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Warum sagt das BMJ "Internetabzocke"?

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Das Bundesministerium der Justiz hat am 23.06.2011 folgende Pressemitteilung herausgegeben:

Pressemitteilung: Buttonlösung gegen Internetabzocke kommt – Mehr Verbraucherschutz durch neue EU-Richtlinie

Erscheinungsdatum
23.06.2011

Zur Verbraucherrechterichtlinie und zur darin vorgesehenen Buttonlösung gegen Kostenfallen im Internet erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Die Buttonlösung gegen Internetabzocke kommt. Das Europäische Parlament ist unserem Vorschlag gefolgt und hat sich heute für eine europäische Richtlinie ausgesprochen, die wirksamen Schutz vor Kostenfallen bietet. Mit dem klaren Signal aus Brüssel können wir die Buttonlösung jetzt in Deutschland umsetzen. Heute habe ich meinen Gesetzentwurf in die Schlussabstimmung gegeben, damit das Bundeskabinett schnell entscheiden kann und dann das parlamentarische Verfahren beginnt.

Die Buttonlösung schiebt Kostenfallen im Internet einen wirksamen Riegel vor. Das neue Gesetz stellt sicher, dass nur zahlen muss, wer die Kostenpflicht kennt. Internetanbieter werden verpflichtet, über den genauen Preis zu informieren, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung aufgibt. Verbraucher sind nur zur Zahlung verpflichtet, wenn der Bestellbutton unmissverständlich und gut lesbar auf die Zahlungspflicht hinweist. Unseriösen Geschäftsmodellen wird mit der Neuregelung der Boden entzogen.

Zum Hintergrund:
Immer häufiger verschleiern unseriöse Geschäftemacher die Kosten von Onlineangeboten. Bestimmte Internetleistungen werden beispielsweise als „gratis“ angepriesen, als unverbindliche Gewinnspiele bezeichnet oder als Möglichkeit zum Herunterladen von Freeware getarnt. Erst wenn die Rechnung kommt, folgt das böse Erwachen. Häufig zahlen die Internetnutzer aus Unkenntnis oder weil sie sich durch eine aggressive Verfolgung der vermeintlichen Zahlungsansprüche unter Druck gesetzt fühlen.

Die Buttonlösung schafft Abhilfe. Bei kostenpflichtigen Onlineangeboten müssen Unternehmer künftig den Preis anzeigen und zwar unmittelbar bevor der Verbraucher bestellt. Ein Vertrag kommt nur zustande, wenn die Schaltfläche für die Bestellung unmissverständlich und gut lesbar auf die Zahlungspflicht hinweist. Ist eine Schaltfläche ausnahmsweise nicht vorgesehen, muss der Unternehmer in anderer Weise dafür sorgen, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, sich zu einer Zahlung zu verpflichten.

Das Bundesjustizministerium hat sich intensiv für die Aufnahme einer solchen Buttonlösung in die europäische Verbraucherrechterichtlinie eingesetzt. Weil die Richtlinie den Grundansatz der sog. Vollharmonisierung verfolgt, wäre eine innerstaatliche Buttonlösung ohne die europäische Richtlinie nicht möglich. Eine einheitliche europäische Regelung wird zu einem hohen Wiedererkennungswert führen und schafft die Voraussetzungen dafür, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Rechte besser und selbstbewusster wahrnehmen. Um unnötige Verzögerungen zu verhindern, hat das Bundesjustizministerium jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der diesen Teil der Richtlinie vorab umsetzt.

Die Verbraucherrechterichtlinie wird darüber hinaus die Richtlinien über Haustürgeschäfte und Fernabsatzgeschäfte insgesamt überarbeiten. Ziel des Richtlinienvorschlags ist es, durch eine Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten zu einem ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarktes und zu einem hohen Verbraucherschutzniveau beizutragen. Der Richtlinienvorschlag geht vom Grundsatz der Vollharmonisierung aus, ermöglicht den Mitgliedstaaten jedoch durch Öffnungsklauseln in verschiedenen Bereichen, ein höheres Verbraucherschutzniveau vorzusehen.

Über den wirksamen Schutz vor Kostenfallen im Internet hinaus sieht der Richtlinienvorschlag insbesondere folgende Regelungen vor:

  • Die Frist, innerhalb der Verbraucher im Fernabsatz oder an der Haustür geschlossene Verträge ohne Angabe von Gründen widerrufen können, wird europaweit einheitlich auf 14 Tage festgelegt (bisher nur Vorgabe einer Mindestfrist von 7 Tagen). Informiert der Unternehmer den Verbraucher über das Widerrufsrecht nicht oder unzutreffend, verlängert sich die Widerrufsfrist auf 12 Monate. Da die korrekte Belehrung über das Widerrufsrecht insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung schwierig sein kann, enthält der Richtlinienvorschlag eine Muster-Widerrufsbelehrung.
  • Die Informationen, die der Unternehmer dem Verbraucher vor Abschluss eines Fernabsatzvertrages oder Haustürgeschäftes zu geben hat, werden europaweit vereinheitlicht. Die Informationen sind grundsätzlich in Papierform oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger zu geben oder – bei Fernabsatzverträgen – in dieser Form nach Vertragsschluss zu bestätigen. Für Verträge, die bei einem bestellten Besuch geschlossen werden und sofort durchgeführte Reparaturen oder Wartungsarbeiten betreffen, gelten bis zu einer Schwelle von 200 Euro erleichterte Anforderungen für die Gewährung der Informationen.
  • Verwendet der Unternehmer im Internet Voreinstellungen, die vom Verbraucher abgelehnt werden müssen, um eine Vereinbarung über eine Zusatzleistung – im Falle einer Reise z.B. eine Reiserücktrittsversicherung – zu vermeiden, ist der Verbraucher zur Vergütung der Zusatzleistung nicht verpflichtet.

Der ursprüngliche Vorschlag der Kommission, weitere Verbraucherschutzrichtlinien in die neue Richtlinie einzubeziehen, konnte nicht verwirklicht werden. Die Positionen der Mitgliedstaaten zur inhaltlichen Ausgestaltung und zum Harmonisierungsniveau dieser Bereiche lagen zu weit auseinander.

Heute hat das Europäische Parlament den Richtlinienvorschlag beschlossen. Über die Richtlinie muss jetzt noch der europäische Ministerrat entscheiden. Billigt er den Standpunkt des Europäischen Parlaments, ist das Verfahren abgeschlossen und die Richtlinie damit erlassen. Die Mitgliedstaaten haben danach zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in ihr innerstaatliches Recht umzusetzen.

Die Richtlinie wird bei der Mehrzahl der Online-Unternehmer keine Aufregung verursachen. Sie halten sich sowieso schon an das geltende deutsche Recht, welches diverse Vorschriften für die dargestellten Problemkreise bereit hält. Es werden lediglich ein paar kleinere Änderungen fällig werden, die keinen versierten Onlinehändler aus dem Konzept bringen.

Die Richtlinie tangiert den verbleibenden Rest, der sich bislang nicht um Gesetze gekümmert hat und sich wahrscheinlich genauso wenig um Richtlinien schert. Soweit so langweilig.

Interessant und missbilligenswert finde ich allerdings sowohl die Wortwahl als auch den Stil in der Pressemitteilung.

Ist der Ausdruck „Internetabzocke“ angemessen? Hätte nicht auch der zweite Teil der Überschrift ausgereicht – ohne den reißerischen Aufmacher?

Die Mitteilung liest sich wie die übertriebene Werbung für ein Produkt: Bislang war mein Haar ganz grau, kraftlos und spröde…aber jetzt, dank des neuen Shampoos sehe ich blendend aus. Mein Haar glänzt und ist ganz lang und lockig und flauschig und herrlich. Ich bin so glücklich.

In der Werbung kann man so etwas machen.

In Pressemitteilungen des BMJ beschleicht einen eher das Gefühl, dass dort etwas schön geredet wird. Die Buttonlösung wird als Allheilmittel angepriesen. „Die Buttonlösung schafft Abhilfe.“ Das soll funktionieren, indem Unternehmer bei kostenpflichtigen Angeboten unmittelbar vor der Bestellung des Preis anzeigen und auf die Zahlungspflicht hinweisen müssen. Wer uns eine solche Regelung als bahnbrechend neu und revolutionär verkaufen möchte, der sollte mit Vorsicht beobachtet werden.

Die Regelung ist im Kern nämlich nicht neu. Der Verbraucher muss auch heute schon über Vertragsinhalte aufgeklärt werden und wird gerade durch die Regelungen zu allgemeinen Geschäftsbedingungen weitreichend geschützt. Wer irgendwo verklausuliert im hintersten Eckchen seiner Internetpräsenz die Informationen zu Preisen und Zahlungsverpflichtungen bereit hielt, der konnte sich darauf auch bislang nur schwerlich berufen. (Ausführlicher hierzu eine Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins)

Dem Verbraucher gibt es natürlich Sicherheit, wenn er vor Vertragsschluss nochmals ausdrücklich auf gewisse Vertragsbestandteile hingewiesen werden muss. Die Nutzer werden durch den Button jedoch nicht vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme oder aggressiver Verfolgung geschützt, wie uns die Pressemitteilung Glauben machen möchte. Wer ohne Button ungerechtfertigt Geld gefordert hat, der wird es wohl auch mit Button machen. Der Vorteil ist nur, dass die gerichtliche Durchsetzung von Forderungen deutlich erschwert wird.

Liebes BMJ, hast Du es wirklich nötig, mit reißerischen Überschriften um Ansehen zu werben? Wir sind ja nicht im Wahlkampf (ach so-nein-vertan: nach der Wahl ist ja vor der Wahl). Es ist trotzdem wünschenswert, in den Pressemitteilungen objektiv unterrichtet zu werden. Billige Meinungsmache durch Verwendung von Reizwörtern wie „Internetabzocke“ sollte dem Boulevardjournalismus vorbehalten bleiben. (ro)

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