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OLG Hamm zu einschränkenden Angaben zur Lieferfrist und der Selbstbelieferungsklausel

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Die Kollegen von Dr. Damm weisen heute auf eine Entscheidung des OLG Hamm hin (OLG Hamm, Urteil v. 18.9.2012, Az. I-4 U 105/12), welche sich wieder einmal mit der Angabe von Lieferfristen beschäftigt.

Zuletzt hatte das OLG Bremen entschieden (OLG Bremen, Urteil v. 5.10.2012, Az. 2 U 49/12, dass es rechtswidrig ist, wenn ein Verkäufer auf Amazon im Wege des Fernabsatzes Waren anbietet und dabei die Lieferfristen mit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ beschreibt. Wir berichteten.

Die Angabe „ca.“ ist zulässig, allerdings nur ohne weitere Einschränkungen

Das Oberlandesgericht Hamm hat nun entschieden, dass die Angabe der Lieferfrist mit dem Hinweis “ca.” zwar zulässig ist. Dieser Hinweis darf allerdings nicht mit weiteren relativierenden Zusätzen versehen werden , da die unter Umständen zu einem Wettbewerbsverstoß führt. Vorliegend war folgende Klausel streitgegenständlich:

„(…) Lieferbedingungen (…)

Sollte ein bestellter Artikel nicht lieferbar sein, weil wir von unserem Lieferanten ohne unser Verschulden trotz dessen vertraglicher Verpflichtung nicht beliefert werden, sind wir zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt. In diesem Fall werden wir den Kunden unverzüglich darüber informieren, dass die bestellte Ware nicht mehr verfügbar ist und etwaige schon erbrachte Leistungen unverzüglich erstatten.

Angegebene Lieferfristen stellen nur einen Richtwert dar und gelten daher nur annähernd vereinbart (Zirka-Fristen).

Der Senat führt dazu aus:

„Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Angabe einer Zirka-Frist ausreichend im Sinne von § 308 Nr. 1 BGB ist, weil letztlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass hier Zirka-Fristen vereinbart worden sind. Allein der Klammerzusatz „Zirka-Fristen“ kann die vorangegangenen deutlichen Einschränkungen der Verbindlichkeit nicht dahingehend korrigieren, dass hier letztlich doch verbindliche Fristen vereinbart werden sollen. Der Klammerzusatz einerseits und der vorangegangene Text andererseits stehen letztlich in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander. Eine eindeutige Vereinbarung verbindlicher Lieferfristen ist nicht erkennbar.“

Selbstbelieferungsklausel ist auch auf eBay rechtmäßig

Die vom Beklagten verwendete Selbstbelieferungsklausel:

„Sollte ein bestellter Artikel nicht lieferbar sein, weil wir von unserem Lieferanten ohne unser Verschulden trotz dessen vertraglicher Verpflichtung nicht beliefert werden, sind wir zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt. In diesem Fall werden wir den Kunden unverzüglich darüber informieren, dass die bestellte Ware nicht mehr verfügbar ist und etwaige schon erbrachte Leistungen unverzüglich erstatten.“

hielt das OLG Hamm demgegenüber für zulässig.Der Senat begründet das damit, dass der Vorbehalt der Selbstbelieferung für zulässig gehalten werde (Palandt a.a.O. Rn 20). Zu beachten sei zwar, dass das Lösungsrecht im nicht-kaufmännischen Verkehr ausdrücklich auf den Fall beschränkt werden müsse, dass der Verwender ein konkretes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat und von dem Partner dieses Vertrages im Stich gelassen wird (BGHZ 92, 396). Verkaufs- und Einkaufsvertrag müssten kongruent sein (BGH NJW1995, 1959). Diese Voraussetzungen würden aber urch den Wortlaut der beanstandeten Klausel erfüllt.

Auch die eBay-AGB, nach denen gem. § 9 Abs. 4 der eBay-AGB gilt

„Anbieter müssen in der Lage sein, die angebotenen Waren dem Käufer unverzüglich nach Vertragsschluss zu übereignen. Ausnahmen von dieser Verpflichtung finden Sie im Grundsatz für Lieferzeiten.“

sprächen nicht dagegen, da diese nur zwischen eBay und dem Anbieter gelten und keine gesetzkchen Vorschriften darstellten. Auch daraus, dass die Beklagte ihre Angebote unter der Rubrik Sofort-Kaufen einstellte, ergebe sich nichts anderes. Denn es müsse (nach dem Abstraktionsprinzip) zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft (hier: Kauf) einerseits und dem dinglichen Erfüllungsgeschäft (hier: Lieferung) andererseits unterschieden werden. Es sei durchaus möglich, einen Gegenstand sofort zu kaufen, aber erst einige Zeit später geliefert zu bekommen. Darin liege kein Widerspruch.

Fazit:

Lieferfristen sind möglichst genau anzugeben. Dabei ist die Einschränkung mit dem Wort „ca.“ zurzeit das „höchste der Gefühle“, obgleich sich natürlich nicht recht erschliesst, weshalb die Gerichte diese Unwägbarkeit überhaupt zulassen. Eine konkrete Abmahngefahr dürfte jedoch davon im Moment nicht ausgehen.

Auch Klauseln, wonach der Verkäufer sich einen Rücktritt vorbehält, wenn er von seinem Vorlieferanten nicht belifert wird, hält der Senat für zulässig. Hier gibt es vor allem in der juristischen Literatur heftige Gegenstimmen.

So führt zum Beispiel Wurmnest im Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 308 Nr. 3, Rn 7-9 aus:

„Beide Klauseltypen (davon eine die Selbstbelieferungsklausel, Anm. des Verf.) stehen unter den obwaltenden Bedingungen eines überreichlichen Warenflusses im Gegensatz zu den alltäglichen Erfahrungen und Erwartungen des Durchschnittskunden, der annehmen muss und kann, dass alle Waren fast jederzeit verfügbar sind, und der deshalb auch keinen Anlass sieht, an der Lieferzusage des Verwenders zu zweifeln. In der Mangelwirtschaft sind Vorratsklauseln eine Selbstverständlichkeit, im Überfluss sind sie ein Fremdkörper. Vor diesem Hintergrund wird man sich durchaus fragen können, ob die grundsätzliche Zulassung von Selbstbelieferungs- und Vorratsklauseln in AGB, die in der Rspr. wiederholt hervorgehoben wird, im nichtkaufmännischen Verkehr den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen entspricht. Sie tut es eigentlich nur dort, wo der Kunde auf Grund ausdrücklicher oder aus den Umständen zu entnehmender Individualvereinbarung weiß, dass er Gläubiger einer Stückschuld oder beschränkten Gattungsschuld ist. Wer drei Kisten Wein aus einer prämierten Spitzenlage, Bücher aus einem Antiquariatskatalog oder handsignierte Grafiken aus einer limitierten Auflage bestellt, wird durch Selbstbelieferungs- und Vorratsklauseln nicht überrascht. Anders wenn er eine Serienkamera oder Textilkonfektion nach einem Versandhauskatalog kauft; hier wird er grundsätzlich von einer unbeschränkten Gattungsschuld ausgehen können. „

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. In Hamm ist man nun offenbar aber diesbezüglich „abmhnsicher“. Andere Gerichte könnten aber natürlich anders entscheiden. (la)

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