
Die Betroffenheit war erheblich:
- 2.411 abgeschlossene Abonnements im Zeitraum Juli bis Oktober 2025
- 39.914 € Umsatz im gleichen Zeitraum
- 30.041,86 € Guthaben, das nicht ausgezahlt werden konnte
Zugleich konnten weder In-App-Käufe noch Aboverlängerungen verarbeitet werden. Die Monetarisierung der App brach praktisch vollständig weg.
Eigenversuche des Anbieters: Dokumentenuploads, Fehlermeldungen, Support-Pingpong
Unmittelbar nach der Sperrung lud der Betreiber sämtliche geforderten Identitätsunterlagen über das System hoch. Trotz vollständig leserlicher Dokumente wurden diese wiederholt mit automatisierten Hinweisen als angeblich „unleserlich“ zurückgewiesen.
Teilweise war ein erneuter Upload gar nicht mehr möglich, weil die Oberfläche schlicht keine weitere Übermittlung zuließ.
Supportanfragen führten ausschließlich zu Standardantworten oder Verweisen auf ständig wechselnde interne Teams:
- allgemeiner Verifizierungssupport,
- App-Store-/Developer-Support,
- Payments-Support,
- Billing- und Collections-Teams.
Keines dieser Teams nahm eine inhaltliche Prüfung vor. Eine konkrete, nachvollziehbare Begründung für die Sperrung erhielt der Anbieter nicht.
Mandatierung von LHR: Rechtliche Intervention mit klarer Linie
Nach mehreren erfolglosen Versuchen, das Problem selbst zu lösen, beauftragte der App-Anbieter unsere Kanzlei. Auf Grundlage der Supporthistorie und der internen Unterlagen entwarfen wir ein umfassendes Aufforderungsschreiben an den Plattformbetreiber, das am 30. Oktober 2025 an die Rechtsabteilung versandt wurde.
Darin machten wir insbesondere folgende Rechtsverstöße geltend:
1. Fehlende Begründung im Sinne der P2B-Verordnung
Die Verordnung (EU) 2019/1150 (P2B-VO) verpflichtet Plattformbetreiber, bei der Sperrung gewerblicher Nutzerkonten konkrete, nachvollziehbare Gründe zu nennen und Beschwerden sorgfältig und individuell zu prüfen. Im vorliegenden Fall war weder eine tragfähige Begründung erfolgt noch ein erkennbar funktionierendes Beschwerdemanagementsystem vorhanden.
2. Verstoß gegen Transparenzpflichten aus dem Digital Services Act (DSA)
Der Digital Services Act verlangt in Art. 17 und Art. 20, dass Plattformen
- klare und spezifische Gründe für Beschränkungen benennen,
- ein wirksames internes Beschwerdesystem vorhalten und
- Nutzer individuell über das Ergebnis von Prüfungen informieren.
Weder die Struktur der Antworten noch die tatsächliche Bearbeitung erfüllten diese Anforderungen. Statt einer individuellen Prüfung erhielt der Anbieter ausschließlich standardisierte Hinweise und Zuständigkeitsverweise.
3. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nach §§ 19, 20 GWB
Der Plattformbetreiber nimmt im relevanten Markt eine erhebliche Machtstellung ein. Eine Sperrung ohne nachvollziehbare Begründung, ohne effektive Anhörung und ohne klare Möglichkeit zur Nachreichung von Unterlagen stellt eine unbillige Behinderung im Sinne der §§ 19, 20 GWB dar.
Für den Anbieter wurde der Zugang zum Markt faktisch blockiert: Weder neue Abonnements noch Verlängerungen konnten über den App-Store abgewickelt werden, während gleichzeitig ein Guthaben im fünfstelligen Bereich eingefroren blieb.
4. Wirtschaftliche Relevanz der Sperrung
Bei einem eingefrorenen Betrag von 30.041,86 € und einem laufenden Abo-Modell mit insgesamt 2.411 Abonnements in wenigen Monaten ist eine solche Sperrung nicht nur ärgerlich, sondern unmittelbar existenzgefährdend. Ein weiteres Zuwarten war dem Anbieter wirtschaftlich nicht zumutbar.
Wir setzten daher eine kurze Frist zur sofortigen Freischaltung und kündigten ausdrücklich die Prüfung gerichtlicher Schritte – einschließlich eines einstweiligen Verfügungsverfahrens – an.
Zweite Eskalationsstufe und Freischaltung
Nach Zugang des Aufforderungsschreibens reagierte die Rechtsabteilung, leitete den Vorgang intern weiter und kündigte eine erneute Prüfung an. In diesem Zusammenhang wurde ein weiteres Verifizierungsdokument angefordert, das der Anbieter Mitte November 2025 übermittelte.
Da die Sperrung dennoch zunächst bestehen blieb, hakten wir erneut nach und wiesen auf die Dringlichkeit und die bereits eingetretenen Umsatzausfälle hin.
Kurze Zeit später erreichte uns dann die entscheidende Nachricht: Das Konto wurde wieder freigeschaltet, das Guthaben freigegeben und die Monetarisierung der App vollständig wiederhergestellt.
Der Fall zeigt exemplarisch, wie schnell Kontosperrungen bei großen Plattformen erhebliche wirtschaftliche Folgen auslösen können – und wie wichtig eine klare, rechtlich strukturierte Reaktion ist. Im Ergebnis gilt:
- P2B-VO und DSA geben gewerblichen Nutzern wirksame Instrumente gegen intransparente Sperrungen an die Hand.
- Plattformen dürfen gewerbliche Nutzerkonten nicht ohne nachvollziehbare Begründung sperren und Beschwerden nicht ins Leere laufen lassen.
- Ein eingefrorenes Guthaben im fünfstelligen Bereich und blockierte Monetarisierung sind kein hinzunehmender Dauerzustand, sondern rechtlich angreifbar.
- Ein anwaltliches Einschreiten führt häufig binnen kurzer Zeit zu einer Lösung – selbst dann, wenn der Support zuvor über Wochen keine substanzielle Antwort geliefert hat.
Wir vertreten regelmäßig App-Anbieter, Plattformhändler und digitale Unternehmen bei Kontosperrungen und Sperren von Zahlungsprofilen und setzen ihre Ansprüche gegenüber großen Plattformbetreibern außergerichtlich und gerichtlich durch.
