Die Berechnung des Schadensersatzes für den Urheber – ein neuer Ansatz

Das LG Kassel hat sich in einer aktuellen Entscheidung (LG Kassel, Urteil v. 04.11.10, Az.: 1 O 772/10) zu der Berechnung des Schadensersatzes bei unerlaubter Lichtbildverwendung geäußert.

Zu der Berechnung des Schadensersatzes nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie wurde bereits viel geschrieben und diskutiert:

AG Köln, Urteil v. 30.04.2007, Az. 142 C 553/06

LG München I, Urteil v. 17.04.2006, Az. 21 O 12175/04

LG Düsseldorf, Urteil v. 19.03.2008 , Az. 12 O 416/06

Das Landgericht geht davon aus, dass im Rahmen der Lizenzanalogie grundsätzlich die MFM-Empfehlungen als Maßstab zur Berechnung herangezogen werden können:

„Hinsichtlich der Schadenshöhe macht die Klägerin den ihr danach dem Grunde nach zustehenden Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie geltend. Diese beruhen auf der Erwägung, dass derjenige, der ausschließliche Rechte Anderer verletzt, nicht besser dastehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 1377 [1377]). Bei dieser Art der Berechnung der Schadenshöhe ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten, wobei unerheblich ist, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlungen eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen (vgl. BGHZ 77, 16 [25 f.]; BGH, NJW 2006, 615 [616]; BGH, NJW-RR 1995, 1320 [1321]); BGH, NJW-RR 1990, 1377 [1377]). Dabei ist es Aufgabe des Gerichts, die Schadenshöhe unter Würdigung aller Umstände gemäß § 287 Abs. 1 ZPO nach freier Überzeugung zu bemessen. Nach der Rechtsprechung können die „…“ in einem solchen Fall grundsätzlich als Maßstab herangezogen werden (vgl. BGH, NJW 2006, 615 [616]; ebenso OLG Düsseldorf, OLGR 1998, 386 [388]; LG München, Urteil vom 1.12.1999, Az. 21 O 811/99, zitiert nach JURIS).“

Damit hebt sich das Landgericht Koblenz – wie in ständiger Rechtsprechung auch die Landgerichte Köln, Düsseldorf, Hamburg und München – klar von der zeitweilen aufgekommenen Tendenz einiger Gerichte ab, die Berechnungsmethoden vollständig über den Haufen zu werfen und im Rahmen einer – weder substantiiert dargelegten noch nachvollziehbaren – Schätzung auf Werte wie 40,00 Euro oder gar 25,00 Euro zu kommen.

In dem vorliegenden Fall bestand jedoch die Besonderheit, dass der Rechteinhaber lediglich zwei Jahre vor der Verletzungshandlung die Bilder für weitaus weniger an Dritte lizenziert hatte. Das Landgericht setzte daher als fiktive Lizenz den dortigen Lizenzbetrag an:

„Vorliegend besteht jedoch die Besonderheit, dass der Kläger zwei Jahre vor Beginn der Rechtsverletzungen durch die Beklagte für die umfassende Verwertung der Bilder mit der Fa. „…“ ein Honorar von 150,00 € pro Aufnahme vereinbart hat. In einem solchen Fall erscheint – weil es im Rahmen der Lizenzanalogie, wie bereits dargetan, darauf ankommt, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die Benutzungshandlungen vereinbart hätten – die Heranziehung der Beträge der „…“ nicht angebracht. Vielmehr kann, wenn man unterstellt, dass der Kläger und die Fa. „…“ vernünftige Vertragspartner waren, was die Kammer hiermit tut, die für die konkret in Rede stehenden Bilder konkret vereinbarte Vergütung zugrundegelegt werden.“

Ein zweiter Streitpunkt – und auch hier gehen die Meinungen der Gerichte auseinander – ist die Verdopplung des Schadensersatzes wegen fehlender Urhebernennung.

Das OLG Düsseldorf (Urteil v. 09.05.06, Az.: I-20 U 138/05) führte diesbezüglich aus:

Wegen dieser Unterlassung des Bildquellennachweises steht dem Kläger ein Anspruch auf eine Verdoppelung der Lizenzgebühr zu. Der Senat hat, dem Bundesgerichtshof folgend, in der bisherigen Rechtsprechung das uneingeschränkte Recht des Urhebers darauf betont, bei jeder Verwertung seines Werks auch als solcher benannt zu werden. Das Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung gehört zu den wesentlichen urheberpersönlichkeitsrechtlichen Berechtigungen, die ihren Grund in den besonderen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk haben (Urteil des Senats vom 11.11.1997– 20 U 31/97, NJW-RR 1999, 194 = MMR 1998, 147 = OLGR Düsseldorf 1998, 386 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BGH, LM § 5 UrhG Nr. 1 = GRUR 1972, 713 [714] – Im Rhythmus der Jahrhunderte; GRUR 1995, 671 [672] = NJW 1994, 2621 – Namensnennungsrecht des Architekten). Dem Lichtbildner im Sinne von § 72 UrhG ist eine gleiche Rechtsposition zuzuerkennen (Senat a.a.O.). In derartigen Fällen entspricht es der Verkehrsüblichkeit, dem Berechtigten im Fall eines unterlassenen Bildquellennachweises bei der Verwertung einen Zuschlag von 100% auf das Grundhonorar zuzubilligen (Senat a.a.O.). Ein solcher Zuschlag ist rechtlich als eine Vertragsstrafe zu bewerten, weil er nicht in erster Linie der vereinfachten Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Schadensersatzanspruchs dient, sondern die Erfüllung eines Hauptanspruchs sichern und auf den anderen Teil Druck ausüben soll, sich vertragsgerecht zu verhalten (Senat a.a.O. unter Hinweis auf BGH, NJW 1975, 1887), nämlich bei einer Verwertung von Fotografien die Bildquelle anzugeben.”

Das LG Koblenz sah vorliegend einen Zuschlag i.H.v. 100 % jedoch als nicht gerechtfertigt an, da es Voraussetzung des Schadensersatzes wegen der Verletzung des Urheberbezeichnungsrechtes nach § 13 S. 2 UrhG sei, dass der Urheber bestimmt hat, ob und ggf. wie das Werk mit seinem Namen zu Kennzeichnen ist:

„Einen Zuschlag von 100 % wegen unterlassenen Bildquellennachweises kann der Kläger nicht verlangen. Ein solcher Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verletzung des Urheberbezeichnungsrechts (§ 13 S. 2 UrhG) setzt nämlich voraus, dass der Urheber bestimmt hat, ob und ggf. wie das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen ist, wobei dem Urheber nicht nur ein Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft, sondern auch ein Recht auf Anonymität zusteht.“

Der Rechteinhaber habe hinsichtlich jedes einzelnen Bildes zu beweisen, ob und welche Bestimmung er über diese Kennzeichnung nach § 13 UrhG getroffen hat.

Diese Ansicht wird z.Zt. vom OLG Frankfurt überprüft, ob sie Bestand hat, darf bezweifelt werden:

§ 13 UrhG gewährt dem Urheber ein Ausgestaltungsrecht hinsichtlich seiner Nennung bzw. Nichtnennung. Dies bedeutet m.E. jedoch nicht automatisch, dass er seine Rechte verliert, wenn er keine ausdrückliche Vereinbarung trifft, und auch nicht, dass er für eventuelle Vereinbarungen beweispflichtig ist.

Soweit der Urheber keine ausdrückliche Bestimmung trifft, muss auf die Verkehrsgepflogenheiten zurückgegriffen werden. (Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 13 Rn. 25; Dreier/Schulze/Schulze § 13 Rn. 26 f.; Fromm/Nordemann/Hertin § 13 Rn. 9). Im Bereich der Fotografie entspricht es der Verkehrsübung, den Namen des Urhebers bei der Abbildung zu nennen. (Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 13 Rn. 25; Dreier/Schulze/Schulze § 13 Rn.27)

Der BGH (BGH, Urteil vom 16-06-1994 – I ZR 3/92 (Zweibrücken) – Namensnennungsrecht des Architekten) geht davon aus, dass die Sache umgekehrt anzugehen ist:

„Das Recht auf Anbringung der Urheberbezeichnung kann jedoch außerhalb seines unverzichtbaren Kerns durch Vertrag zwischen Urheber und Werkverwalter eingeschränkt werden“

sowie

„Bei der Prüfung der Frage, ob eine – stillschweigend erfolgte – vertragliche Einschränkung des Namensnennungsrechts aufgrund von Branchenübungen anzuerkennen ist, sind keine zu geringen Anforderungen zu stellen (vgl. RGZ 110, RGZ Band 110 Seite 393 – Innenausstattung Riviera: Fromm/Nordemann/Hertin, § 13 Rdnr. 9; Schricker/Dietz, § 13 Rdnr. 25; E. Ulmer, S. 215)“

Die Rechte des Urhebers nach § 13 UrhG bestehen demnach grundsätzlich, können jedoch eingeschränkt werden, d.h. beweispflichtig hierfür ist der Verletzer.

Einer Entscheidung des OLG Frankfurt wird mit Interesse entgegengesehen… (be)

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