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Gerichte legen Pornopranger lahm

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Die Rechtsanwaltskanzlei Urmann und Collegen hatte Anfang August 2012 auf ihrer Internetseite angekündigt, eine Liste mit Gegnern aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen veröffentlichen zu wollen.

Wörtlich hieß es dort:

„In einem großen Teil der uns anvertrauten Mandate erzielen wir vergleichsweise Einigungen. Im Interesse unserer Mandanten ist dies häufig sinnvoller als der Gang durch die Gerichtsinstanzen. Ist es jedoch erforderlich, scheuen wir den Kampf ums Recht vor den Gerichten nicht.

Voraussichtlich ab dem 01.09.2012 finden Sie nachstehend eine Auswahl der Gegner aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen, gegen die uns Mandat erteilt wurde oder Mandat erteilt ist zur außergerichtlichen oder gerichtlichen Tätigkeit. […]“

Angeprangert wird im Netz viel – auch von Rechtsanwälten

Eigentlich nichts besonderes. Gegnerlisten werden von vielen Rechtsanwälten insbesondere bei der Akquise von Filesharing-Mandaten benutzt, um so Abgemahnte, die bei Google nach dem Namen des Rechteinhabers und des diesen vertretenen Rechtsanwalts suchen, auf ihre Internetpräsenz zu lotsen.

Pornopranger?

Das pikante im Fall einer möglichen Gegnerliste von Urmann und Collegen ist, dass es sich dabei eine Kanzlei handelt, die für gewöhnlich die Rechteinhaber von Pornofilmen vertritt. Die Ankündigung stieß dementsprechend auf ein gewaltiges öffentliches Echo. Diejenigen, die von der Kanzlei wegen des angeblichen Uploada eines Pornofilms abgemahnt worden waren, sorgten sich verständlicherweise darum, nach einer Veröffentlichung ihres Namens auf der Webseite der Kollegen sich eventuell dazu erklären zu müssen. Rechtsanwaltskollegen schätzten die Aktion weit überwiegend als rechtswidrig ein, da es sich bei den Abgemahnten regelmäßig und Privatpersonen handele und deswegen insbesondere die herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 1 BvR 1625/06 vom 12.12.2007- Gegnerliste) nicht einschlägig sei.

Einstweilige Verfügungen gegen Gegnerliste…

Ein pfiffiger Dortmunder Anwalt hat die Ankündigung für seine Mandantin zum Anlass genommen, die Rechtsanwälte Urmann und Collegen zunächst  zur Unterlassung aufzufordern und, nachdem die Kanzlei eine geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hatte, eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht Essen (LG Essen, Beschluss v. 30.8.2012, Az. 4 O 263/12) zu erwirken. Darin wird der Kanzlei unter Androhung eines Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € verboten, den Namen der Antragstellerin zu veröffentlichen.

…durch einen Anwalt mit Gegnerliste

Am Rande: Interessanterweise betreibt ausgerechnet dieser Anwalt selbst mit zahlreichen Blogeinträgen zu seinen Gegnern Suchmaschinenoptimierung und damit auch eine Art rechtlich zweifelhafte  „Gegnerliste“. Weshalb ein Herr Steve Müller als Betroffener eines Rechtsverstoßes es sich zum Beispiel gefallen lassen muss, öffentlich als „Abmahner“ und sein Anwalt als „Abmahnanwalt“ bezeichnet und wegen Details im Vollmachtformular kritisiert zu werden, könnte man, wenn man schon dabei ist, vielleicht ebenfalls einmal gerichtlich klären.

Offenbar ist zwischenzeitlich das Amtsgericht Regensburg nachgezogen und hat ebenfalls eine einstweilige Verfügung ähnlichen Inhalts erlassen.  Wie die Kollegen Urmann und Collegen auf ihrer Internetseite mitteilen, hat auch eine Anordnung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutz die Veröffentlichung einer Gegnerliste vorerst untersagt.

Ausgang des Streits ist offen

Auch wenn die Werbeaktion der Kanzlei Urmann und Collegen als durchaus kritisch zu beurteilen ist und es im Moment so aussieht, als wäre das Vorhaben gescheitert, bleibt es unser Erachtens dennoch spannend. Denn es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei allen Entscheidungen, sowohl den zivilrechtlichen als auch den öffentlich-rechtlichen um einstweilige Anordnungen bzw. einstweilige Verfügungen handelt, zu denen die Kanzlei bisher nicht angehört worden ist.

Die Rechtslage ist auch nicht so eindeutig, wie sie oftmals dargestellt wird. Denn  die Verbreitung bzw. Veröffentlichung von wahren Tatsachen grundsätzlich zulässig. Ausnahmsweise ist auch eine solche Verbreitung dann unzulässig, wenn die mitgeteilten Tatsachen einer Sphäre des Betroffenen entspringen, die die Öffentlichkeit normalerweise nichts angeht. Hier stellt sich unseres Erachtens schon die Frage, weshalb es bereits einen Makel darstellen soll, Gegner einer Streitigkeit zu sein, die von einer bestimmten Anwaltskanzlei betreut wird.

Ein weiteres prozessuales Problem besteht darin, das die Gerichte den Unterlassungsanspruch, da die Gegnerliste noch gar nicht veröffentlicht war, nur auf die so genannte Erstbegehungsgefahr, das heißt, auf die Ankündigung der Kanzlei, eine solche veröffentlichen zu wollen, stützen konnten.

Gerade im Persönlichkeitsrecht sind die Anforderungen an die Begründung einer Erstbegehungsgefahr sehr hoch. Denn für die Zulässigkeit einer Veröffentlichung bedarf es in jedem Einzelfall einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Interesse des Betroffenen an dem Schutz seiner Privatsphäre. Eine solche Interessenabwägung kann jedoch nur schwerlich in Bezug auf eine Veröffentlichung vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt ist und bei der insbesondere offen bleibt, mit welchem Inhalt und in welchem Kontext sie getätigt wird.

Das Prozessrisiko ist hoch

Auf das enorme Prozessrisiko weist daher auch der Kollege Ferner zu Recht hin. Betroffene sollten daher unseres Erachtens nicht vorschnell auf  „den Zug“ aufspringen, denn es könnte sein, dass die Entscheidungen nach einem Widerspruch oder in einer höheren Instanz mit den entsprechenden Kosten aufgehoben werden.

Die Kanzlei Urmann und Collegen gibt sich dementsprechend kämpferisch und teilt auf ihrer Internetseite mit:

„Der Kanzlei U+C Rechtsanwälte wurde durch eine Anordnung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutz die Veröffentlichung einer Gegnerliste vorerst untersagt. U+C wurde keinerlei rechtliches Gehör in dem Verfahren gewährt . Das Landesamt hat seine Informationen und Schlußfolgerungen offensichtlich alleinig aus der Presse entnommen. Die Ausführungen der Anordnung teilen wir nicht und halten sie für tatsächlich und rechtlich falsch.

U+C Rechtsanwälte wird sich diesem Druck nicht beugen und keine derartige Beschneidung von Grundrechten hinnehmen. Wir werden daher den rechtsstaatlichen Weg einhalten und gegen diese Anordnung mit einer Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht antworten. Bis zum Abschluß des Verfahrens werden wir keine Gegnerliste veröffentlichen.“

Wir werden weiter berichten. (la)

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