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LG Ingolstadt: Verfügungsantrag ist nicht dringlich, wenn Gläubiger den gleichen Rechtsverstoß selbst begeht

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schildkröteDas Landgericht Ingolstadt hat in einem von uns geführten einstweiligen Verfügungsverfahren (LG Ingolstadt, Urteil v. 11.3.2014, Az. 1 HK O 1981/13, bis zur Veröffentlichung bei deiure.de o.ä. hier als Scan abrufbar) interessante Überlegungen zur Dringlichkeit angestellt.

Es stritten sich zwei Anbieter von Whirlpools darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Geschäftsbetrieb bzw. Teile davon als „Outlet“ bezeichnet werden dürfen.

Der Verfügungskläger war der Ansicht, dass diese Voraussetzungen bei der Verfügungsbeklagten nicht vorlägen, da diese reine Händlerin sei und keinen eigenen Fabrik- bzw. Herstellerverkauf betreibe. Der angesprochene Verkehr verstehe unter dem Begriff „Outlet“ jedoch einen Fabrik- oder jedenfalls einen Herstellerverkauf, bei dem Ware aus der Produktion des Herstellers unter Ausschaltung des groß-und Zwischenhandels besonders preiswert angeboten werde.

Das Besondere im vorliegenden Fall bestand darin, dass nicht nur die Verfügungsbeklagte den Begriff „Outlet“ verwendete, sondern auch der Verfügungskläger damit seit Jahren in ähnlicher Weise warb, ohne Hersteller zu sein bzw. ohne einen Fabrik- oder jedenfalls einen Herstellerverkauf zu betreiben.

Mit Hinblick darauf wies das Landgericht Ingolstadt den Antrag auf einstweilige Verfügung mit der Begründung zurück, dass es diesem am Verfügungsgrund (der Dringlichkeit) fehle.

Die Dringlichkeit wird widerleglich vermutet

Das Landgericht weist darauf hin, dass die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit nicht nur anhand eines Zeitmoments, sondern auch anhand eines Umstandsmoments geprüft wird. Diese wird zwar grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Dabei handelt es sich jedoch um eine widerlegliche Vermutung. Wenn sich aus anderen Gründen, insbesondere wegen des vorprozessualen Verhalten des Antragstellers oder schutzwürdiger Interessen des Antragsgegners besondere Umstände ergäben, seien die Voraussetzungen der Dringlichkeit im Rahmen einer Interessenabwägung konkret zu prüfen.

Eine Interessenabwägung kann Dringlichkeit entfallen lassen

Das Gericht nahm daraufhin eine Interessenabwägung vor, bei dem es sowohl die schutzwürdigen Interessen des Verfügungsklägers berücksichtigte, die darin bestünden, einen begründeten Unterlassungsanspruch möglichst schnell durchsetzen zu können. Auf der Seite des Verfügungsbeklagten sah das Gericht jedoch das entgegenstehende Interesse, nicht aufgrund eines bloß summarischen Verfahrens möglicherweise mit der Folge weitreichender Einschränkungen seiner wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeit in Anspruch genommen zu werden. Hier sei insbesondere von Bedeutung, in welchem Maße der Antragsteller in seinen Interessen betroffen wird, wenn die Eilmaßnahme nicht ergeht bzw. umgekehrt, wie schwer der Antragsgegner durch die beantragte eine Entscheidung in seinen Rechten betroffen werden kann. Insbesondere der letztere Aspekt hat das Landgericht Ingolstadt dazu bewogen, die Dringlichkeit im vorliegenden Fall zu verneinen. Ausschlaggebend war für das Gericht diesbezüglich, dass der Verfügungskläger das bei der Verfügungsbeklagten später beanstandete Verhalten über einen längeren Zeitraum selbst fast identisch an den Tag gelegt hatte. In einem solchen Fall sei es ihm zumutbar, seinen vermeintlichen Unterlassungsanspruch im Rahmen eines normalen Hauptsacheverfahrens durchzusetzen.

Fazit:

Die Entscheidung des Landgerichts ist uneingeschränkt zu begrüßen. Denn auch einem Laien müsste einleuchten, dass es für jemanden, der sich auf identische Weise selbst seit längerer Zeit rechtswidrig verhält, kein schützenswertes Interesse daran geben kann, einem Wettbewerber eben dieses Verhalten nunmehr im Rahmen eines eiligen Verfügungsverfahrens verbieten zu lassen. Ein solches Verlangen ist aus Sicht des vermeintlichen Gläubigers dann schlicht nicht mehr dringlich.

Es soll betont werden, dass der hier erhobene Einwand der mangelnden Dringlichkeit nicht mit dem „unclean-hands“-Einwand verwechselt werden darf. Dieser ist von der Überlegung getragen, dass es widersprüchlich ist, seinem Mitbewerber genau das Verhalten verbieten zu wollen, welches man selbst an den Tag legt. Dieser Einwand wird in einem überwiegenden Teil der Fallkonstellationen für unzulässig gehalten, insbesondere dann, wenn nicht nur Interessen der beteiligten Wettbewerber, sondern die der Allgemeinheit (Verbraucher, etc.) betroffen sind. (la)

(Bild: © Firma V – Fotolia.com)

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