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LG Braunschweig: Die Widerrufsfrist beginnt am Tag des fristauslösenden Ereignisses

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Das LG Braunschweig (LG Braunschweig, Urteil v.06.11.2007, 21 O 1899/07) hatte es doch nur gut gemeint. Es wollte wohl eine Abmahnwelle wegen eines weiteren vermeintlichen Wettbewerbsverstoßes im Keim ersticken. Aber wie so oft, wenn Gerichte am Werk sind, die mit der Materie nicht regelmäßig befasst sind, kommt nichts Gutes dabei heraus.

Gegenstand der Entscheidung war ein Antrag auf Unterlassung eines Mitbewerbers, der die Formulierung innerhalb der heiß umstrittenen Widerrufsbelehrung im Fernabsatz zum Fristbeginn verbieten wollte, die der Konkurrent wie folgt benutzte:

„(…)die Widerrufsfrist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und einer in Textform mitzuteilenden Belehrung(…)“

Der Antragsteller war der Meinung, dass diese Belehrung insofern falsch sei, als dass die Frist einen Tag nach Erhalt von Ware und Widerrufsbelehrung beginne.

Hintergrund ist der § 187 Abs. 1 BGB, der wie folgt lautet:

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

Dem trat das Gericht mit dem Argument entgegen, dass die gerügte Formulierung den gesetzlichen Vorgaben entspreche, da die Frist durch den Verbraucher anhand des Frist auslösenden Ereignisses korrekt zu berechnen sei. Jedenfalls sei die Formulierung nicht wettbewerbswidrig.

So weit so gut.

Jetzt macht das Gericht aber den Fehler und kann sich nicht verkneifen, seine Meinung darüber mitzuteilen, wie es denn richtig sei. Entgegen einer landläufigen Auffassung sind Gerichte aber nicht dazu da, Rechtsrat zu erteilen. Sie sollen vielmehr nur auf Grundlage des konkret mitgeteilten Sachverhalts entscheiden. Insbesondere bei der Geltendmachung von das Wettbewerbsrecht prägenden Unterlassungsansprüchen hat das Gericht nur zu sagen, wie es nicht geht. Zu allem anderen ist eine Äußerung des Gerichts überflüssig und manchmal sogar schädlich. Eine (für die konkrete Entscheidung) überflüssige Anmerkung nennt man obiter dictum.

Wikipedia schreibt dazu:

Ein obiter dictum (lat. „nebenbei Gesagtes“) ist eine in einer Entscheidung eines Gerichtes geäußerte Rechtsansicht, die die gefällte Entscheidung nicht trägt, sondern nur geäußert wurde, weil sich die Gelegenheit dazu bot. Letztinstanzliche Gerichte fügen ihren Urteilen gelegentlich obiter dicta bei, weil sich sonst für die entscheidenden Richter häufig auf lange Zeit keine Möglichkeit mehr bietet, ihre Rechtsauffassung zu ähnlich gelagerten Fällen oder einen Grundsatz, der für den Fall keine Rolle spielt, kundzutun.

Das Landgericht Braunschweig ist zweifellos kein letztinstanzliches Gericht. Das Gericht geht es schlicht nichts an, wie es richtig gewesen wäre. Nun könnte man sagen, was soll´s, kann doch nicht schaden. Kann es aber doch.

Im vorliegenden Fall ergibt sich erstens die prozessuale Merkwürdigkeit, dass das LG mit einer Entscheidung über einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht nur die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Formulierung beurteilt, also einen Anspruch verneint hat, sondern auch die Rechtmäßigkeit der nicht gegenständlichen Belehrung („die Frist beginnt einen Tag „nach“ Erhalt von Ware und Widerrufsbelehrung“) überprüft, ohne dass dies notwendig gewesen wäre:

Eine Information dahingehend, dass die Widerrufsfrist am Tag nach Erhalt der Ware und der Widerrufsbelehrung in Textform beginne, entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen und würde einen Verbraucher eher verwirren. Denn bei der Fristberechnung wird ein Laie regelmäßig nicht in das Gesetz gucken, sondern bei der Einmonats-Frist korrekt davon ausgehen, dass diese Frist einen Monat später mit dem Tag endet, dessen Zahl demjenigen Tag entspricht, an dem er Ware und Widerrufsbelehrung erhalten hat. Würde dem Laien hingegen – wie vom Verfügungskl. gefordert – mitgeteilt, dass die Frist erst am Tag „nach“ Erhalt von Ware und Widerrufsbelehrung beginnt, bestünde die Gefahr, dass er den Fristablauf mit der o.g. Methode falsch ermittelt und dadurch seinen Widerruf eventuell einen Tag zu spät erklärt.


Zweitens sind die Ausführungen des Gerichts nicht nur überflüssig, sondern falsch.

Denn, wenn ein Laie nicht in das Gesetz schaut, kann er auch die Frist anhand der vom Gericht als ordnungsgemäß gehaltenen Belehrung nicht errechnen. Die Behauptung des Gerichts, dass ein Verbraucher bei der Einmonatsfrist davon ausgehe, dass diese Frist einen Monat später mit dem Tag endet, dessen Zahl demjenigen Tag entspricht, an dem er Ware und Widerrufsbelehrung erhalten hat (wie es das Gesetz bestimmt), kann ich nicht nachvollziehen. Jeder Laie würde doch sagen, dass eine Monatsfrist, die beispielsweise am 01.01.2008 beginnt, mit dem Ende des Monats, somit am 31.01.2008 endet. Denn einen Tag später hätte ja bereits der nächste Monat begonnen. Wenn der Laie aber in das Gesetz schauen muss, um die Frist berechnen zu können, erfährt er im oben bereits zitierten § 187 BGB, dass er bei Berechnung der Frist der Tag nicht mitrechnen darf, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Und das ist der Tag des Erhalts der Belehrung bzw. der Ware.

Abgesehen von alledem, kommt es für den Widerrufenden gerade vor dem Hintergrund der Monatsfrist nicht so sehr auf den Beginn, sondern auf das Ende der Frist an. Diesbzüglich bestimmt § 188 Abs. 2 BGB das Folgende:

Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum – Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr – bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

Das bedeutet, dass bei einer Bestimmung der Fristmodalitäten bei einer Monatsfrist dieser Paragraf viel wichtiger ist, als der § 187 Abs. 1 BGB. In das Gesetz schauen muss man also in jedem Fall. Daraus wiederum folgt, dass das LG Braunschweig in seiner Entscheidung die falsche Feststellung trifft, dass die Belehrung, die Frist beginne am Tag nach Erhalt der Belehrung irreführend bzw. wettbewerbswidrig sei, ohne dazu überhaupt gefragt worden zu sein.

Wer jetzt der Meinung ist, dass dies alles sehr kompliziert und schwierig zu verstehen ist, der hat mein vollstes Verständnis. Der versteht aber vielleicht auch, weshalb es auch für Gerichte besser ist, nicht ungefragt zu solch schwierigen Fragen Stellung zu nehmen. Achtung Latein: Si tu tacuisses, philosophum mansisses. (la) Zum Urteil

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