Mehrfach ausgezeichnet.

Focus Markenrecht
en

Darf Jan Delay Heino einen Nazi nennen?

Ihr Ansprechpartner

Heino-LogoNazivergleiche sind eine delikate Angelegenheit, nicht nur in Deutschland, aber besonders hier. Die schändlichen Jahre der NS-Diktatur erfordern auch 70 Jahre später noch einen sensiblen Umgang mit dieser Thematik. Dementsprechend sind das mediale Echo und der Aufschrei in der Bevölkerung groß, wenn ein Prominenter über einen anderen Prominenten einen entsprechenden Vergleich aufstellt. „Sowas ist verwerflich und abscheulich“ rufen dann die einen. „Sowas muss doch mal gesagt werden dürfen“ halten die anderen dagegen.

Jüngstes Beispiel: Jan Delay, der in der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“ über Heino gesagt hat: „Nee, das ist ein Nazi“. Wie unter anderem der „Spiegel“ berichtet, hat Heino dies zum Anlass genommen, eine Anzeige wegen Verdachts der Beleidigung, der üblen Nachrede und der Verleumdung gegen Jan Delay zu stellen. Darüber hinaus fordert er die Abgabe einer Unterlassungserklärung und eine Geldentschädigung. Wie erfolgversprechend ein Antrag auf Unterlassung in einem gerichtlichen Verfahren wäre, soll im Folgenden erörtert werden.

Tatsachenbehauptung oder Werturteil?

Bereits der Einstieg in die entsprechende Prüfung ist schwieriger als man zunächst denkt: Stellt, die Behauptung, jemand sei ein Nazi, eine Tatsachenbehauptung dar oder handelt es sich um eine Meinungsäußerung, die möglicherweise von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. GG gedeckt ist?

Nach der maßgeblichen Definition des Bundesverfassungsgerichts gelten als Tatsachen lediglich solche Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (BVerfGE 94, 1, 8). Wenn aber selbst die für sozialethische Analysen eher unbekannte „Bild Zeitung“ keine schlagkräftige Definition des Begriffes „Nazi“ geben kann, sondern darauf hinweist, das „Problem bei der Verortung eines Menschen als Nazi bestehe darin, dass die Grenzen von Ausländerfeindlichkeit zu Rassismus, von Antisemitismus zu Judenhass und von Patriotismus zum Nationalismus fließend verlaufen würden“, dürfte die Einordnung als Tatsachenbehauptung an der Beweisbarkeit scheitern. Denn solange nicht klar definiert ist, was einen Nazi ganz konkret ausmacht, fällt der Beweis, jemand sei ein solcher, ebenso schwer wie der entsprechende Gegenbeweis. Dies umso mehr als die „Bild-Zeitung“ scharfsinnig analysiert: „Wer kann schon in die Hirne der Menschen schauen? „Dunkelziffer“ heißt das Schlagwort. Wer weiß schon, ob jemand „nur“ ein heimlicher Sympathisant ist?“.

Die Äußerung von Jan Delay dürfte deshalb als Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzuordnen sein. Der Meinungsäußerungsfreiheit kommt aber in unserer Rechtsordnung eine essentielle Bedeutung zu, gerade weil sie in der NS-Zeit quasi nicht-existent war. Sie ist deshalb nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts „eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“ und „für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend“ (BVerfGE 12, 113).

Schmähkritik oder zulässige Überspitzung?

Dennoch sind auch Meinungsäußerungen dann unzulässig, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Eine unzulässige Schmähkritik liegt deshalb vor, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik, die persönliche Herabsetzung das Ziel ist (vgl. exemplarisch BVerfG NJW 1995, 3303). Ob dies der Fall ist, muss anhand des Gesamtkontextes, in dem die Äußerung gefallen ist, ermittelt werden. Denn Jan Delay hat die Äußerung „Nee, das ist ein Nazi“ nicht isoliert zu Protokoll gegeben. Vielmehr hat er auf die Frage des Journalisten, ob es nicht „krass“ gewesen sei, dass Heino deutsche Pop-Songs interpretierte und sich mit Rammstein auf die Bühne stellte, Folgendes geantwortet:

 „Das war wirklich schlimm. Wir haben extra nichts gesagt, weil wir ihm kein Forum geben wollten. Alle sagten plötzlich: Ist doch lustig, ist doch Heino. Nee, das ist ein Nazi. Das vergessen die meisten Leute, wenn die Leute über Heino reden. Der Typ hat in Südafrika während der Apartheid im Sun City gesungen. Und sein Repertoire: „Schwarzbraun ist die Haselnuß“, Soldatenlieder… Es ist schrecklich, wenn so jemand einen Song von dir singt“.

Jan Delay hat also wenigstens zwei Argumente aufgezeigt, warum er Heino für einen Nazi hält: Zum einen, weil an einem Ort aufgetreten ist, der wie kein zweiter die Doppelmoral Apartheid-Regimes repräsentiert und dies zu einer Zeit – das hätte Jan Delay noch ergänzen können – als die UN über Südafrika einen Kulturboykott verhängt hatte. Zum anderen, weil er (nicht nur, aber) auch Lieder singt, die sich zur Zeit des Nationalsozialismus größter Beliebtheit erfreut haben.

Jan Delay hätte auch noch darauf hinweisen können, dass Heino einst sämtliche drei Strophen der deutschen Nationalhymne auf Tonband aufgenommen hat (Zitat: Wikipedia) und sich im Jahr 2013 anlässlich der Veröffentlichung seines neuen Albums mit den Worten „Aber noch bin ich ja hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink wie ein Windhund“ geäußert hat (Zitat: Spiegel). Dass er damit das Hitler-Zitat „In unseren Augen, da muss der deutsche Junge der Zukunft schlank und rank sein, flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl!“, nahezu wortgleich wiedergegeben hat, will er angeblich nicht gewusst haben.

Ob dies alles Jan Delay dahingehend etwas bringt, dass seine Äußerung noch als überspitzte Kritik eingeordnet werden kann, mag bezweifelt werden, zumal auch Frank Sinatra, Queen und Elton John zu Zeiten der Apartheid in Sun City aufgetreten sind, die drei Strophen des Deutschlandliedes nur für Unterrichtszwecke bestimmt waren und das Lied „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ bereits im 19. Jahrhundert als Volkslied entstanden ist. Dennoch: Wer sich so oft wie Heino in grenzwertige Situationen bringt, die gemeinhin am rechten Rand verortet werden, muss gegebenenfalls damit rechnen, dass irgendwann einmal ein Richter den Nazi-Vorwurf als zulässige Meinungsäußerung ansieht. 

Praxishandbuch Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht

2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage

Chronologisch aufgebaut, differenzierte Gliederung, zahlreiche Querverweise und, ganz neu: Umfangreiche Praxishinweise zu jeder Prozesssituation.

Mehr erfahren

Praxishandbuch Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht