
Während einige Beiträge fälschlicherweise suggerieren, es handele sich um einen Paradigmenwechsel oder eine neue Erleichterung für Newsletter-Versender, zeigt ein Blick in die Entscheidung: Rechtlich ist wenig wirklich neu.
Das eigentliche Kernergebnis
Der EuGH stellt klar, dass die Regelung zur Bestandskundenwerbung aus Art. 13 der ePrivacy-Richtlinie und § 7 Abs. 3 UWG eine lex specialis gegenüber der DSGVO bildet. Das bedeutet: Wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG erfüllt sind, bedarf es keiner datenschutzrechtlichen Einwilligung nach DSGVO. Genau so wurde die Vorschrift in Deutschland schon immer verstanden und gelebt.
Die Voraussetzungen bleiben unverändert:
- Die E-Mail-Adresse wurde im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung erhoben.
- Die Werbung betrifft eigene, ähnliche Produkte.
- Der Kunde wird bei Erhebung der Adresse auf sein Widerspruchsrecht hingewiesen.
- Er hat der Nutzung nicht widersprochen.
Die Entscheidung bestätigt also im Kern das deutsche Verständnis der letzten Jahre. Für die Praxis ändert sich hier – jedenfalls bezogen auf die Einwilligung – kaum etwas.
Das tatsächlich Neue: Was bedeutet „Verkauf“?
Bemerkenswert – und in der Sache tatsächlich neu – ist allein das weite Begriffsverständnis des EuGH zum „Verkauf“. Die Luxemburger Richter folgen dem Schlussantrag des Generalanwalts und legen den Begriff überraschend großzügig aus.
Nach Auffassung des EuGH setzt ein „Verkauf“ nicht zwingend voraus, dass Geld den Besitzer wechselt oder echte Entgeltlichkeit vorliegt. Es genügt bereits, dass der Verbraucher ein Konto anlegt, wie im zugrunde liegenden Fall geschehen. Dieser funktionale Ansatz rückt stärker auf den tatsächlichen Austausch ab:
Wer ein Konto einrichtet, erwirbt nach Ansicht des EuGH „etwas“ – nämlich die Nutzungsmöglichkeit eines Dienstes.
Damit wird der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 3 UWG tendenziell erweitert. Unternehmen können künftig häufiger argumentieren, die Voraussetzungen der Bestandskundenwerbung seien erfüllt.
Missverständliche Medienberichte
Einige Berichte suggerieren, der Newsletter-Versand sei nun erstmals ohne Einwilligung möglich. Das ist falsch. Genau diese Möglichkeit bestand in Deutschland schon immer – allerdings ausschließlich unter den strengen Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 UWG.
Die Entscheidung ändert daran nichts. Sie bestätigt nur, dass diese spezialgesetzliche Regelung im Verhältnis zur DSGVO weiterhin Vorrang hat. Eine „Lockerung“ des Werberechts oder eine „Revolution“ findet also nicht statt.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Unternehmen sollten sich nicht von überzogenen Schlagzeilen täuschen lassen. Für die Praxis gilt:
- Wer bislang rechtssicher nach § 7 Abs. 3 UWG geworben hat, kann dies weiterhin tun.
- Eine DSGVO-Einwilligung ist – und war – hierfür nicht erforderlich.
- Neu ist lediglich die Bestätigung, dass der Begriff des „Verkaufs“ weit auszulegen ist.
- Die strengen Voraussetzungen des UWG bleiben bestehen.
Die Entscheidung schafft damit mehr Klarheit, aber keinen nennenswerten Wandel. Für seriöse Marktteilnehmer, die Bestandskundenwerbung ohnehin korrekt umsetzen, bleibt rechtlich fast alles beim Alten.
Fazit
Der EuGH stärkt die Bestandskundenwerbung, indem er das Verhältnis von ePrivacy-Richtlinie und DSGVO eindeutig klärt und den Anwendungsbereich des „Verkaufs“ erweitert. Wirklich neu ist das aber nur in Details. Die Grundmechanik des § 7 Abs. 3 UWG bleibt unverändert.
Für Unternehmen bedeutet das: weniger Unsicherheit, aber keine Einladung zu unkontrolliertem Newsletter-Versand. Die bekannten Voraussetzungen müssen weiterhin genau eingehalten werden.