LHR-Praxisfall: Abmahnung wegen angeblich unrichtiger Inhaltsangaben bei Kosmetikprodukten

Bei kosmetischen Produkten gehören die Inhaltsstoffe zu den zentralen Pflichtangaben. Was im stationären Handel auf der Verpackung steht, muss auch im Online-Handel so dargestellt werden, dass Verbraucher sich vor dem Kauf informieren können.

In einem aktuellen Fall wurde ein Händler wegen angeblich falscher oder unvollständiger Angaben zu den Bestandteilen eines Parfüms abgemahnt. Die Gegenseite stützte sich auf einen Testkauf und warf vor, die in der Produktbeschreibung genannten Inhaltsstoffe entsprächen nicht der tatsächlichen Deklaration auf der Verpackung.

Solche Vorwürfe sind für Händler besonders sensibel, weil die Kosmetikverordnung strenge formale Kennzeichnungspflichten vorsieht und Abweichungen schnell als Irreführung eingestuft werden können – selbst dann, wenn kein Gesundheitsrisiko besteht und der Verbraucher im Ergebnis ein korrekt gekennzeichnetes Produkt erhält.

Der Vorwurf und die Besonderheiten des Falls

Im Abmahnschreiben wurde behauptet, im Online-Angebot seien einzelne Stoffe als Inhaltsstoffe aufgeführt gewesen, die im tatsächlich gelieferten Produkt nicht enthalten gewesen sein sollen. Umgekehrt seien Bestandteile verwendet worden, die in der Beschreibung nicht auftauchten.

Dies, so die Argumentation, könne Verbraucher an einer informierten Kaufentscheidung hindern und stelle eine unlautere geschäftliche Handlung dar. Zur Untermauerung wurden verschiedene Entscheidungen herangezogen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung verlangt, verbunden mit der Forderung nach Erstattung von Abmahnkosten.

Bei der anschließenden Prüfung zeigte sich jedoch, dass die gesetzlich geforderten Informationen auf der Produktverpackung ordnungsgemäß angegeben waren. Die Kosmetik-VO verlangt, dass die INCI-Liste auf der Verpackung angebracht ist. Eine zusätzliche Wiederholung sämtlicher Inhaltsstoffe in Textform im Angebot ist dem Gesetz in dieser Strenge nicht zu entnehmen. Im vorliegenden Fall zeigten zudem die Produktbilder die Rückseite des Artikels mitsamt der vollständigen Deklaration. Der Verbraucher erhielt damit ein Produkt, dessen Kennzeichnung den gesetzlichen Vorgaben entsprach.

Hinzu trat eine Besonderheit, die in der Praxis des Plattformhandels immer wieder eine Rolle spielt: Die beanstandete Produktdetailseite war eine von mehreren Händlern genutzte und von der Plattform verwaltete Seite. Änderungen, die ein einzelner Händler im Seller-Backend vornimmt, werden nicht zwingend als maßgebliche Produktdaten übernommen.

Kommt es dadurch zu Abweichungen in der Darstellung, liegt die Ursache häufig eher in der Datenlogik der Plattform als im Verantwortungsbereich des einzelnen Händlers. Gleichwohl werden Abmahnungen in der Praxis häufig an den Händler adressiert, der aus Sicht des Abmahners „sichtbar“ ist.

Rechtliche Bewertung und Verteidigung gegen die Abmahnung

In dem von uns betreuten Fall ergaben sich mehrere Argumentationslinien, die gegen die Berechtigung der geltend gemachten Ansprüche sprachen.

Zum einen waren die Kennzeichnungspflichten nach der Kosmetik-VO erfüllt. Die Inhaltsangaben auf der Verpackung entsprachen den gesetzlichen Vorgaben, und die Abbildung dieser Angaben im Angebot reichte aus, um dem Verbraucher die notwendigen Informationen zugänglich zu machen. Eine weitergehende Pflicht, sämtliche Bestandteile zusätzlich in den Beschreibungstext zu übernehmen, konnte aus der herangezogenen Rechtsprechung jedenfalls in dieser Konstellation nicht hergeleitet werden.

Zum anderen war zweifelhaft, ob die gerügten Abweichungen überhaupt geeignet waren, die geschäftliche Entscheidung eines durchschnittlichen Verbrauchers zu beeinflussen. Bei Parfüm stehen in der Praxis regelmäßig Duft, Marke und Preis im Vordergrund. Soweit Verbraucher aus gesundheitlichen Gründen auf bestimmte Inhaltsstoffe achten, tun sie dies typischerweise anhand der Verpackung. Diese war im vorliegenden Fall korrekt gekennzeichnet und wurde im Angebot auch bildlich wiedergegeben.

Darüber hinaus wies das Abmahnschreiben selbst formale Schwächen auf. Nach der geltenden Rechtslage muss ein Abmahner seine Anspruchsberechtigung nachvollziehbar darlegen. Dazu gehört insbesondere eine konkrete Darstellung der eigenen Marktaktivitäten. Pauschale Hinweise auf eine Vielzahl von Angeboten genügen regelmäßig nicht. Formfehler dieser Art sind keine bloße Förmelei, sondern gesetzlich verankerte Anforderungen, die Missbrauch vorbeugen sollen.

Schließlich war auch die Ausgestaltung der geforderten Vertragsstrafe kritisch zu sehen. Sowohl die Höhe als auch die konkrete Ausrichtung passten nicht zu der Einordnung des behaupteten Verstoßes als eher geringfügig.

Vor diesem Hintergrund haben wir die Ansprüche im Namen unseres Mandanten vollumfänglich zurückgewiesen und klargestellt, dass dieser zu den geforderten Erklärungen nicht verpflichtet ist.

Formfehler der Abmahnung und materielle Verstöße

Wichtig ist dabei ein Punkt, den Händler im Auge behalten sollten: Die Verteidigung gegen eine Abmahnung mit formellen Defiziten ist zwar möglich und in vielen Fällen auch angezeigt, sie beseitigt aber keine materiellen Rechtsverstöße. Besteht tatsächlich ein Verstoß gegen Informations- oder Kennzeichnungspflichten, bleibt dieser auch dann bestehen, wenn die konkrete Abmahnung an formellen Fehlern scheitert oder aus taktischen Gründen zurückgewiesen wird.

Wer seine Produktpräsentation unverändert lässt, obwohl objektiv ein rechtliches Risiko besteht, muss damit rechnen, dass der Vorwurf zu einem späteren Zeitpunkt erneut und dann möglicherweise in anderer Form geltend gemacht wird.

Händler sollten sich deshalb nicht allein auf formale Verteidigungsargumente verlassen, sondern parallel prüfen, ob Anlass besteht, die eigene Darstellung zu überarbeiten. Ist der Vorwurf materiell berechtigt, wird in der Praxis häufig kein Weg daran vorbeiführen, sich mit dem Abmahner – sei es außergerichtlich oder im Rahmen einer modifizierten Erklärung – zu einigen. Erfolgt keine Einigung und wird der Sachverhalt nicht bereinigt, besteht stets die Möglichkeit, dass der Anspruch gerichtlich verfolgt wird, was mit zusätzlichen Kosten und Risiken verbunden ist.

Was Händler aus dem Fall mitnehmen sollten

Der Fall zeigt, dass Kennzeichnungspflichten im Kosmetikbereich ernst zu nehmen sind, zugleich aber nicht jede Abmahnung zwingend zu einer Unterwerfung führen muss. Entscheidend ist eine sorgfältige, zweistufige Prüfung: Zunächst ist zu klären, ob die gesetzlichen Vorgaben tatsächlich verletzt wurden oder ob die Pflichtangaben – etwa durch die Abbildung der Verpackung – in ausreichender Weise erfüllt sind.

Anschließend ist zu bewerten, ob die konkrete Abmahnung formell und inhaltlich tragfähig begründet ist.

Für Händler im Plattformhandel bedeutet dies in der Praxis, dass sie ihre Produktseiten regelmäßig kontrollieren, Änderungen dokumentieren und Abweichungen zwischen Verpackung und Online-Darstellung möglichst frühzeitig korrigieren sollten.

Wer eine Abmahnung erhält, sollte weder reflexartig unterschreiben noch sie pauschal als unbegründet abtun, sondern die Situation rechtlich einordnen lassen. Es kann durchaus Konstellationen geben, in denen eine Abmahnung angreifbar ist – gleichwohl bleibt es Aufgabe des Händlers, die eigenen Angebote rechtskonform zu gestalten, um zukünftige Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Fazit

In dem hier geschilderten Fall war die Abmahnung nach unserer Bewertung weder formal noch inhaltlich tragfähig und konnte erfolgreich zurückgewiesen werden.

Zugleich unterstreicht die Konstellation, dass Händler ihre Produktangaben – insbesondere bei Kosmetika – kritisch und regelmäßig überprüfen sollten. Formfehler auf Seiten des Abmahners können im Einzelfall ein wirkungsvolles Verteidigungsmittel sein, ersetzen aber nicht die Notwendigkeit, materiell-rechtliche Vorgaben einzuhalten. Eine frühzeitige rechtliche Beratung und, wo erforderlich, eine sachgerechte Einigung können helfen, gerichtliche Auseinandersetzungen und damit verbundene Risiken zu vermeiden.

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