Wann ist ein DSGVO-Auskunftsbegehren rechtsmissbräuchlich?

Rechtsmissbrauch DSGVO-Auskunftsanspruch

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Die Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs nach Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist rechtsmissbräuchlich, wenn damit Ziele verfolgt werden, die außerhalb des Datenschutzes liegen. Das hat das Landgericht Wuppertal entschieden (LG Wuppertal, Urteil v. 29.7.2021, Az. 4 O 409/20).

Der Kläger in dem Verfahren wandte sich gegen Prämienerhöhungen bei einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung, die er abgeschlossen hatte. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherung sahen vor, dass der Versicherer wegen steigender Kosten mit Zustimmung eines Treuhänders eine Prämienerhöhung vornehmen kann. Unter den gleichen Voraussetzungen konnte auch eine Selbstbeteiligung angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag geändert werden.

Auskunft zu Beitragsanpassungen verlangt

Weil er seine Beiträge nicht zahlte, wurde der Kläger in einen Notlagentarif umgestuft. Der Kläger verlangte dann von der Beklagten, seiner Versicherung, ihm Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, um etwaige weitere Ansprüche beziffern zu können. Diese Unterlagen lägen ihm, dem Kläger, nicht mehr vor. Der Kläger begehrte vor Gericht die Feststellung, dass Erhöhungen seines Monatsbeitrags unwirksam seien, und verlangte Beträge zurück. Zudem klagte er auf die Erteilung der verlangten Auskünfte.

Kein Auskunftsanspruch aus BGB

Das Landgericht Wuppertal entschied, dass die Auskunftsbegehren des Klägers unbegründet seien. Ein Anspruch aus § 660 BGB („Mitwirkung mehrerer“) bestehe nicht, da der Versicherungsvertrag weder ein Auftragsverhältnis noch ein Geschäftsbesorgungsvertrag darstelle.

Einwand des Rechtsmissbrauchs

Auch aus § 242 BGB stehe dem Kläger kein Auskunftsanspruch zu, da der aus Treu und Glauben hergeleitete Anspruch neben einer vertraglichen Sonderbeziehung eine unverschuldete Unkenntnis beim Anspruchssteller voraussetze. Der Kläger habe allerdings nicht vorgetragen, wie es zu dem geltend gemachten Verlust der Papiere gekommen sei. Eine unverschuldete Unkenntnis sei deshalb nicht feststellbar.

DSGVO-Auskunftsanspruch nur für Zwecke des Datenschutzes

Dem Kläger stehe ferner auch kein Auskunftsanspruch aus Artikel 15 DSGVO zu. Dem stehe nämlich der Einwand des Rechtsmissbrauchs aus § 242 BGB entgegen. Danach sei die Ausübung eines Rechts nicht erlaubt, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat. Diese beiden Aspekte lägen hier „kumulativ vor und verdichten sich zu einem treuwidrigen Verhalten“, so das Landgericht. Da der Kläger ausschließlich Leistungsansprüchen verfolge und sich sein Vorgehen darin erschöpfe, „etwaige geldwerte Ansprüche“ gegen die Versicherung zu prüfen, handle es sich um einen „vollkommen verordnungsfremden Zweck“.

Das Begehren des Klägers betreffe nicht den Datenschutz und sei deshalb „nicht schützenswert“. Nach dem Erwägungsgrund 63 DSGVO diene das Auskunftsrecht aus Artikel 15 DSGVO dem Betroffenen vielmehr dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.

Kein Auskunftsanspruch aus Versicherungsvertragsgesetz

Auch nach § 3 Versicherungsvertragsgesetz („Versicherungsschein“) stehe dem Kläger kein Auskunftsanspruch zu, urteilte das Gericht. Nach § 3 Abs. 3 VVG kann der Versicherungsnehmer eine Ersatzausfertigung des Versicherungsscheins verlangen, wenn das Original abhandengekommen ist oder vernichtet wurde. Der Kläger habe aber bereits den – vor Gericht bestrittenen – Besitzverlust nicht substantiiert dargelegt. Ungeachtet dessen wäre es rechtsmissbräuchlich, sich auf diese Norm zu stützen, da eine Auskunft danach lediglich eine unselbstständige Teilinformation, nämlich den Versicherungsschein, umfassen würde. Die mit dem Auskunftsbegehren maßgeblich herausverlangten Anschreiben und Merkblätter erhalte der Kläger über diese Vorschrift hingegen nicht. Ebenso wenig führe die Vorschrift des § 3 Abs. 4 VVG zum Anspruchsziel, weil danach nur Abschriften von eigenen Erklärungen verlangen werden können, worum es im konkreten Fall nicht gehe.

Digitale Versicherungsunterlagen keine Urkunde

Auch nach § 808 BGB („Namenspapiere mit Inhaberklausel“) habe der Versicherte keinen Auskunftsanspruch. Diese Norm gestatte nur die Einsicht in Urkunden, die hier jedoch nicht beantragt worden sei. Zudem stellten digitalisierten Unterlagen einer Versicherung mangels Verkörperung der Gedankenerklärung keine Urkunden dar.

Es existieren noch nicht allzu viele Urteile zur Ausgestaltung des noch jungen Auskunftsanspruchs nach Artikel 15 DSGVO. Deshalb sorgt das neue Urteil über den Versicherungssektor hinaus für einige Klarstellung hinsichtlich der praktischen Handhabung von Auskunftsersuchen, auch da sich das Gericht detailliert zu verwandten Auskunftsansprüchen geäußert hat.

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