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LG Frankfurt erlässt drei einstweilige Verfügungen, gegen zwei „Influencer“ in Dubai und gegen YouTube

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In letzter Zeit beschäftigen sie immer häufiger die Gerichte: Dubiose Protagonisten im Internet, vulgo: „YouTuber“, „Influencer“, und „Meinungsblogger“, die sich darauf spezialisiert haben, andere in geschickt monetisierten oder auch ganz offen mit Spendenaufrufen versehenen Videos zu kritisieren und schlecht zu machen.

Reaction-Videos: Aufklärung oder Werbung?

Besonders beliebt ist das „Reaction-Video“. Der Vorteil daran ist nicht nur, dass man keine eigenen Ideen oder Inhalte braucht. Die entnimmt man einfach den teilweise aufwändigen Produktionen des Betroffenen. Zusätzlich kann man sich seinen Fans so auch noch als kritische Stimme und helfende Hand präsentieren. Manchmal dient man seinen Follower über dieses Vehikel auch mehr oder weniger hilfreiche, kostenpflichtige Dienste an.

Millionen deutsche Zuschauer, Sitz im Ausland

Manche bringen es auf YouTube so auf beachtliche „Follower“-Zahlen, die sechsstellig werden können. Die wenigsten haben ihren Sitz in Deutschland oder wenigstens im europäischen Ausland. So gesehen machen es die „Kleinen“ nur den „Großen“ nach: So gut wie keines der Top-Internetunternehmen hat seinen Sitz in Deutschland. Aber selbst Anbieter mit deutschem „Impressum“ sind faktisch oft nicht greifbar, weil sie sich hinter „Werbeagenturen“ verstecken, bei denen keine Rechtsform, geschweige denn ein persönlicher Verantwortlicher angegeben ist.

Über den Fall einer „Meinungsbloggerin“ hatten wir hier berichtet: LHR erwirkt Verfügung gegen „Meinungsbloggerin“

LG Frankfurt verbietet „Kritik“-Video gleich dreifach

Das Landgericht Frankfurt hat aktuell gleich drei einstweilige Verfügungen zu Gunsten eines Unternehmensberaters zum Thema „Remote Work“ gegen einen „Influencer“ und eine ehemalige Kundin mit Sitz in Dubai sowie gegen YouTube erlassen. Damit ist diesen untersagt, in YouTube-Videos haltlose Betrugsvorwürfe zu verbreiten. Gestützt waren die Verbote auf unlautere Herabsetzung und Irreführung.

There is no free lunch

Der „Influencer“ und die ehemalige Kundin der Antragsteller hatten gemeinsam ein Video produziert, das ersterer auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht hatte und in dem sie den Antragstellern unterstellten, sie würden ihre Kunden betrügen  (neudeutsch „scammen“), ohne dafür irgendwelche Anhaltspunkte zu haben. Das Video enthielt aber nicht nur haltlose Vorwürfe. Es diente auch – wie so häufig – nicht der selbstlosen Aufklärung der Zuschauer, sondern nur als Vorwand, die eigenen kostenpflichtigen Leistungen zu präsentieren. Der „Influencer“ und seine Mittäterin boten nämlich zufällig selbst Beratungsleistungen zum Thema Reisen und Auswandern an.

Streitwert 100.000 €, 70.000 € und 25.000 €, Ordnungsgeld bis zu 250.000 €

Den Streitwert hat das Landgericht Frankfurt in Bezug auf den Haupttäter mit 100.000 €, bezüglich der ehemaligen Kundin mit 70.000 € und bezüglich YouTube als Störer mit 25.000 € festgesetzt. Im Falle der Zuwiderhandlung droht den Delinquenten ein Ordnungsgeld bis 250.000 €, ersatzweise bis zu 6 Monate Ordnungshaft. Zwei Beschlüsse sind noch nicht rechts- oder bestandskräftig. Rechtsmittel sind der Gegenseite möglich. YouTube hat eine Abschluss Erklärung abgegeben und die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt.

Schadensersatz

Neben der Unterlassung schulden die beiden „Influencer“ natürlich auch Schadensersatz, der die bisherigen Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von ca. 10.000 € übersteigen dürfte.

Ein Sitz in Dubai hilft nicht

Viele glauben, dass ein Sitz im Ausland nicht nur steuerliche Freiheit bedeutet (schon das ist oft so nicht richtig), sondern, dass man auch ansonsten für den deutschen (Rechts-)Staat nicht greifbar sei. Diese Einstellung ist vom Ansatz her überhaupt nur dann sinnvoll, wenn man nicht vorhat, irgendwann einmal nach Deutschland zurückzukehren. 

Aber auch, wer sich mit Hinblick auf die nach unseren westlichen Maßstäben „eigenwillige“ Auffassung von Rechtsstaatlichkeit in Dubai und die Dauer etwaiger Rechtshilfeersuchen in Sicherheit wähnt, wird enttäuscht sein, wenn er erfährt, dass das deutsche Prozessrecht gemäß §§ 185 Nr. 3, 186 Abs. 1 ZPO eine öffentliche Zustellung schon für den Fall vorsieht, dass die Zustellung im Ausland so lange dauern würde, dass sie dem Gläubiger nicht zugemutet werden kann. 

Öffentliche Zustellung

Genau eine solche öffentliche Zustellung hat das Landgericht Frankfurt auf Antrag der Antragsteller mittlerweile angeordnet. Die einstweiligen Verfügungen werden nun durch Aushang an einer amtlichen Bekanntmachungstafel, durch Veröffentlichung in einem amtlichen Mitteilungsblatt oder einer Zeitung bekannt gemacht. Die Zustellung gilt zu einem bestimmten Zeitpunkt nach der Veröffentlichung als erfolgt.

(Offenlegung: LHR hat die Antragsteller vertreten.)

UPDATE 3.1.2024

Das Landgericht Frankfurt hat mit Beschluss v. 3.1.2024 ein Ordnungsmittel gegen YouTube (Google) in Höhe von 10.000 € verhängt (LG Frankfurt, Ordnugnsmittelbeschluss v. 3.1.2024, Az. 2-03 O 569/23).

YouTube reagiert auf Löschungsaufforderungen und -gebote häufig, mit einer „Sperrung“ für Deutschland. Man ist dort offenbar der Meinung, damit der Unterlassungsverpflichtung genüge zu tun. Das ist aber nicht der Fall. Denn dabei handelt es sich nicht um eine Sperrung des gegenständlichen Videos in dem Sinne, dass das Video in Deutschland oder über deutsche Server nicht mehr abrufbar wäre. So können so „gesperrte“ Videos regelmäßig problemlos über eine Veränderung des angegebenen „Standorts“ über die Webseite auf dem Desktop und in der mobilen Version weiterhin abgerufen werden. Siehe beispielhafter Screenshot:

 

Dazu hatte das Landgericht in dem aktuellen Beschluss das Folgende zu sagen:

Die bloße Sperrung in der Länderversion wird indes der Umsetzung des Verbots, bestimmte Inhalte im deutschen Bundesgebiet zu veröffentlichen, nicht hinreichend gerecht. Denn mittels weniger Klicks in den Einstellungen auf der Webseite der Schuldnerin kann der Nutzer den Standort in ein beliebiges anderes Land ändern. Eine Überprüfung der Richtigkeit der Standortangabe des Nutzers durch die Schuldnerin erfolgt nicht. Eine Umstellung der Länderversion erfordert entgegen dem Vortrag der Schuldnerin auch nicht ein spezielles Vorwissen, dieses ist – gerichtsbekannt – durch wenige Klicks in der You-Tube-App oder über den Webbrowser möglich.

Auf die Unzulänglichkeit eines solchen Vorgehens hatten wir bereits hier hingewiesen:

LG Frankfurt: YouTube muss Influencer-Video mit Sprachnachricht löschen

Ob Google dagegen Beschwerde eingelegt hat oder ob dieser Beschluss rechtskräftig ist, ist uns bisher nicht bekannt.

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