LG Köln: Solarunternehmen missachtet Gefahrgutrecht – wenn „grüne Werte“ nur Fassade sind

Mit Beschluss vom 16.09.2025 hat die 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln einem Solarunternehmen untersagt, Lithium-Ionen-Batterien ohne die vorgeschriebene Gefahrgutkennzeichnung zu versenden (LG Köln, Beschluss v. 16.9.2025, Az. 33 O 300/25, hier als PDF abrufbar).
Andernfalls drohen Ordnungsgelder bis zu 250.000 € oder Ordnungshaft.

Der konkrete Fall: Hochleistungsakku ohne Gefahrgutkennzeichnung

Im August 2025 bestellte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin einen Lithium-Eisenphosphat-Akku mit einer Kapazität von 1.600 Wh und einem Gewicht von rund 20 kg. Geliefert wurde am 16.08.2025 über einen Versanddienstleister, dessen AGB den Transport von Gefahrgut ausdrücklich ausschließen. Das Unternehmen versandte die Batterie jedoch ohne jede Gefahrgutkennzeichnung.

Damit verschwieg die Antragsgegnerin eine wesentliche Tatsache: Dass Akkus dieser Größenordnung nach dem ADR zwingend als Gefahrgut der Klasse 9 (Gefahrzettel 9A, UN 3480) zu kennzeichnen sind.

Ein solches Verschweigen ist nach § 5a Abs. 1 UWG eine Irreführung, weil es den Transporteur zu einer Entscheidung veranlasst, die er bei Kenntnis der tatsächlichen Eigenschaften nicht oder nur unter strengeren Bedingungen und zu höheren Preisen getroffen hätte.

Das wirtschaftliche Motiv: Preisvorteil durch Regelbruch

Warum riskiert ein Unternehmen, das sich nach außen mit grünen Werten und Nachhaltigkeit schmückt, einen solch klaren Rechtsbruch?

Die Antwort ist so einfach wie ernüchternd: Der Versand von Lithium-Ionen-Batterien als Gefahrgut ist teurer und aufwändiger. Er erfordert spezielle Verpackung, Schulungen, Sicherheitsvorkehrungen und regelmäßig zusätzliche Gefahrgutzuschläge. Indem die Antragsgegnerin die Pflicht zur Kennzeichnung ignorierte, konnte sie ihre Produkte deutlich günstiger und unkomplizierter verschicken.

Der wirtschaftliche Vorteil: ein erheblicher Preisvorteil im Wettbewerb – zu Lasten der Sicherheit von Transporteuren, Verbrauchern und seriösen Marktteilnehmern.

Das Paradoxon der Branche: Nachhaltigkeit als Marketing, Rechtsverstöße in der Praxis

Gerade die Solarbranche lebt von ihrem grünen Image. Unternehmen wie die Antragsgegnerin stellen sich als Akteure dar, die für Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und verantwortungsvolles Handeln stehen. Dieses Image wird gezielt im Marketing genutzt – „saubere Energie“, „klimaneutraler Fußabdruck“, „Zukunftstechnologie“. Doch wie der vorliegende Fall zeigt, bleibt von diesen Idealen im geschäftlichen Alltag oft wenig übrig.

Wer unter dem Banner der Nachhaltigkeit auftritt, gleichzeitig aber Sicherheitsvorschriften und gesetzliche Mindeststandards ignoriert, handelt nicht nur widersprüchlich, sondern untergräbt das Vertrauen in die gesamte Branche. Verbrauchern und Partnern wird eine Werteorientierung suggeriert, die sich bei näherem Hinsehen in erster Linie als Verkaufsargument erweist.

Schon in anderen Verfahren wurde deutlich, dass die Solarwirtschaft rechtlich kein „grünes Schutzgebiet“ ist:

Rechtliche Würdigung des Gerichts

Das Landgericht Köln stellte klar: Die fehlende Gefahrgutkennzeichnung stellt ein Vorenthalten einer wesentlichen Information i.S.d. § 5a UWG dar. Lithium-Ionen-Akkus dieser Größe unterfallen ohne Ausnahme den strengen Vorgaben des ADR und müssen entsprechend gekennzeichnet werden. Wer dies verschweigt, verschafft sich nicht nur einen unzulässigen Kostenvorteil, sondern setzt zugleich Dritte – insbesondere die Mitarbeiter von Transportdienstleistern – einem erheblichen Risiko aus.

Da die Antragstellerin die Verstöße durch eidesstattliche Versicherung und Belege glaubhaft machte und zuvor abgemahnt hatte, sah die Kammer die Dringlichkeit nach § 12 Abs. 1 UWG als gegeben an. Die einstweilige Verfügung wurde daher ohne mündliche Verhandlung erlassen. Gegen den Beschluss ist Widerspruch möglich.

Fazit: Green Branding verpflichtet

Der Beschluss zeigt exemplarisch, wie groß die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Solarbranche sein kann. Wer sich öffentlich mit Nachhaltigkeit und grünen Werten schmückt, muss diese Werte auch im Detail leben – und dazu gehört insbesondere die Einhaltung grundlegender Sicherheits- und Kennzeichnungspflichten.

Andernfalls entpuppt sich „Green Branding“ als bloßes Verkaufsargument, während im Hintergrund geltendes Recht ignoriert wird, um schnelle Preisvorteile am Markt zu erzielen. Damit schadet die Branche nicht nur sich selbst, sondern auch der Glaubwürdigkeit der Energiewende insgesamt.

(Offenlegung: LHR hat die Antragstellerin vertreten.)

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