Microsoft vs. Motorola – Der amerikanische Torpedo

Der italienische Torpedo hat nun einen minimal-invasiven Cousin, den amerikanischen Torpedo.

Der italienische Torpedo?

Als italienischen Torpedo bezeichnet man die Erhebung einer negativen Feststellungsklage vor einem italienischen Gericht, häufig als Reaktion auf eine erhaltene Abmahnung wegen Verletzung von Schutzrechten.

Da nach Art. 27 EuGVVO das italienische Gericht damit im Rahmen seiner Zuständigkeit ausschließlich zu Lasten anderer europäischer Gerichte zuständig wird, ist dem Rechteinhaber damit die Möglichkeit genommen, in einem Land mit, im Vergleich zu Italien, kurzen Verfahrensdauern das Verfahren zu betreiben.

Noch bis vor kurzem war es daher gängige Praxis, vor einem englischen Gericht eine sogenannte anti-suit injunction zu erhalten, die es dem Abgemahnten untersagte, seinen italienischen Torpedo abzuschießen, genauer, die es dem Abgemahnten untersagte, ein Verfahren in der Rechtssache vor einem anderen Gericht zu beginnen oder fortzusetzen. Da diese anti-suit injunctions mit der EuGVVO nicht vereinbar sind, gibt es diese Möglichkeit heutzutage nicht mehr (EuGH, Urt. v. 27.4.2004 , C-159/02; EuGH, Urt. v. 10.2.2009, Rs. C-185/07)

Inhalt der amerikanischen Entscheidung

Ein wenig anders stellt sich die Lage im Rechtsstreit zwischen Microsoft und Motorola dar. Zunächst einmal der Inhalt der Entscheidung.

Der amerikanische District Court for the Western District of Washington hat letzte Woche im Rahmen eines Patentstreites zwischen Microsoft und Motorola eine einstweilige Anordnung erlassen, welche Motorola davon abhält, ein gegebenenfalls ergehendes Urteil aus einem derzeit laufenden Verfahren zwischen den selben Parteien vor dem Landgericht Mannheim zu vollstrecken.

Der Streit Microsoft v Motorola

Microsoft hatte Motorola vor dem amerikanischen Gericht verklagt, da es entgegen einer eingegangen Verpflichtung Microsoft bestimmte Patente nicht zu einem angemessenen Preis lizensiert habe. Es handelt sich bei den etwa 50 streitgegenständlichen Patenten um Patente, welche sich auf den H. 264-Videostandard, welcher etwa in HD-Fernsehen, Blu-Rays oder iTunes-Videos genutzt wird, beziehen.

Nach Beginn des amerikanischen Verfahrens hat Motorola wiederum Microsoft vor dem LG Mannheim wegen Verletzung von gerade einmal zwei der 50 Patenten auf Unterlassung des Vertriebs von Windows 7, Internet Explorer, Windows Media Player und der Xbox 360 verklagt.

Drohende Vollstreckung der deutschen Unterlassungsklage

Da eine Unterlassungsklage in Deutschland leichter und gegebenenfalls auch schneller zu erreichen ist, als in den USA, stand zu befürchten, dass Microsoft in Deutschland auf Unterlassung wegen Patentverletzung in Anspruch genommen würde, ehe in den USA über das Recht zur Lizenzierung entschieden worden wäre. Während in Deutschland in der Unterlassungsklage nur geprüft worden wäre, ob Motorolas Lizenzangebot an Microsoft derart überhöht war, dass es rechtsmissbräuchlich war, wird in den USA überprüft, ob Microsoft ein Recht auf Lizenzierung zu fairen, angemessenen und nicht-diskriminierenden Bedingungen hat, da Motorolas Lizenzen Teil eines Industrie-Standards sind.

Im Normalfall wäre das vorläufige Risiko für Microsoft im Falle einer in der ersten Instanz erfolgreichen Unterlassungsklage nicht allzu hoch, da nach § 709 ZPO Motorola nur gegen Sicherheitsleistung vollstrecken dürfte, bis das Urteil durch Ablauf der Berufungsfrist oder aber Entscheidung über die Berufung und ggf. Revision rechtskräftig geworden wäre. Motorola, welches nun auch Google im Rücken hat, hat aber bereits zu erkennen gegeben, dass es durchaus gewillt ist, auch substantielle Beträge als Sicherheitsleistung zu zahlen, um einen Unterlassungsanspruch zu vollstrecken. So hatte Motorola bereits zur vorläufigen Vollstreckbarkeit einer Unterlassungsklage gegen Apple Sicherheitsleistung von um die 100 Millionen Euro geleistet, mit der Folge, dass Apple bestimmte Leistungen in Deutschland nicht mehr anbieten darf. Microsoft musste den Ausgang des deutschen Verfahrens also durchaus fürchten.

Der rechtliche Rahmen des amerikanischen Torpedos

In dieser Situation hatte Microsoft im laufenden amerikanischen Verfahren beantragt, dass Motorola untersagt werde, dass es aus dem deutschen Urteil vollstrecke. Der Antrag richtete sich nicht gegen die weitere Betreibung des deutschen Verfahrens durch Motorola, sondern lediglich gegen die Vollstreckung des Urteils.

Das Gericht urteilte, dass eine vorläufige Anordnung der Nichtvollstreckbar jedenfalls Folgendes voraussetze:

Darüber hinaus urteilte das Gericht, dass unklar sei, ob darüber hinaus auch noch die allgemeinen Voraussetzungen für eine vorläufige Anordnung gegeben sein müssen:

Das Gericht entschied, dass in einem Sachverhalt wie dem geschilderten alle Bedingungen erfüllt sind. Insbesondere entschied es, dass es, da es über die Lizenzierung aller 50 Patente entscheide, durch seine Entscheidung der deutsche Rechtsstreit vollkommen erledigt werde.

Fazit

Anders als im Falle des italienischen Torpedos ist hier nicht schnell ein Verfahren vor einem relativ langsam arbeitenden Gericht angestrengt worden, um das schnelle Gericht an der Arbeit zu hindern. Vielmehr begann der Rechtsstreit vor dem etwas langsameren amerikanischen Gericht, und Motorola hat schnell zwischendurch noch einen Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht begonnen, um der amerikanischen Entscheidung zuvorzukommen.

Ein weiterer Unterschied besteht auch darin, dass hier die antisuit injunction nicht genutzt wurde, um ein Verfahren vor dem langsameren Gericht zu unterbinden, sondern gerade um diese zu sichern.

Der wesentliche Unterschied besteht aber wohl darin, dass die Anrufung des langsameren Gerichts durch Microsoft gerade nicht rechtsmissbräuchlich war, sondern die Absicht hatte, die Nutzungsrechte an allen 50 Patenten umfassend zu klären.

Am Schluss ist noch festzuhalten, dass die amerikanische einstweilige Anordnung die Vollstreckbarkeit des deutschen Urteils nicht berührt. Motorola steht es immer noch frei, das gegebenenfalls ergehende Urteil (Verkündungstermin ist Anfang Mai) in Deutschland vollstrecken zu lassen. Da es damit aber gegen die amerikanische Anordnung verstoßen hätte, wäre es im Gegenzug Vollstreckungsmaßnahmen, also voraussichtlich erheblichen Geldstrafen, in den USA ausgesetzt. (JJB)

(Bild: © Linda J – Fotolia.com)

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