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Der BGH spricht zum Thema "Geltendmachung rechtsmissbräuchlicher Vertragsstrafen"

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ich wollte unterschreiben - aber keinen Vertrag

Der I. Zivilsenat hat in einem aktuellen Urteil vom 31.05.2012, AZ I ZR 45/11 einige Leitsätze aufgestellt, die wir hier gerne erläutern möchten.

Leitsatz: Die Frage, ob die Geltendmachung einer Vertragsstrafe rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich nicht nach § 8 Abs. 4 UWG, sondern nach § 242 BGB

Was bedeutet das? Der Rechtsmissbrauchseinwand des § 8 Abs. 4 UWG beschränkt sich auf Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG. Auf vertragliche Ansprüche -also auch den Ansprüchen aus Unterlassungserklärungen- findet § 8 Abs. 4 UWG keine Anwendung. Statt dessen ist die allgemeine Regelung des § 242 BGB heranzuziehen. Umstände, die nach § 8 Abs. 4 UWG eine Rechtsmissbräuchlichkeit begründen, können herangezogen werden, soweit sie in einem Zusammenhang mit der Vereinbarung der Vertragsstrafe stehen. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Missbräuchlichkeit nach § 8 Abs. 4 UWG nicht zwingend zu einer Missbräuchlichkeit nach § 242 BGB führt.

Hinsichtlich der regelmäßig vorgebrachten Einwände aus § 8 Abs. 4 UWG ist zudem zu beachten, dass diese nur dann greifen können, wenn ein Zusammenhang mit dem Unterlassungsvertrag besteht. Wer also mit einer rechtswidrige Mehrfachverfolgung, der Forderung unverhältnismäßig hoher Vertragsstrafen, der Annahme unverhältnismäßig hoher Streitwerte oder der unterlassenen Geltendmachung abgemahnter Wettbewerbsverstöße argumentieren möchte wird nur dann Erfolg haben, wenn tatsächlich ein konkreter Zusammenhang mit dem Unterlassungsvertrag besteht. Wenn z.B. zum Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung noch gar keine Mehrfachverfolgung vorlag, dann ist es schwerlich möglich, diesen Einwand effektiv gegen die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe einzubringen.

Einem weiteren -ebenfalls beliebten Argument- hat der BGH ebenfalls eine Absage erteilt: Wer bei Abgabe der Unterlassungserklärung Kenntnis über über Umstände hat, die einen Rechtsmissbrauch begründen, der kann sich im Streit über verwirkte Vertragsstrafen nicht mehr darauf berufen. Hierzu führt der BGH in Rz. 29 und 30 aus:

Mit der Unterwerfungserklärung soll in der Regel auch ein möglicher Streit zwischen Abmahnendem und Abgemahnten darüber vermieden werden, ob das beanstandete Verhalten wettbewerbsrechtlich unlauter ist und einen Unterlassungsanspruch begründet (…). Dies gilt auch für die Frage, ob der Unterlassungsanspruch, der Gegenstand der Abmahnung vom 3. April 2009 ist, wegen Rechtsmissbrauchs gerichtlich nicht durchsetzbar ist. Da dem Beklagten die Kenntnis seiner Prozessbevollmächtigten von der Äußerung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. März 2009 nach § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist, hat er die Unterwerfungserklärung vom 14. April 2009 in Kenntnis dieser Äußerung abgegeben und kann sich hierauf zur Begründung des Rechtsmissbrauchs nicht (mehr) berufen.

Entgegen der Ansicht der Revision ändert an diesem Ergebnis auch der Umstand nichts, dass der Einwand des Rechtsmissbrauchs von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Das hindert den Abgemahnten nicht, sich zur Streitbeilegung wirksam im Rahmen des Unterwerfungsvertrags zu verpflichten (…). Andernfalls wäre eine außergerichtliche Streitbeilegung durch Abschluss eines Unterwerfungsvertrags für den Abmahnenden mit Unsicherheiten belastet, die dem Sinn und Zweck einer solchen Vereinbarung zuwiderliefen, eine gerichtliche Auseinandersetzung über den Unterlassungsanspruch zu vermeiden.

Leitsatz: Die Rechtskraft der Entscheidung über den Unterlassungsanspruch hat grundsätzlich keine Bindungswirkung für die Frage, ob die Abmahnung begründet war

Diese beiden Ansprüche sind separat zu prüfen. Auch hier bestätigt der BGH, dass die Parteien – hier die Beklagten- entscheiden können, ob sie Ansprüche anerkennen möchten oder nicht. Insbesondere das Anerkenntnis eines Unterlassungsanspruchs kann prozessual dann sinnvoll sein, wenn das beanstandete Verhalten nur einmalig stattgefunden hat oder in Zukunft eh nicht mehr stattfinden soll. Der Streit über die Kosten der Abmahnung ist dann separat zu beurteilen.

Leitsatz: Die Vorschriften der §§ 307, 308 Nr. 1, § 309 Nr. 7a BGB sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.

Der BGH stellt klar, dass Regelungen in AGB über Haftungsausschlussklauseln und Annahme- und Leistungsfristen über § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbsrechtlich überprüfbar sind. Bei der Formulierung dieser Klauseln (insbesondere den komplexen Haftungsklauseln) ist also Vorsicht geboten! (ro)

(Bild: © fffranz – Fotolia.com)

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