BGH: Für ZPO-Ordnungsmittel gilt außerstrafrechtliches Doppelahndungsverbot

Wenn ein Gericht Ordnungsmittel festsetzt, darf es eine Person nicht doppelt heranziehen. Dafür gilt jedoch nicht der aus dem Strafrecht bekannte Grundsatz Ne bis in idem, sondern das außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot. Das hat der Bundesgerichtshof beschlossen (BGH, Beschluss v. 21.04.2022, Az. I ZB 56/21).

Für die Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 890 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gelte nicht das allein auf Kriminalstrafgesetze anwendbare Doppelbestrafungsverbot aus Art. 103 Abs. 3 GG, sondern das aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG folgende außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot.

Nach § 890 Abs. 1 ZPO ist ein Schuldner, der einer Verpflichtung zuwiderhandelt, eine Handlung zu unterlassen oder zu dulden, auf Antrag des Gläubigers für jede einzelne Zuwiderhandlung zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft zu verurteilen. Das Ordnungsgeld kann bis 250.000 Euro reichen, die Ordnungshaft bis zu zwei Jahren.

Keine Bestrafung aufgrund von Strafgesetzen

Da ein Ordnungsmittel „strafähnliche Wirkung“ habe, müsse die Verhängung eines Ordnungsmittels grundlegenden strafrechtlichen Prinzipien genügen, führt der BGH in seinem Beschluss aus. Dazu zählten das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Eine direkte Anwendung des Doppelbestrafungsverbots in Art. 103 Abs. 3 GG komme nicht in Betracht, weil es bei der Verhängung von Ordnungsmitteln nicht um die Bestrafung derselben Tat aufgrund der der „allgemeinen Strafgesetze“, das heißt der Kriminalstrafgesetze, gehe.

Ordnungsmittel sind Zwangsmittel zur Durchsetzung von Ansprüchen

Ordnungsmitteln unterschieden sich von einer strafrechtlichen Pönalisierung dadurch, dass sie eben auch Zwangsmittel seien und zur Sicherung der Durchsetzung des titulierten Anspruchs wiederholt vorgenommen werden könnten. Bei ihrer Festsetzung komme es für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot vorliegt, darauf an, ob die wiederholte Festsetzung eines Ordnungsmittels als evident ungerecht anzusehen sei.

Anlass, Ziel und Zweck entscheidend

Das außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot sei verletzt, wenn die Gegenstände der früheren und späteren Festsetzung von Ordnungsmitteln nach Anlass, Ziel und Zweck in allen Einzelheiten identisch sind.

Der BGH beschloss auch, dass es keinen Verstoß gegen das außerstrafrechtliche Doppelahndungsverbot darstellt, wenn ein Schuldner gegen eine einstweilige Verfügung verstößt, der Schuldner auch nach Zustellung eines gleichlautenden, in der Hauptsache ergangenen Unterlassungstitels nicht tätig wurde und gegen den Schuldner zweifach Ordnungsmittel verhängt werden wegen des vor Vollstreckbarkeit des Hauptsachetitels begangenen Verstoßes und eines nachfolgenden Verstoßes gegen denselben Hauptsachetitel.

Ein international tätiges Unternehmen für Kosmetikprodukte hatte eine einstweilige Verfügung gegen ein Konkurrenzunternehmen erwirkt. Diese untersagte dem Unternehmen, im geschäftlichen Verkehr auf dem Verpackungsetikett des Antitranspirants „S. N. …“ mit der Aussage „48h“ zu werben.

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