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Ist das Kunst oder kann das weg? Wenn die Vernichtung eines Kunstwerks weniger problematisch ist als dessen Entstellung

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Vernichtung Werk EntstellungDer BGH hat ab Ende November die interessante Frage zu beantworten, inwiefern die Vernichtung eines nach dem Urheberrecht geschützten Werks rechtlich im Verhältnis zu dessen Entstellung zu werten ist.

Zwei Künstler forderten in den Vorinstanzen erfolglos Schmerzensgeld, weil ihre künstlerischen Installationen im Gebäude des Eigentümers durch diesen zerstört wurden.

Eskalation durch Deinstallation

Die Kläger sind bildende Künstler und verklagten den Betreiber einer Minigolf-Anlage auf Schmerzensgeld. Die Anlage befand sich in einem vom Unternehmen gepachteten Gebäude und wurde durch die Künstler mit mehreren künstlerischen Installationen ausgestattet. Im Zuge einer Umgestaltung der Anlage wurden die Installationen durch den Pächter vollständig entfernt und damit zerstört.

Wenn schon denn schon: Vernichtung weniger problematisch als Entstellung?

Sowohl das Kammergericht (KG Berlin, Urt. v. 9.8.2017, Az. 24 U 173/15) als auch die Vorinstanz (LG Berlin, Urt. v. 3.11.2015, Az. 16 O 689/13) wiesen die Klage auf Schmerzensgeld ab.

Das Berufungsgericht führte aus, dass die Installationen zwar als Werke der angewandten bildenden Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 UrhG und damit urheberrechtlich geschützte Werke seien. Jedoch ergebe sich aus der Eigentumsvermutung aus § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB, dass der Betreiber der Minigolf-Anlage als unmittelbarer Besitzer der Installationen anzusehen sei und somit auch zur Zerstörung des Werks legitimiert gewesen sei. Ein auf § 14 UrhG gestützter Anspruch entfalte vorliegend keine Wirkung, da die vollständige Vernichtung des Werkes keine „Entstellung“ im Sinne der Norm darstelle.

Die Revision vor dem BGH (Az. I ZR 15/18) wird ab Ende November verhandelt.

Die Problematik beschäftigt die Gerichte schon lange

Die umstrittene Frage, ob sich der urheberpersönlichkeitsrechtliche Entstellungsschutz nach § 14 UrhG auch auf eine Zerstörung des Werks erstreckt, beschäftigt die Gerichte schon lange. Überwiegend hat sich die Auffassung herausgebildet, dass die Vernichtung eines Werkstücks nicht mit einer Entstellung gleichzusetzen ist. Vielmehr sollten im Falle der Vernichtung des Werks Lösungen außerhalb des § 14 UrhG Berücksichtigung gefunden werden.

Eine andere Meinung sieht in der Vernichtung eines Werks einen Spezialfall einer Entstellung, deren Besonderheiten im Rahmen der nach § 14 UrhG durchzuführenden Interessenabwägung zu berücksichtigen seien.

Eigentum vs. Kunst 1:0?

In einem ähnlichen Fall versagte das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.4.2017, Az. 6 U 207/15) der klagenden Künstlerin nach der Abwägung im Rahmen des § 14 UrhG die Ansprüche auf Reinstallation bzw. Schadensersatz. Es wurde ausgeführt, dass eine Zerstörung des Werkstücks nur dann als Urheberpersönlichkeitsrechtsverletzung zu werten sei, wenn das „geistige und persönliche Band“ des Urhebers zum Werk im Sinne des § 11 UrhG beeinträchtigt werde. Insbesondere wurde festgestellt, dass das Interesse an der Fortexistenz des Kunstwerks bei einem unlösbar mit einem Gebäude oder Grundstück verbundenen Werkstücks in der Regel hinter den Interessen des Eigentümers zurücktreten müsse.

Das Interesse des Künstlers hingegen sei beispielsweise dann schwerer als das des Eigentümers zu gewichten, wenn das Kunstwerk außergewöhnlich hohem künstlerischem Rang zuzuordnen sei.

Auf den BGH kommt es an

Dem Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Eigentum wird auch nach dem mit Spannung zu erwartenden BGH-Urteil nicht die Luft ausgehen. Im Fokus des kommenden Urteils wird die Frage stehen, inwiefern ein Künstler seine Werke, welche mit dem Gebäude oder Grundstück eines anderen Eigentümers verbunden sind, vor einer Zerstörung schützen kann. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage steht bisher aus, sodass die Entscheidung des BGH im vorliegenden Fall höchstwahrscheinlich Signalwirkung haben wird.

Insbesondere aufgrund der geradezu absurd anmutenden Tatsache, dass die Entstellung eines Werkes im Sinne von § 14 UrhG schneller rechtliche Ansprüche des Künstlers auslösen kann als die vollständige Vernichtung, wird der BGH eine interessengerechte Lösung entwickeln müssen.

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