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Bundesverfassungsgericht: Die Bezeichnung eines Rechtsanwaltsbüros als "Winkeladvokatur" kann in einem bestimmten Zusammenhang zulässig sein

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winkelIm Juli 2012 hatten wir über einen Streit zwischen 2 Rechtsanwälten berichtet, wobei der eine sich nicht gefallen lassen wollte, sich vom anderen als Winkeladvokaten bezeichnen zu lassen. Unter anderem waren die folgenden Äußerungen getätigt worden:

„Mir persönlich erscheint es daher fragwürdig, wie es die Rechtsanwälte … mit ihrer prozessualen Wahrheitspflicht halten, wenn sie dem Gericht gegenüber eine ‚Kooperation‘ behaupten, wo sonst von ihnen allenthalben der Eindruck einer Sozietät zu vermitteln versucht wird.

Ich gehe davon aus, dass es nicht unsachlich ist, eine solche geschickte Verpackung der eigenen Kanzlei – mal als Kooperation, mal als Sozietät (wie es gerade günstig ist) – als ‚Winkeladvokatur‘ zu apostrophieren.“

Und außerdem:

„‚Winkeladvokatur‘ ist andererseits jedoch wohl nicht verboten; es zeichnet den erfolgreichen Anwalt schließlich aus, dass er sein Mäntelchen in den Wind hängt und sich argumentativ stets zu helfen weiß, jedenfalls solange hierdurch nicht gegen Berufs- und Wettbewerbsrecht verstoßen wird.“

Nachdem das Landgericht Köln und das Oberlandesgericht Köln noch befunden hatten, dass die Bezeichnung Winkeladvokatur für einen Anwalt er verletzend sei, hat das Bundesverfassungsgericht die Urteile aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen (BVerfG, Beschluss v. 2.7.2013, Az. 1 BvR 1751/12 ).

Der Beschwerdeführer persönlich machte uns nun auf die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht vom 9.8.2013 aufmerksam und überreichte und sogar den Schriftsatz seiner Verfassungsbeschwerde vom 18.8.2012 für eine eventuelle Erörterung. Vielen Dank dafür an dieser Stelle.

Das Bundesverfassungsgericht entschied: Um Schmähkritik handelte es sich bei „Winkeladvokatur“ nicht, weil die Äußerung einen Sachbezug hatte, nicht primär der Diffamierung diente und zudem nur unter Prozessbeteiligten getätigt wurde. Ein Unterlassungsurteil verfolge nicht den Zweck, dass „zur Wahrung allgemeiner Höflichkeitsformen überspitzte Formulierungen ausgeschlossen werden“. Die Meinungsfreiheit sei nicht stark genug gewichtet worden.

Das Landgericht Köln muss nun erneut über den Fall entscheiden. Der Ausgang des Rechtsstreits steht somit noch nicht fest. Bereits jetzt ist allerdings schon klar, dass das Bundesverfassungsgericht der Streitigkeiten offensichtlich einen höheren Stellenwert beimisst, als das Landgericht und das Oberlandesgericht Köln, die mit ihrer  Streitwertfestsetzung von 1.000,00 € bzw. 2.000,00 € durch die Blume recht eindeutig zu verstehen gegeben haben, was von der Sache halten. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird vom Bundesverfassungsgericht demgegenüber auf 25.000 € festgesetzt.

Wenn das Landgericht dieser Vorgabe folgt, hätte sich die Provokation des Kollegen auf ganzer Linie gelohnt. Denn dann erhielte der Verfechter der Meinungsfreiheit für seine anwaltlichen Bemühungen in eigener Sache auch ca.  6.000 €. (la)

(Bild: nito – shutterstock)

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