OLG Köln: Zweite einstweilige Verfügung statthaft bei Zweifeln zum Kernbereich der ersten (Klarstellungsverfügung)

zweite einstweilige Verfügung bei Zweifel zum Kernbereich

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Das Lauterkeitsrecht und das einstweilige Verfügungsverfahren, in dessen Rahmen die meisten wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten geführt werden, haben interessante Facetten.

Eilverfügung, Verstoß, Ordnungsmittelantrag

Vorliegend ging es um den Fall, in dem ein Wettbewerber eine Verfügung wegen einer irreführenden Werbung eines Konkurrenten erwirkt hatte. Dieser hatte behauptet, Whirlpool-Hersteller zu sein. In Wirklichkeit war er aber nur Händler. Als die Antragtellerstellerin bemerkte, dass die Antragsgegnerin weiterhin behauptete, „auf die Herstellung und den Vertrieb von hochwertigen Whirlpools spezialisiert“ zu sein, beantragte sie ein Ordnungsgeld. Bis hierher nichts Ungewöhnliches.

Zweifel an Kerngleichheit begründen Klarstellungsbedürfnis

Der Gegner verteidigte sich im Ordnungsmittelverfahren allerdings vor allem mit dem Argument, dass das aktuelle Verhalten von ganz anderer Qualität (nicht kerngleich) sei und daher kein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung darstelle und er deswegen kein Ordnungsgeld verwirkt habe.

Die Antragstellerin konnte somit schon aus diesem Grund nicht sicher sein, mit dem Ordnungsmittel zu ihrem Rechtsschutzziel zu gelangen. Das aktuelle Verhalten hätte vom Vollstreckungsgericht als nicht mehr vom ersten Titel erfassten (nicht kerngleichen) Verhalten beurteilt werden können. Andererseits war auch nicht sichergestellt, dass sie mit einem weiteren Erkenntnisverfahren erfolgreich sein würde. Das anzurufende Erkenntnisgericht hätte in der Handlung nämlich wiederum einen kerngleichen Verstoß sehen und den Antrag daher mangels Rechtsschutzbedürfnis abweisen können.

Dieses „Dilemma“ hat das Oberlandesgericht erkannt und ein Rechtsschutzbedürfnis für eine weitere einstweilige Verfügung bereits deswegen angenommen, da der Ausgang des eingeleiteten Ordnungsmittelverfahrens ungewiss sei und die Verjährung der auf Grund des Verstoßes geltend zu machenden Ansprüche drohe.

Dringlichkeitsfrist beginnt mit Zweifeln

Auch die Dringlichkeitsvermutung sei nicht widerlegt. Während das Landgericht noch angenommen hatte, dass  die Antragstellerin die Dringlichkeitsvermutung durch zu langes Zuwarten selbst widerlegt habe, folgte das Oberlandesgericht Köln der Antragstellerin in ihrer Auffassung, dass für die Beurteilung der Dringlichkeitsfrist nicht auf die erstmalige Kenntnis des Verstoßes als solchem abgestellt werden muss, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die Antragsgegnerin im Rahmen des Ordnungsmittelverfahrens zum ersten Mal einen kerngleichen Verstoß in Zweifel zog. Erst dann habe sie die Stellung eines neuen Antrags auf einstweilige Verfügung in Erwägung ziehen müssen. Bis dahin konnte sie davon ausgehen, mit der Stellung des Ordnungsmittelantrags alles Erforderliche und insbesondere auch Erfolgsversprechende getan zu haben, auch den neuen Verstoß abzustellen. Jedenfalls könne aus der Gesamtschau des Verhaltens der Antragstellerin nicht geschlossen werden, dass es ihr mit der zeitnahen Unterbindung des gerügten Verhaltens nicht eilig gewesen wäre.

Das Oberlandesgericht Köln hat daher die beantragte einstweilige Verfügung  erlassen (OLG Köln, Beschluss v. 5.4.2018, Az. 6 W 32/18). Damit wird dem Händler verboten, zu behaupten, er sei auf die Herstellung und den Vertrieb von hochwertigen Whirlpools spezialisiert. Im Falle der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft.

Die Entscheidung ist im Wege einer Beschlussverfügung ergangen. Eine endgültige Entscheidung bleibt einem Hauptsachverfahren vorbehalten. Es sei denn, der Händler würde die Verfügung als endgültige Regelung anerkennen.

Praxistipp:

Die oft,  insbesondere bei unerfahrenen Kollegen zu beobachtende Unsitte, sowohl im Erkenntnis- als auch im Vollstreckungsverfahren vorsichtshalber einfach alles – und am besten noch mit „Nichtwissen“ – zu bestreiten, ist nicht nur bestenfalls sinnlos, sondern kann im schlimmsten Falle zu weiteren rechtlichen Schritten des Gegners und damit zu weiterem Aufwand und weiteren Kosten führen.

Da in wettbewerbsrechtlichen Verfahren der Sachverhalt oft feststeht und daran auch nicht zu rütteln ist, ist die Versuchung insbesondere im Ordnungsmittelverfahren groß, den Streit von der tatsächlichen Ebene weg hin zu der rechtlichen Frage zu verlagern, ob das streitgegenständliche Verhalten vom Tenor erfasst ist oder nicht. Diese naheliegende, weil häufig einzig erfolgversprechende Rechtsverteidigung  ist jedoch häufig kontraproduktiv. Es ist oft klüger, den Verstoß gegen eine Unterlassungsverfügung unstreitig zu stellen und lediglich bei der Frage der Höhe des Ordnungsgelds zu versuchen, das Gericht insoweit milde zu stimmen.

Wie der vorliegende Fall zeigt, kann eine absolute „Konfliktverteidigung“ schnell nach hinten losgehen. Im vorliegenden Fall muss die Antragsgegnerin und Schuldnerin jedenfalls die Kosten des zusätzlichen einstweiligen Verfügungsverfahrens tragen, selbst wenn sich nachher herausstellen sollte, dass das aktuelle Verhalten trotz anfänglicher Zweifel doch in den Kernbereich des ersten Verbots fällt.

Offenlegung: Unsere Kanzlei hat die Antragstellerin vertreten.

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