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Abmahnung ohne Androhung gerichtlicher Schritte = erfolgreicher Kostenwiderspruch in jedem Fall?

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Das Landgericht Hamburg zeigt Nicht-Abmahnern die rote KarteWie wichtig eine ordnungsgemäße Abmahnung vor der Einleitung gerichtlicher Schritte ist, hat jetzt ein Antragsteller in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vom Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 16.11.2010 – 312 O 469/10) erfahren müssen.

Der Anspruchsteller musste, obwohl er mit seinem Verfügungsanspruch voll obsiegt hatte, auf einen Kostenwiderspruch des Beklagten hin die Kosten des Verfahren nach § 93 ZPO tragen, da das Gericht der Ansicht war, dass der Beklagte den Anspruch sofortig anerkannt und auch keinen Anlass zur Klage gegeben habe.

Der Antragsteller hatte dem Antragsgegner persönlich ein Schreiben geschickt, das mit „Rechnung für unangemeldete Verwendung der Markennamens „Y.“ für Seo-Zwecke“ überschrieben worden war. In dem Schreiben wurde ein Markenrechtsverstoß geltend gemacht, eine Lizenzgebühr von vorläufig € 5.000,– und die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung gefordert. Abschließend hieß es: „Weitere Schritte, auch juristische, behalte ich mir gegebenenfalls vor“.

Der Antragsgegner ließ mit einem Anwaltsschreiben antworten. In diesem Schreiben wurden die von dem Antragsteller geltend gemachten Ansprüche zurückgewiesen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, bis zum 6.8.2010 zu erklären, dass er an der Forderung von € 5.000,– nicht festhalte. Für den Fall der Nichteinhaltung der Frist wurde mit dem Anraten zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage gedroht. Weiter hieß es:

„Aus vorbezeichneten Gründen wird unser Mandant selbstverständlich eine Unterlassungsverpflichtungserklärung diesbezüglich nicht abgeben“.

Das Landgericht erließ sodann antragsgemäß eine einstweilige Verfügung, die nach Zustellung vom Antragsgegner umgehend als endgültige Regelung akzeptiert wurde. Der Antragsgegner wehrte sich aber mit dem Argument gegen die Kosten des Verfahrens, dass er dazu nicht Anlass gegeben und den Anspruch sofort anerkannt habe. Das Schreiben des Antragstellers sei keine ordnungsgemäße Abmahnung gewesen, weil es als „Rechnung“ bezeichnet gewesen und die Einleitung eines Gerichtsverfahrens nicht angedroht worden sei.

Das Landgericht Hamburg folgte dieser Ansicht und erlegte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf.

Auf den ersten Blick mag die Entscheidung richtig scheinen. Denn das Landgericht geht zurecht davon aus, dass eine Abmahnung bestimmte Merkmale ausweisen muss, um ordnungsgemäß zu sein. Sie muss den Anspruchsschuldner in die Lage versetzen, den Anspruch außergerichtlich aus der Welt zu schaffen und ihm den Ernst der Lage verdeutlichen, somit gerichtliche Schritte androhen, um wirksam vor einem sofortigen Anerkenntnis nach § 93 ZPO zu schützen.

Dennoch dürfte die Entscheidung aufgrund der speziellen Sachverhaltskonstellation falsch sein. Denn anders, als es das Gericht meint, ist Voraussetzung für die Vermeidung des § 93 ZPO nicht unbedingt das Aussprechen einer Abmahnung. Der Wortlaut des § 93 ZPO ist der Folgende:

„Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.“

Der Kommentierung im Münchener Kommentar zufolge gibt der Beklagte grundsätzlich Anlass zur Klageerhebung, wenn er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders nicht zu seinem Recht kommen. Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes bzw. der Unterlassungsansprüche wird Voraussetzung für die Klageveranlassung natürlich für gewöhnlich eine erfolglose Abmahnung sein. Es gibt aber natürlich auch Ausnahmen, wie zum Beispiel den vorliegenden Fall. Denn unabhängig von der Frage, ob die Abmahnung wirksam war oder nicht, hat das Landgericht hier völlig unbeachtet gelassen, dass der Antragsgegner als Antwort unmissverständlich darauf hingewiesen hatte, dass er „selbstverständlich“ eine Unterlassungsverpflichtungserklärung diesbezüglich nicht abgeben werde.

Auch im allgemeinen Schuldrecht ist anerkannt, dass sogar eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB zwischen Vertragsparteien dann entbehrlich ist, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Eine Mahnung wäre dann bloße Förmelei. Bei einem unfreiwilligen Abmahnschuldverhältnis kann vor dem Hintergrund eines „Erst-recht-Schlusses“ nichts anderes gelten. Im vorliegenden Fall hatte der Antragsgegner auf die „Abmahnung“ des Antragstellers, in der lediglich die Androhung der gerichtlichen Schritte fehlte, aber sonst dem Antragsgegner alles an die Hand gab, den Streit außergerichtlich beizulegen, mitgeteilt, dass er den Unterlassungsanspruch durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung „selbstverständlich“ nicht erfüllen werde. Klarer kann man eine Erfüllung – zumal anwaltlich vertreten – eigentlich nicht verweigern.

Bedauerlich ist hier aber gar nicht so sehr das Ergebnis der Entscheidung, sondern vielmehr der Umstand, dass sich das Landgericht dieser Problematik mit keiner Silbe widmet und die Voraussetzungen des § 93 ZPO auch nicht wirklich prüft.

So kann man es nämlich auf gar keinen Fall machen:

„Der Antragsgegner hat keine Veranlassung zur Einleitung des Verfahrens im Sinne des § 93 ZPO gegeben.
Denn er ist nicht abgemahnt worden.“

Von einer Abmahnung steht im § 93 ZPO nichts. Diese ist, wie oben gezeigt, auch nicht immer erforderlich. Einen solchen Satz müsste sich mal ein Student in der Klausur erlauben. Dann wäre was los.

Es bleibt daher abzuwarten, ob der Beschluss vor dem OLG Hamburg angefochten wurde und ob man sich dort wenigstens die Mühe gemacht hat, den Sachverhalt unter den gesetzlichen Tatbestand zu subsumieren. (la)

(Bild: © Andreas Haertle – Fotolia.com)

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Das Landgericht Hamburg zeigt Nicht-Abmahnern die rote KarteWie wichtig eine ordnungsgemäße Abmahnung vor der Einleitung gerichtlicher Schritte ist, hat jetzt ein Antragsteller in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vom Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 16.11.2010 – 312 O 469/10) erfahren müssen.

Der Anspruchsteller musste, obwohl er mit seinem Verfügungsanspruch voll obsiegt hatte, auf einen Kostenwiderspruch des Beklagten hin die Kosten des Verfahren nach § 93 ZPO tragen, da das Gericht der Ansicht war, dass der Beklagte den Anspruch sofortig anerkannt und auch keinen Anlass zur Klage gegeben habe.

Der Antragsteller hatte dem Antragsgegner persönlich ein Schreiben geschickt, das mit „Rechnung für unangemeldete Verwendung der Markennamens „Y.“ für Seo-Zwecke“ überschrieben worden war. In dem Schreiben wurde ein Markenrechtsverstoß geltend gemacht, eine Lizenzgebühr von vorläufig € 5.000,– und die Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung gefordert. Abschließend hieß es: „Weitere Schritte, auch juristische, behalte ich mir gegebenenfalls vor“.

Der Antragsgegner ließ mit einem Anwaltsschreiben antworten. In diesem Schreiben wurden die von dem Antragsteller geltend gemachten Ansprüche zurückgewiesen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, bis zum 6.8.2010 zu erklären, dass er an der Forderung von € 5.000,– nicht festhalte. Für den Fall der Nichteinhaltung der Frist wurde mit dem Anraten zur Erhebung einer negativen Feststellungsklage gedroht. Weiter hieß es:

„Aus vorbezeichneten Gründen wird unser Mandant selbstverständlich eine Unterlassungsverpflichtungserklärung diesbezüglich nicht abgeben“.

Das Landgericht erließ sodann antragsgemäß eine einstweilige Verfügung, die nach Zustellung vom Antragsgegner umgehend als endgültige Regelung akzeptiert wurde. Der Antragsgegner wehrte sich aber mit dem Argument gegen die Kosten des Verfahrens, dass er dazu nicht Anlass gegeben und den Anspruch sofort anerkannt habe. Das Schreiben des Antragstellers sei keine ordnungsgemäße Abmahnung gewesen, weil es als „Rechnung“ bezeichnet gewesen und die Einleitung eines Gerichtsverfahrens nicht angedroht worden sei.

Das Landgericht Hamburg folgte dieser Ansicht und erlegte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf.

Auf den ersten Blick mag die Entscheidung richtig scheinen. Denn das Landgericht geht zurecht davon aus, dass eine Abmahnung bestimmte Merkmale ausweisen muss, um ordnungsgemäß zu sein. Sie muss den Anspruchsschuldner in die Lage versetzen, den Anspruch außergerichtlich aus der Welt zu schaffen und ihm den Ernst der Lage verdeutlichen, somit gerichtliche Schritte androhen, um wirksam vor einem sofortigen Anerkenntnis nach § 93 ZPO zu schützen.

Dennoch dürfte die Entscheidung aufgrund der speziellen Sachverhaltskonstellation falsch sein. Denn anders, als es das Gericht meint, ist Voraussetzung für die Vermeidung des § 93 ZPO nicht unbedingt das Aussprechen einer Abmahnung. Der Wortlaut des § 93 ZPO ist der Folgende:

„Hat der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben, so fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt.“

Der Kommentierung im Münchener Kommentar zufolge gibt der Beklagte grundsätzlich Anlass zur Klageerhebung, wenn er sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders nicht zu seinem Recht kommen. Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes bzw. der Unterlassungsansprüche wird Voraussetzung für die Klageveranlassung natürlich für gewöhnlich eine erfolglose Abmahnung sein. Es gibt aber natürlich auch Ausnahmen, wie zum Beispiel den vorliegenden Fall. Denn unabhängig von der Frage, ob die Abmahnung wirksam war oder nicht, hat das Landgericht hier völlig unbeachtet gelassen, dass der Antragsgegner als Antwort unmissverständlich darauf hingewiesen hatte, dass er „selbstverständlich“ eine Unterlassungsverpflichtungserklärung diesbezüglich nicht abgeben werde.

Auch im allgemeinen Schuldrecht ist anerkannt, dass sogar eine Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB zwischen Vertragsparteien dann entbehrlich ist, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Eine Mahnung wäre dann bloße Förmelei. Bei einem unfreiwilligen Abmahnschuldverhältnis kann vor dem Hintergrund eines „Erst-recht-Schlusses“ nichts anderes gelten. Im vorliegenden Fall hatte der Antragsgegner auf die „Abmahnung“ des Antragstellers, in der lediglich die Androhung der gerichtlichen Schritte fehlte, aber sonst dem Antragsgegner alles an die Hand gab, den Streit außergerichtlich beizulegen, mitgeteilt, dass er den Unterlassungsanspruch durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung „selbstverständlich“ nicht erfüllen werde. Klarer kann man eine Erfüllung – zumal anwaltlich vertreten – eigentlich nicht verweigern.

Bedauerlich ist hier aber gar nicht so sehr das Ergebnis der Entscheidung, sondern vielmehr der Umstand, dass sich das Landgericht dieser Problematik mit keiner Silbe widmet und die Voraussetzungen des § 93 ZPO auch nicht wirklich prüft.

So kann man es nämlich auf gar keinen Fall machen:

„Der Antragsgegner hat keine Veranlassung zur Einleitung des Verfahrens im Sinne des § 93 ZPO gegeben.
Denn er ist nicht abgemahnt worden.“

Von einer Abmahnung steht im § 93 ZPO nichts. Diese ist, wie oben gezeigt, auch nicht immer erforderlich. Einen solchen Satz müsste sich mal ein Student in der Klausur erlauben. Dann wäre was los.

Es bleibt daher abzuwarten, ob der Beschluss vor dem OLG Hamburg angefochten wurde und ob man sich dort wenigstens die Mühe gemacht hat, den Sachverhalt unter den gesetzlichen Tatbestand zu subsumieren. (la)

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