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LG Saarbrücken = Das modernste Gericht Deutschlands?

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Photo by Ajeet Mestry on Unsplash

Es kommt nicht oft vor, dass man nach über 15 Jahren Tätigkeit als Anwalt Gelegenheit bekommt, eine berufliche Premiere zu feiern. Anfang der Woche war es dann soweit.

Das Landgericht Saarbrücken ersucht die Parteien in einem durch unsere Kanzlei geführten Rechtsstreit, einer Erörterung des Rechtsstreits per Telefonkonferenz oder Videokonferenz zuzustimmen und mitzuteilen, welche Termine dafür Betracht kommen (LG Saarbrücken, Beschluss v. 6.4.2020, Az. 7 HK O 7/20, hier als PDF abrufbar).

Das Gericht weist darauf hin, dass der Rechtsstreit zwar “technisch” im schriftlichen Verfahren geführt werden solle. Damit macht das Gericht streng genommen vom § 128 a ZPO keinen Gebrauch. Bereits seit über sieben Jahren gestattet der § 128 a ZPO, die Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung durchzuführen, ohne dass ein schriftliches Verfahren zurückgegriffen werden müsste. Dennoch findet das Gericht mit der “elektronischen” Erörterung einen eleganten Weg, Verzögerungen zu vermeiden, ohne jedoch auf eine gewisse Mündlichkeit vollständig zu verzichten zu müssen.

Es ist natürlich kein Zufall, dass die plötzliche Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien bei den Gerichten mit der Coronakrise zusammenfällt. Die “Not” trägt hier sicherlich zu einem großen Teil zur Entscheidungsfreudigkeit bei. Dennoch ist der Schritt des Landgerichts Saarbrücken ausdrücklich zu begrüßen. Denn unsere Erfahrung in den letzten Wochen zeigt, dass es durchaus auch noch anders geht.

Manche Gerichte sträuben sich noch

Ein krasses Negativbeispiel gibt zurzeit ein bestimmter OLG-Senat ab. Dieser sagte zunächst langfristig terminierte mündliche Verhandlungen unter Berufung auf gesundheitliche Risiken aufgrund der Corona-Pandemie – grundsätzlich verständlicherweise – ab. Das Gericht terminierte dann aber nicht neu oder stellte eine Neuterminierung in Aussicht. Es wies vielmehr plötzlich darauf hin, dass die jeweils eingelegten Berufungen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hätten, und teilte mit, dass man gedenke, diese daher einstimmig zurückzuweisen.

Nicht nur die Koinzidenz der zwei Fälle mit der Coronakrise, sondern auch die Vorgabe des § 522 ZPO, nach der die Berufung eigentlich unverzüglich zurückgewiesen werden soll, legen den Verdacht nahe, dass dem Gericht weniger um die Erfolgsaussichten der Rechtsmittel, sondern eher darum ging, die Verfahren angesichts einer tatsächlichen oder befürchteten Arbeitsmehrbelastung “vom Tisch” zu bekommen,  anstatt sich mit modernen Verhandlungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen.

Es ist zu hoffen, dass der aktuellen Krise vielleicht sogar etwas Positives abgewonnen werden kann, wenn die nicht nur technisch möglichen, sondern vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Kommunikationsformen von den Gerichten nun auch tatsächlich genutzt werden.

Fragen über Fragen

Es bleiben natürlich noch viele offene Fragen. Muss der Anwalt Anzugjacke oder sogar Robe tragen? Muss man vom Schreibtisch aufstehen, wenn die Videokonferenz mit dem Gericht beginnt, und so riskieren, dass der Schlafanzug sichtbar wird, den man drunter trägt? Kann das Gericht im Hintergrund unerbeten ins Bild tretenden Familienmitgliedern einen virtuellen Saalverweis erteilen?

Wir werden über unsere Erfahrungen hier berichten.

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