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Die wichtigsten Urteile zu den fünf wichtigsten FIS-Regeln

FIS-Regeln
Foto von Greg Rosenke auf Unsplash

Die Regeln der Fédération Internationale de Ski (FIS) gelten für Ski- und Snowboardfahrer und andere Wintersportler weltweit. Wir haben für Sie die wichtigsten Urteile zu den einzelnen FIS-Regeln zusammengetragen.

 

 

 

 

Die „10 FIS-Verhaltensregeln für Skifahrer und Snowboardfahrer“ der FIS wurden seit ihrem Entstehen mehrmals geändert. Die folgende Übersicht orientiert sich an den FIS-Regeln in ihrer geltenden Fassung und berücksichtigt nur Regeln, die noch bestehen. Die vorhandene Rechtsprechung konzentriert sich auf zentrale Regeln wie etwa die FIS-Regel 2 („Sichtfahrgebot bei angepasster Geschwindigkeit“).

FIS-Regel 1: Jeder Ski-Fahrer muss sich so verhalten, dass er keinen anderen gefährdet oder schädigt.

Die FIS-Regel 1 („allgemeine Sorgfaltspflicht“) hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer Entscheidung auch höchstrichterlich bestätigt (BGH, Urteil v. 11.01.1972, Az. VI ZR 187/70). Die FIS-Regel 1 gilt als Auffangtatbestand.

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urteil v. 26.06.1975, Az. 9 U 75/74, mit Verweis auf BGH, Urteil v. 28.04.1952, Az. III ZR 118/51) hat „derjenige, der eine Gefahrenlage schafft oder in seinem Bereich andauern läßt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen […], um eine Schädigung anderer tunlichst abzuwenden“. In dem konkreten Fall war ein Skifahrer gefallen und gegen eine andere Skifahrerin gerutscht. Dabei verhakten sich beide mit ihren Skistöcken ineinander. Die Skifahrerin wollte dann ihre Bindung lösen. Der Skifahrer zog jedoch seinen Skistock heraus, was dazu führte, dass die Skifahrerin einen vereisten Hang herunter rutschte, gegen einen Baum prallte und eine Querschnittslähmung erlitt.

Die FIS-Regel 1 beinhaltet unter Umständen eine in der Regel selbst nicht ausformulierte Pflicht zum Notsturz. Kann ein Skifahrer absehen, dass er mit einem anderen kollidiert, weil rechtzeitiges Anhalten oder Ausweichen nicht mehr möglich ist, oder hat ein Fahrer einen Zusammenstoß durch seine Fahrweise gerade provoziert, besteht die Pflich, sich fallen zu lassen. Die Pflicht zum Notsturz besteht allerdings nur dort, wo ein solcher auch zumutbar ist. Würde sich der Fahrer durch einen Notsturz selbst in Lebensgefahr bringen oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schwer verletzen, so besteht eine solche Pflicht nicht.

FIS-Regel 2: Jeder Ski-Fahrer muss auf Sicht fahren. Er muss seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise seinem Können und den Gelände-, Schnee- und Witterungsverhältnissen sowie der Verkehrsdichte anpassen.

FIS-Regel 2 schreibt vor, dass jeder Ski- oder Snowboardfahrer so fährt, dass ihm ein sofortiges Bremsen, Anhalten oder Ausweichen stets möglich ist.

Ein Urteil des Landgerichts Bonn (LG Bonn) betrifft die FIS-Regeln 1 und 2 gleichermaßen und besagt: Im Falle einer Kollision zweier Ski-Fahrer, von denen keiner der wesentlich schnellere und keiner der hintere und/oder obere Fahrer ist, spricht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass jeder der beiden dem jeweils anderen nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt und damit gleichermaßen schuldhaft gegen die FIS-Regeln 1 und 2 verstoßen hat (LG Bonn, Urteil v. 21.03.2005, Az. 1 O 484/04). In einem solchen Fall ist von einer Mitverschuldensquote von jeweils 50 Prozent auszugehen.

Haftungsquote 40/60 bei einem Crash von Ski- und Snowboardfahrer

Das LG Bonn entschied in dem Verfahren auch, dass bei einem Zusammenstoß zwischen einem Ski- und einem Snowboardfahrer eine Verschuldensquote von 40 zu 60 Prozent anzusetzen sei. Grund hierfür sei, „dass ein Snowboard im Vergleich zu regulären Skiern schwerer ist, dadurch wegen einer höheren Aufpralldynamik bei Kollisionen höhere Verletzungsrisiken birgt, gleichzeit [sic!] aber schwerer zu steuern und bei jedem zweiten Schwung (backside turn) ein toter Winkel zu berücksichtigen ist“.

FIS-Regel 3: Der von hinten kommende Ski-Fahrer muss seine Fahrspur so wählen, dass er vor ihm fahrende Skifahrer nicht gefährdet.

FIS-Regel 3 betrifft die Wahl der Fahrspur. Wer von hinten kommt, hat stets einzukalkulieren, dass eine vorausfahrende Person jederzeit die Fahrspur oder die Richtung wechselt. Der vordere bzw. untere Fahrer genießt Vorrang gegenüber dem  hinteren bzw. oberen Fahrer. Wer hinten fährt, hat einen entsprechenden Sicherheitsabstand einzuhalten.

Der BGH hat in einem Fall jedoch entschieden, dass ein Verschulden des Überholenden – hier ein Eisläufer – nicht automatisch angenommen werden kann (BGH, Entscheidung v. 13.07.1982, Az. VI ZR 148/80). So müsse sich auch der Vorausfahrende bei einem erheblichen Richtungswechsel zuvor nach hinten orientieren. Ansonsten gilt er als Unfallverursacher, weil seine Fahrtweise für den Nachfolgenden nicht kalkulierbar war.

FIS-Regel 4: Überholt werden darf von oben oder unten, von rechts oder von links, aber immer nur mit einem Abstand, der dem überholten Skifahrer für alle seine Bewegungen genügend Raum lässt.

Die FIS-Regel 4 regelt den häufigen Fall des Überholens. Kollidiert ein überholender Fahrer mit einem vorausfahrenden, so spricht ein widerlegbarer Anscheinsbeweis dafür, dass der überholende Fahrer die FIS-Regeln 3 und 4 schuldhaft verletzt hat. Nach diesen FIS-Regeln „hat der von hinten kommende Skifahrer seine Fahrspur so zu wählen, dass der vor ihm befindliche Skifahrer nicht gefährdet wird, und darf nur in einem so großen Abstand überholen, dass dem zu überholenden Skiläufer für alle seine Bewegungen genügend Raum bleibt“, so das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm, Urteil v. 05.11.2008, Az. 13 U 81/08). Wer vorausfährt, ist nicht verpflichtet, einem Fahrer, der sich von hinten nähert, auszuweichen. Er muss sich „weder nach hinten noch hangwärts nach oben orientieren“ und hat Vorrang gegenüber dem herannahenden Fahrer, urteilte das OLG Hamm.

Auch das Oberlandesgericht München (OLG München) entschied, dass „der nachfolgende Skifahrer genügend Abstand einhalten muss, um den Vorausfahrenden für alle seine Bewegungen genügend Raum zu lassen. Der von oben kommende Skifahrer hat in vorausschauender Weise mit allen Bewegungen des unten Fahrenden zu rechnen, und zwar auch mit weiten Schwüngen, Schrägfahrten und Bögen mit großen Radien sowie jederzeitigen Richtungswechseln und sein Verhalten darauf einzustellen“ (OLG München, Urteil v. 30.11.2016, Az. 3 U 2750/16, vgl. auch Landgericht Köln, Urteil v. 15.08.2017, Az. 30 O 53/17, Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss v. 02.03.2011, Az. 5 U 1273/10).

Etwas anders gilt allerdings, wenn der Vorausfahrende ein „ungewöhnliches oder plötzlich verändertes Schwungverhalten“ zeigt, entschied das Landgericht Frankenthal (Urteil v. 20.05.2015, Az. 3 O 271/14).

Kommt es zu einer Kollision und ist der Sachverhalt streitig und kann nicht mit Vollbeweis bewiesen werden, entfaltet dies keinen Anscheinsbeweis, der den Schluss auf eine schuldhaftes Verhalten eines Beteiligten bzw. einen Verstoß gegen eine FIS-Regel zulässt (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil v. 28.08.2012, Az. 11 U 10/12). Für die Anwendbarkeit eines Anscheinsbeweises muss vielmehr ein Sachverhalt feststehen, bei dem nach der Lebenserfahrung auf ein bestimmtes Verhalten der Beteiligten geschlossen werden kann.

FIS-Regel 5: Jeder Skifahrer, der in eine Skiabfahrt einfahren oder nach einem Halt wieder anfahren will, muss sich nach oben und unten vergewissern, dass er dies ohne Gefahr für sich und andere tun kann.

Die FIS-Regel 5 regelt das Einfahren, Anfahren und Hangaufwärtsfahren eines stehenden Ski- oder Snowboardfahrers.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf) stellte bei einem Skifahrer einen Verstoß gegen die FIS-Regeln 1 und 5 fest. Der Skifahrer stieß mit einem von hinten kommenden Skifahrer, der die Piste queren wollte, zusammen und erlitt einen Unterschenkelbruch. Das OLG Düsseldorf stellte fest, der Skifahrer habe sich „nicht so verhalten, daß er keinen anderen gefährdete, sondern nach einem Wiederanfahren in die Ski-Abfahrt nach einem Halt sich nicht genügend versichert, daß dies ohne Gefährdung Dritter möglich war.“ Das OLG Düsseldorf gab dem Kläger deshalb ein Mitverschulden in Höhe von 50 Prozent (OLG Düsseldorf, Entscheidung v. 19.04.1996, Az. 22 U 259/95).

Viele abstrakte Regeln werden erst durch entsprechende Anwendungsfälle anschaulich. Wer sowohl die FIS-Regeln selbst als auch die Rechtsprechung hierzu beachtet, dessen Wintersportspaß steht nichts mehr im Wege.

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