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Focus Markenrecht
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And the Oscar goes to…

Der BGH hatte sich in einer soeben veröffentlichten Entscheidung (BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 75/10 – OSCAR) mit Fragen des internationalen Markenrechts zu beschäftigen.

Die Rechteinhaberin der Marke Oscar, die kalifornische Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS), klagte gegen die italienische Rai Radiotelevisione Italiana S.p.A., da letztere Sendungen übertrug, die Namen wie „Oscar del vino“, „La Kore Oscar della Moda“ und „Oscar TV“ trugen und in Deutschland empfangbar waren, obwohl zugunsten der AMPAS in Deutschland die Wortmarke „OSCAR“ für Unterhaltung und Unterhaltungsdienstleistungen eingetragen waren.

Zuständigkeit und anwendbares Recht

Rechtlich ging es im Wesentlichen um zwei Fragen: Erstens, ist ein deutsches Gericht zuständig, wenn eine deutsche Marke durch einen europäischen Satellitensender verletzt wird? Zweitens, wann findet deutsches Recht auf eine Verletzung eine inländischen Marke Anwendung?

Die Entscheidung verdeutlicht damit sehr anschaulich, dass die Frage, ob ein deutsches Gericht über einen Fall entscheiden wird von der Frage zu unterscheiden ist, nach Maßgabe welcher Rechtsordnung dieser Fall entschieden wird.

Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Ausrichtung auf Deutschland

Bezüglich der Zuständigkeit hat das Gericht ausgeführt, dass für eine Klage ein deutsches Gericht jedenfalls stets dann nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO wegen einer Markenrechtsverletzungshandlung zuständig ist, wenn sich die Fernsehsendung an einen Teil der deutschen Bevölkerung richtet. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Sendung in italienischer Sprache ist, da dies eine zumindest von einem Teil der deutschen Bevölkerung gesprochene Sprache sei.

Eine Beschränkung der internationalen Zuständigkeit für Markenrechtsverletzungen durch ausländische Sendeanstalten ergibt sich laut BGH auch nicht aus Art. 1 Abs. 2 der europäischen Satelliten- und Kabelrichtlinie. Dieser wurde in Deutschland durch § 20a UrhG umgesetzt und fingiert bzw. kanalisiert im Falle von Sendungen den Handlungsort auf das Sendeland. Damit ergibt sich aber keine Einschränkung des Ortes des Eintritts der Verletzung im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO.

Keine Anwendbarkeit deutschen Markenrechts bei fehlendem wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug

Anders als bei der Zuständigkeit des Gerichts geht es bei der Frage der Anwendung des deutschen Markenrechts und damit der Frage, ob das deutsche Markenrecht überhaupt verletzt sein kann, aber nicht nur darum, ob der vermeintliche Verletzer die Sendung nach Deutschland ausgerichtet hat, sondern auch darum, ob es einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug („commercial effect“) gibt. Ein solcher wirtschaftlicher Inlandsbezug, welcher vom Tatsachengericht festgestellt werden muss, spricht für die Anwendung deutschen Markenrechts. Aber es gibt auch Gründe dagegen.

Auf der anderen Seite ist maßgebend, ob und inwieweit die Rechtsverletzung sich als unvermeidbare Begleiterscheinung technischer oder organisatorischer Sachverhalte darstellt, auf die der Inanspruchgenommene keinen Einfluss hat oder ob dieser etwa – zum Beispiel durch die Schaffung von Bestellmöglichkeiten aus dem Inland oder die Lieferung auch ins Inland – zielgerichtet von der inländischen Erreichbarkeit profitiert und die Beeinträchtigung des Zeicheninhabers dadurch nicht nur unwesentlich ist.

Der BGH hat damit verdeutlicht, dass bei grenzüberschreitenden Markenrechtsverletzungen die Anwendbarkeit deutschen Markenrechts stets eine Einzelfallfrage ist. Im Einzelfall sollte daher Rechtsrat eingeholt werden. (JJB)

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