FOCUS wegen Titelbild abgemahnt – Wem gehört die Denkerpose von Altkanzler Helmut Kohl?

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Obst kann nach wie vor bedenkenlos fotografiert werdenWie sueddeutsche.de berichtet, hat „Kanzlerfotograf“ Konrad Rufus Müller den „Focus“ am 26.01.2011 abgemahnt. Er wirft dem Magazin vor, das Kohl-Motiv auf einem Cover unzulässigerweise von ihm übernommen zu haben.

Die den Fotograf vertretenden Kollegen Burkert, Basler & Hempel haben ihrer Abmahnung die folgende vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt, die das angeblich plagiierte Motiv, die Kanzlerdenkerpose,  wie folgt umschreibt:

„(…) mit dunkler Krawatte, weißem Hemd, den Daumen unter das Kinn und den Ringfinger der linken Hand an die Lippen gelegt, den kleinen Finger am Ringfinger angelegt, vom Betrachter aus gesehen rechts an diesem vorbeiblickend.“ Dazu noch das Licht von links, das die rechte Gesichtshälfte „etwas dunkler“ macht.“

Bei dem direkten Vergleich der beiden Motive ist eine starke Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen.

Die Anwälte des „Kanzlerfotografen“  fordern, dass der Verlag das Bild aus der vergangenen Woche („Kohls Sohn bricht sein Schweigen“) nicht mehr verbreitet. Zudem fordern sie 20.000,00 € Lizenzschadensersatz. Sie berufen  sich auf eine Entscheidung des LG München I, welches ein Bild von Charles Thatcher, der einen Unterarm mit aufgekrempeltem Hemd und geballter Faust fotografiert hatte, als urheberrechtlich geschütztes Lichtbildwerk, § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, ansah (LG München I, Urteil v. 01.04.1999, Az. 7 O 18188/97). Der Fotograf hingegen wendet ein, das Foto sei ein Schnappschuss, der während einer Reise entstanden sei. Es sei nichts nachgeahmt oder übernommen worden: „Kohl saß nun einmal so da.“

Was zunächst bizarr anmutet, birgt tatsächlich einige interessante juristische Überlegungen. Vorab: Abwegig ist die Forderung mit Nichten. Vor allem kommt es nicht darauf an, ob der Schnappschuss etwa mit böser Absicht nachgeahmt oder die Pose bewusst bei Müller „geklaut“ worden ist. Denn ein Unterlassungsanspruch gem. § 97 UrhG bestünde verschuldensunabhängig. Auch der Lizenzschadensersatz kann sich aus einem ebenfalls kein Verschulden voraussetzenden Anspruch gem. § 812 BGB ergeben. Es reicht, wenn das durchaus bekannte Foto irgendwie als Anregung gedient hat.

Nur wenn eine so genannte Doppelschöpfung vorläge, also wenn das neue Motiv gänzlich ohne Kenntnis des älteren geschaffen worden wäre, schiede eine Urheberrechtsvereltzung aus. Derjenige, der sich auf die Doppelschöpfung beruft, hat allerdings den Anscheinsbeweis gegen sich, dass er zu dem Werk durch das ältere inspiriert worden ist, d. h. tatsächlich keine Doppelschöpfung vorliegt. Für den Urheber des jüngeren Werkes ist es schwierig, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Ob ihm das ältere Werk bspw. aufgrund einer Abbildung vor der Erzeugung des Werkes bekannt war oder nicht, ist vielfach nicht nachweisbar.

Wenn das neue Werk eine Vervielfältigung bzw. eine Verbreitung des ursprünglichen darstellt, ist diese zu unterlassen und begründet Entschädigungsansprüche. Anders als bei einem bloßen Lichtbild nach § 72 UrhG, nach dem sogar die einfachsten Knipsbilder vor der unmittelbaren Übernahme geschützt sind, macht der Fotograf vorliegend Rechte an einem Lichtbildwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG geltend, das eine persönliche geistige Schöpfung darstellt. Das hat zur Folge, dass nicht nur die Übernahme des konkreten vom Künstler geschossenen Fotos eine Rechtsverletzung darstellt, sondern auch die Herstellung eines eigenen Lichtbilds, das dem vorangegangenen wesentlich ähnlich ist.

Der Urheber besitzt nämlich nicht nur Schutz für das unveränderte Werk, sondern kann auch über eine Veröffentlichung und Verwertung seines Werkes in abgewandelter Form bestimmen. Die Werkherrschaft endet aber dort, wo sich eine Umgestaltung von dem ursprünglichen Werk derart weit entfernt, dass das UrhG sie als freie Benutzung einstuft. Der Urheber muss es nach § 24 hinnehmen, dass sein Werk anderen Urhebern als Anregung dient, wenn der Abstand des in der Benutzung geschaffenen Werkes groß genug ist.  Nicht jede Form der Anlehnung eines neuen Werkes an ein geschütztes älteres Werk greift in die Urheberrechte an diesem ein.

Genau an dieser Stelle liegt das entscheidende Problem. Sollte ein Gericht über den Fall zu entscheiden haben, wird es prüfen müssen, ob  dem Lichtbild Werkeigenschaft zukommt und wenn ja, wie weit dessen urheberrechtlicher Schutzbereich reicht. Im Anschluss daran kommt es darauf an, ob die zweite Fotografie in diesen Schutzbereich eingreift.

Den Verfechtern der Meinungs- und Pressefreiheit sei an dieser Stelle versichert: Der Altkanzler darf weiterhin (sein Einverständnis bzw. sonstige Zulässigkeit vorausgesetzt) von jedem fotografiert werden. Nur nicht so, dass das Ergebnis inklusive Beleuchtung, Pose und Aufnahmewinkel einem älteren Lichtbildwerk (zum Verwechseln) ähnlich ist. (la)

(Bild: © Ahmad Affzan – Fotolia.com)

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Wie sueddeutsche.de berichtet, hat „Kanzlerfotograf“ Konrad Rufus Müller den „Focus“ am 26.01.2011 abgemahnt. Er wirft dem Magazin vor, das Kohl-Motiv auf einem Cover unzulässigerweise von ihm übernommen zu haben.

Die den Fotograf vertretenden Kollegen Burkert, Basler & Hempel haben ihrer Abmahnung die folgende vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt, die das angeblich plagiierte Motiv, die Kanzlerdenkerpose,  wie folgt umschreibt:

„(…) mit dunkler Krawatte, weißem Hemd, den Daumen unter das Kinn und den Ringfinger der linken Hand an die Lippen gelegt, den kleinen Finger am Ringfinger angelegt, vom Betrachter aus gesehen rechts an diesem vorbeiblickend.“ Dazu noch das Licht von links, das die rechte Gesichtshälfte „etwas dunkler“ macht.“

Bei dem direkten Vergleich der beiden Motive ist eine starke Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen.

Die Anwälte des „Kanzlerfotografen“  fordern, dass der Verlag das Bild aus der vergangenen Woche („Kohls Sohn bricht sein Schweigen“) nicht mehr verbreitet. Zudem fordern sie 20.000,00 € Lizenzschadensersatz. Sie berufen  sich auf eine Entscheidung des LG München I, welches ein Bild von Charles Thatcher, der einen Unterarm mit aufgekrempeltem Hemd und geballter Faust fotografiert hatte, als urheberrechtlich geschütztes Lichtbildwerk, § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG, ansah (LG München I, Urteil v. 01.04.1999, Az. 7 O 18188/97). Der Fotograf hingegen wendet ein, das Foto sei ein Schnappschuss, der während einer Reise entstanden sei. Es sei nichts nachgeahmt oder übernommen worden: „Kohl saß nun einmal so da.“

Was zunächst bizarr anmutet, birgt tatsächlich einige interessante juristische Überlegungen. Vorab: Abwegig ist die Forderung mit Nichten. Vor allem kommt es nicht darauf an, ob der Schnappschuss etwa mit böser Absicht nachgeahmt oder die Pose bewusst bei Müller „geklaut“ worden ist. Denn ein Unterlassungsanspruch gem. § 97 UrhG bestünde verschuldensunabhängig. Auch der Lizenzschadensersatz kann sich aus einem ebenfalls kein Verschulden voraussetzenden Anspruch gem. § 812 BGB ergeben. Es reicht, wenn das durchaus bekannte Foto irgendwie als Anregung gedient hat.

Nur wenn eine so genannte Doppelschöpfung vorläge, also wenn das neue Motiv gänzlich ohne Kenntnis des älteren geschaffen worden wäre, schiede eine Urheberrechtsvereltzung aus. Derjenige, der sich auf die Doppelschöpfung beruft, hat allerdings den Anscheinsbeweis gegen sich, dass er zu dem Werk durch das ältere inspiriert worden ist, d. h. tatsächlich keine Doppelschöpfung vorliegt. Für den Urheber des jüngeren Werkes ist es schwierig, den Anscheinsbeweis zu entkräften. Ob ihm das ältere Werk bspw. aufgrund einer Abbildung vor der Erzeugung des Werkes bekannt war oder nicht, ist vielfach nicht nachweisbar.

Wenn das neue Werk eine Vervielfältigung bzw. eine Verbreitung des ursprünglichen darstellt, ist diese zu unterlassen und begründet Entschädigungsansprüche. Anders als bei einem bloßen Lichtbild nach § 72 UrhG, nach dem sogar die einfachsten Knipsbilder vor der unmittelbaren Übernahme geschützt sind, macht der Fotograf vorliegend Rechte an einem Lichtbildwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG geltend, das eine persönliche geistige Schöpfung darstellt. Das hat zur Folge, dass nicht nur die Übernahme des konkreten vom Künstler geschossenen Fotos eine Rechtsverletzung darstellt, sondern auch die Herstellung eines eigenen Lichtbilds, das dem vorangegangenen wesentlich ähnlich ist.

Der Urheber besitzt nämlich nicht nur Schutz für das unveränderte Werk, sondern kann auch über eine Veröffentlichung und Verwertung seines Werkes in abgewandelter Form bestimmen. Die Werkherrschaft endet aber dort, wo sich eine Umgestaltung von dem ursprünglichen Werk derart weit entfernt, dass das UrhG sie als freie Benutzung einstuft. Der Urheber muss es nach § 24 hinnehmen, dass sein Werk anderen Urhebern als Anregung dient, wenn der Abstand des in der Benutzung geschaffenen Werkes groß genug ist.  Nicht jede Form der Anlehnung eines neuen Werkes an ein geschütztes älteres Werk greift in die Urheberrechte an diesem ein.

Genau an dieser Stelle liegt das entscheidende Problem. Sollte ein Gericht über den Fall zu entscheiden haben, wird es prüfen müssen, ob  dem Lichtbild Werkeigenschaft zukommt und wenn ja, wie weit dessen urheberrechtlicher Schutzbereich reicht. Im Anschluss daran kommt es darauf an, ob die zweite Fotografie in diesen Schutzbereich eingreift.

Den Verfechtern der Meinungs- und Pressefreiheit sei an dieser Stelle versichert: Der Altkanzler darf weiterhin (sein Einverständnis bzw. sonstige Zulässigkeit vorausgesetzt) von jedem fotografiert werden. Nur nicht so, dass das Ergebnis inklusive Beleuchtung, Pose und Aufnahmewinkel einem älteren Lichtbildwerk (zum Verwechseln) ähnlich ist. (la)

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