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LG Düsseldorf: Lieferung von Fehlmengen kann abgemahnt werden

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Das Landgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 26.4.2012, Aktenzeichen 12 O 154/12 in einem einstweiligen Verfügungsverfahren per Beschluss und daher ohne schriftliche Begründung einem Onlinehändler bei Meidung von Ordnungsmitteln untersagt, Verpackungsmaterial, insbesondere Verpackungschips zum Kauf nach Volumen anzubieten und diese Volumenangabe bei der tatsächlichen Auslieferung zu unterschreiten.

Was war passiert?

Nach einem Testkauf auf der eBay-Plattform stellte sich heraus, dass der Händler seinen Kunden in der Artikelbeschreibung zwar einen Sack Verpackungschips mit einem Volumen von 500 l anbot, daraufhin aber lediglich etwas mehr als 430 l lieferte.

Letzteres stellte sich nach einem Gutachten, das durch den TÜV Deutschland angefertigt und in dem drei unterschiedliche Schüttungen des Materials durchgeführt wurden wurde, heraus.

Schechtlieferung = Wettbewerbsverstoß

Das Landgericht Düsseldorf wollte den Verfügungsantrag zunächst mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 1983 (BGH, Urt. von 21.04.1983 – I ZR 30/81 – Eichstrich) nicht erlassen, dass nicht jede Schlechtlieferung auch gleichzeitig einen Wettbewerbsverstoß darstelle.

Wir waren jedoch mit Köhler (in Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage 2012, § 2, Rn. 74) der Meinung, dass die Überlegungen in der vom Gericht in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „Ausschank unter Eichstrich“ aus den 80er-Jahren vor dem Hintergrund der an die Vorgaben der UGP-Richtlinie angepassten novellierten Vorschriften im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nicht mehr auf den aktuellen Fall anwendbar seien.

Danach ist es nicht mehr erforderlich– und dies ist der wesentliche Unterschied zum bisherigen Recht –, dass Handlungen des Unternehmers bei und nach Vertragsschluss zugleich auf eine Förderung des Absatzes oder Bezugs gerichtet sein müssen. Das UWG regelt daher nicht mehr nur das eigentliche Marktverhalten im Wettbewerb, sondern auch das Verhalten gegenüber Vertragspartnern. Sein Anwendungsbereich wird dadurch wesentlich erweitert. Es beschränkt sich nicht mehr auf ein „Wettbewerbsrecht“, sondern hat sich zu einem Lauterkeitsrecht in Bezug auf das Verhalten bei Abschluss und die Durchführung von Verträgen weiterentwickelt.

Unser entsprechender Nachtrag konnte das Landgericht Düsseldorf offenbar überzeugen. Die zuständige Kammer erließ das Verbot nämlich dann doch.

Was bedeutet das für Händler?

Für die Händler bedeutet die neue Rechtslage eine erhebliche Verschärfung ihrer Haftung. Während sie früher lediglich von unzufriedenen Kunden auf Rückabwicklung bzw. Schadensersatz in Anspruch genommen werden konnten, stehen nun auch Wettbewerbern Möglichkeiten offen, nicht vertragsgemäßes Verhalten gegenüber den Kunden aus Wettbewerbsrecht zu sanktionieren.

Zu beachten ist jedoch nach wie vor die Spürbarkeitsschwelle des § 3 UWG. Lediglich marginale Abweichungen in der Lieferung werden damit auch nach neuer Rechtslage nicht wettbewerbswidrig sein.

Orientierung an den Füllmengenvorgaben der FertigPackV

Unseres Erachtens wird man sich diesbezüglich unter anderem  an den Vorschriften der Verordnung über Fertigpackungen (Fertigpackungsverordnung) orientieren können, die in den §§ 22 ff. die Zulässigkeit bestimmter Füllmengenabweichungen regelt. danach dürfen die Füllmengen von den Herstellern um bestimmte Prozentsätze unterschritten werden, wenn sichergestellt ist dass diese im Durchschnitt die angegebenen Füllmenge erreichen.

Für den Verbraucher wird durch diese Regelung sichergestellt, dass er, in den beschriebenen zugelassenen Schwankungen, tatsächlich die bezahlte Menge erhält, ohne dies selbst kontrollieren und im Zweifelsfall Klage vor einem Gericht erheben zu müssen.

Für den Produzent entsteht durch die Zulässigkeit geringer Abweichungen nach unten bei einzelnen Verpackungen (wenn die Durchschnittsmenge in allen Verpackungen nicht nach unten abweicht) ein Instrument, die eigene Fertigung zu optimieren, d.h. die durchschnittliche Füllmenge eines Produktes möglichst nah an die deklarierte Nennfüllmenge zu bringen – den Abfüllprozess zu optimieren. Andernfalls müsste er im Durchschnitt eine höhere Menge einfüllen, um sicherzustellen, dass keine Verpackung die angegebene Füllmenge unterschreitet.

Nach § 22 Abs. 3 FertigPackV betragen die zulässigen Minusabweichungen:

Nennfüllmenge QN

Zulässige Minusabweichung

in g oder ml

in % von QN

in g oder ml

5 bis 50

9

50 bis 100

4,5

100 bis 200

4,5

200 bis 300

9

300 bis 500

3

500 bis 1.000

15

1.000 bis 10.000

1,5

Gehen die Abweichungen jedoch, wie im vorliegenden Fall in einen darüber hinausgehenden Bereich (hier 12,3- 14 %), dürfte auch spätestens die Spürbarkeitsschwelle des Paragraphen drei UWG überschritten und das entsprechende Verhalten wettbewerbswidrig sein. (la)

(Bild: © THesIMPLIFY – Fotolia.com)

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