinie 2016/680 fallenden Zwecke der Verhütung und Aufdeckung von Straftaten nur erlaubt ist, wenn sie unbedingt erforderlich ist, sieht die DSGVO ein grundsätzliches Verbot der Verarbeitung solcher Daten, versehen mit einer Liste von Ausnahmen, vor.

Bei Personen, die einer vorsätzlichen Offizialstraftat beschuldigt werden, reichen hinreichende Beweise, um die zwangsweise Erhebung von Daten in der nationalen Norm vorzusehen. Der EuGH weist in seinem Urteil auch auf die Zweckbeindung und Datenminimierung hin. Die Mitgliedsstaaten müssen nach dem Urteil sicherstellen, dass eine klare Unterscheidung zwischen den Daten verschiedener Personenkategorien getroffen wird.

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