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Gibt es ein Persönlichkeitsrecht für juristische Personen?

Persönlichkeitsrechts für juristische Personen
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Das Oberlandesgericht Dresden hat ein Urteil des Landgerichts Leipzig aufgehoben, das den Klägern noch den begehrten Unterlassungsanspruch zugesprochen hatte.

Zwar können sich juristische Personen des Privatrechts grundsätzlich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen. Die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit fiel im vorliegenden Fall jedoch zugunsten der Beklagten aus (Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 25.07.2023, Az.: 4 U 125/23).

In dem Verfahren ging es um Unterlassungsverpflichtungen hinsichtlich einer Äußerung der Beklagten. In Anspruch genommen wurde sie von einer Pflegeheimbetreiberin und zwei ihrer Gesellschafter. Die Beklagte hatte in einer E-Mail an einen der Kläger diverse Äußerungen gemacht, die das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien betrafen. Insbesondere bezeichnete sie ein Verhalten der Kläger als „Betrug“ und unterstellte ihnen, es sei ihr Ziel gewesen, sich das Pflegeheim anzueignen. Die Kläger hielten dies insgesamt für unzutreffend.

Das Oberlandesgericht Dresden teilte diese Auffassung nicht. Die Kläger müssten die Äußerung vielmehr hinnehmen, da sie im Ergebnis nicht rechtswidrig sei.

Juristischen Personen des Privatrechts steht grundsätzlich Unterlassungsanspruch zu

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Anspruch nicht automatisch ausgeschlossen, nur weil eine der klagenden Parteien eine GmbH, also eine juristische Person des Privatrechts, ist. Es ist allgemein anerkannt, dass juristische Personen des Privatrechts Ehrschutz genießen und sich auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berufen können.

Dies gilt jedoch nur, wenn der Schutz nicht speziell an Eigenschaften, Äußerungsformen oder Beziehungen anknüpft, die allein natürlichen Personen wesenseigen sind. Dies ist in der Regel der Fall, wenn der soziale Geltungsanspruch im Tätigkeitsbereich der juristischen Person, insbesondere als Arbeitgeber oder Wirtschaftsunternehmen, betroffen ist. So war es im vorliegenden Fall.

Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit

Im vorliegenden Fall standen sich in der erforderlichen Abwägung auf Seiten der Kläger der Schutz ihrer Persönlichkeit und ihres guten Rufes und auf Seiten der Beklagten die Meinungsfreiheit gegenüber.

Für einen Unterlassungsanspruch hätten die schutzwürdigen Interessen der Kläger die der Beklagten unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles überwiegen müssen. Generell gilt im Rahmen der Abwägung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht regelmäßig nicht vor herabsetzenden Meinungsäußerungen, sondern nur vor herabsetzenden unwahren Tatsachenbehauptungen schützt.

Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung?

Das Gericht nahm daher zunächst eine Abgrenzung vor, ob es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um eine Meinungsäußerung oder um eine Tatsachenbehauptung handelt. Hierzu war zunächst der objektive Sinngehalt der streitgegenständlichen Äußerung aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums nach Wortlaut und Kontext zu ermitteln.

In einem zweiten Schritt hat das Gericht dann geprüft, ob bei der Äußerung der subjektive Bezug der Äußerung zur Wirklichkeit im Vordergrund stand (dann hätte es sich um ein Werturteil gehandelt) oder ob vielmehr das objektive Verhältnis des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung im Vordergrund steht (dann wäre eine Tatsachenbehauptung anzunehmen gewesen).

Verwendung juristischer Begriffe und pauschaler rechtlicher Einordnungen nur im Ausnahmefall Tatsachenbehauptung

In der Sache wandten sich die Kläger gegen die Bezeichnung ihres Verhaltens als „Betrug“. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts handelt es sich bei dieser Äußerung ausnahmsweise um eine Tatsachenbehauptung. Dabei führte das Gericht zunächst aus, dass die Verwendung von Rechtsbegriffen und pauschalen rechtlichen Einordnungen (z.B. als „Dieb“ oder „Betrüger“) in der Regel Meinungsäußerungen darstellen.

Im konkreten Fall aber, so die Dresdner Richter, ergebe sich aus der Passage der E-Mail, die Teil der streitgegenständlichen Äußerung sei, eindeutig, dass sich die Bezeichnung des Handelns der Kläger als „Betrug“ auf zwei konkrete Sachverhalte beziehe. Der Betrugsvorwurf stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit den in der E-Mail enthaltenen Tatsachenbehauptungen über die Einbehaltung der vollen Miete durch die Kläger ab Mai 2017 sowie über den Entwurf eines Kooperationsvertrages, so dass die Äußerung insgesamt als Tatsachenbehauptung zu werten sei.

Äußerung von Absichten bedarf einer ausreichenden Tatsachengrundlage

Die Qualifizierung des Verhaltens der Klägerinnen als „Betrug“ ist eine Beschreibung vermuteter Absichten. Diese Behauptung innerer Tatsachen beruht notwendigerweise auf Schlussfolgerungen, die die Beklagte aus dem Verhalten der Kläger gezogen hat. In einem derartigen Fall verlangt die Rechtsprechung eine ausreichende Tatsachengrundlage, um den Schluss auf die Motive oder möglichen Absichten Dritter zu rechtfertigen.

Anknüpfung an beweisbare Situationen

Das Oberlandesgericht bejahte im vorliegenden Fall eine ausreichende Tatsachengrundlage. Nach den Feststellungen des Gerichts bezog sich die Behauptung der Beklagten auf zwei wahre Anknüpfungstatsachen, die aus der Sicht des verständigen Durchschnittsempfängers den von der Beklagten gezogenen Schluss auf eine „Aneignungsabsicht“ in Bezug auf das Pflegeheim rechtfertigten.

Angesichts der Einstufung des Verhaltens der Kläger als „rechts- und treuwidrig“ in dem in der E-Mail zitierten Urteil des Oberlandesgerichts Dresden sowie des Inhalts des Kooperationsvertragsentwurfs lag eine hinreichende tatsächliche Grundlage vor, die die Beklagte – unabhängig von den tatsächlichen Motiven der Kläger – zu der Äußerung berechtigte.

Mangelnde Öffentlichkeitswirkung und tatsächliche Auseinandersetzungen ebenfalls relevant

Bei der Abwägung hat das Gericht auch berücksichtigt, dass die streitgegenständliche Äußerung praktisch ohne Öffentlichkeitswirkung geblieben ist. Denn die E-Mail wurde neben dem Kläger zu 2), an den sie adressiert war, nur an eine weitere Person per „cc“ weitergeleitet. Diese Person war zudem ohnehin als Projektbetreuer bei der Errichtung des Pflegeheims in das zugrundeliegende Geschäft involviert.

Als weiteres Argument zugunsten der Beklagten wertete das Oberlandesgericht, dass der Äußerung der Beklagten eine tatsächliche gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien zugrunde lag.

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