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DSGVO-Abmahnungen: LG Wiesbaden sagt Nein zu „Abmahnbarkeit“

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Zur „Abmahnbarkeit“ von Verstößen gegen die DSGVO besteht Uneinigkeit.

Es gab bisher drei entgegengesetzte Gerichtsentscheidungen, eine vom LG Würzburg, die eine Durchsetzungsbefugnis von Wettbewerbern gegen Konkurrenten annimmt, eine des LG Bochum, die dies ablehnt und eine vermittelnde Entscheidung des OLG Hamburg, die sagt, „es kommt auf die konkreten Norm an“. Jetzt kommt eine vierte, nämlich des LG Wiesbaden hinzu.

In mehreren Beiträgen hatten wir uns bereits mit der Frage beschäftigt, ob Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) von Wettbewerbern verfolgt werden können oder nicht.

In der Annahme, dass dies möglich sei, wurde von Politik und Medien ein regelrechtes Massenabmahnungs-Horrorszenario entworfen. Die viel beschworene DSGVO-Abmahnwelle ist allerdings bisher ausgeblieben.

Die “Abmahnbarkeit” von DSGVO-Verstößen durch Wettbeweber ist unklar

Das könnte unter anderem auch daran liegen, dass die Rechtslage in Bezug auf die Aktivlegitimation, d.h. mit Hinblick auf die Frage, wer Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung geltend machen kann, bisher nicht eindeutig geklärt ist.

Literatur ist sich nicht einig

Es gibt gewichtige Stimmen, die eine Anspruchsberechtigung der Wettbewerber speziell für die DSGVO verneinen. Denn nach Art. 80 Abs. 2 DSGVO  soll die DSGVO die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die DSGVO abschließend regeln (vgl. Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler UWG § 3a Rn. 1.40a). Andere meinen, dass die DSGVO die Aktivlegitimation nicht abschließend regele,  was daran erkennbar sei, dass die Art. 77 ff. DS-GVO selbst anderweitige Rechtsbehelfe ausdrücklich vorsähen, so zB in Art. 77 I, 78 I, 79 I DS-GVO (Schreiber, GRUR-Prax 2018, 371).

Bisher waren es zwei Gerichtsentscheidungen zum Thema bekannt. Eine “Pro” Abmahnbarkeit und eine “Contra”. Damit stand es zunächst  unentschieden.

LG Bochum meint „Nein“

Bereits im August 2018  hatte sich das Landgericht Bochum (LG Bochum, Urteil v. 7.8.2018, Az. 12 O 85/18) zu dem Streit geäussert und sich der die Aktivlegitimation von Mitbewerbern ablehnende Auffassung von Köhler angeschlossen und einen Antrag auf einstweilige Verfügung eines Konkurrenten mit der Begründung zurückgewiesen, dass die DSGVO die Ansprüche von Mitbewerbern ausschließende, abschließende Regelung enthalte:

LG Würzburg meint „Ja“

Das Landgericht Würzburg hatte vor kurzem eine von einem Mitbewerber beantragte einstweilige Verfügung erlassen, mit der einer Rechtsanwältin unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 oder Ordnungshaft verboten, ihre Homepage unter Verstoß gegen die DSGVO ohne Verschlüsselung und ohne ausreichende Datenschutzerklärung zu betreiben (LG Würzburg, Beschluss v. 13.9.2018, Az. 11 O 1741/18). Dort ist man also offenbar der Auffassung, dass Mitbewerber Verstöße gegen die DSGVO verfolgen können:

OLG Hamburg meint „Es kommt darauf an“

Nun liegt die erste Entscheidung eines Oberlandesgerichts vor. Das Oberlandesgericht Hamburg stellt sich auf einen vermittelnden Standpunkt und meint, dass es  – wie so oft in Rechtsfällen –  darauf ankomme:  Die jeweilige Norm der DSGVO müsse im Einzelfall konkret darauf überprüft werden, ob gerade jene Norm eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat.  Nur dann können Mitbewerber Verstöße dagegen über § 3a UWG  bei Konkurrenten monieren und gerichtlich sanktionieren lassen. Dies ist in der Vergangenheit zum Beispiel für die Nutzung von Daten zu Werbezwecken bejaht worden (OLG Hamburg, Urteil v. 25.10.2018, 3 U 66/17).

Für die Praxis hat diese vermittelnde Auffassung, sollte sie sich durchsetzen, die unerfreuliche Konsequenz,  dass bis zu einem konkreten Fall, der vor Gericht entschieden wird, unklar bleiben wird, ob sich eine bestimmte Norm der DSGVO als Marktverhaltensregeln darstellt oder nicht.

LG Wiesbaden sagt „Nein“

Vor kurzem ist eine Entscheidung des Landgerichts Wiesbaden bekannt geworden, von der die Kanzlei Spirit Legal berichtet, die die Anspruchsbefugnis von Mitbewerbern ablehnt (LG Wiesbaden, Urteil v. 5.11.2018, Az. 5 O 214/18). Das Gericht teilt die von Köhler (bereits oben erwähnt) vertretene Auffassung, dass Durchsetzungsmöglichkeiten der  Regelungen der Datenschutzgrundverordnung  dort abschließend geregelt sind.

Begründet wird dies hauptsächlich mit der unterschiedlichen Schutzzweckbestimmung der DSGVO auf der einen Seite und dem UWG auf der anderen Seite. Die Datenschutzgrundverordnung schütze „die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten“, gewähre damit Individualrechtsschutz, während das UWG gem. § 1 S. 1 UWG dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen diene.

Das Landgericht führt im einzelnen aus:

„Die aufgeworfenen Fragen können deshalb offenbleiben, weil der Verfügungsklägerin als Mitbewerberin nach den §§ 3 Abs. 1, 3a i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG weder anspruchsberechtigt noch klagebefugt ist.

Der Gesetzgeber hat in Kap. 8 (Rechtsbehelfe, Haftung und Sanktionen) der Datenschutzgrundverordnung eingehend geregelt, wie die Datenschutzbestimmungen durchzusetzen sind. Im Mittelpunkt steht dabei die von einem Verstoß „betroffene Person“. Sie kann sich mit einer Beschwerde an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden (Art. 74, 78 DSG VO), die dann ihrerseits tätig wird. Die betroffene Person hat aber auch nach Art. 79 DSG VO selbst das „Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf“, wenn sie der Ansicht ist, dass ihre Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung verletzt worden sind. Die betroffene Person kann nach Art. 82 DSG VO Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens verlangen. Nach Art. 80 Abs. 1 DSG VO ist die betroffene Person ferner berechtigt, „Organisationen“ und „ähnlichen Einrichtungen, die bestimmte Anforderungen erfüllen“ zu beauftragen, in ihrem Namen ihre Rechte unter anderem aus Art. 79 DSG VO wahrzunehmen.

Art. 80 Abs. 2 DSG VO enthält eine so genannte Öffnungsklausel zu Gunsten der Mitgliedstaaten. Sie können vorsehen, dass jede der in Art. 80 Abs. 1 DSG VO genannten „Organisationen“ unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person das Recht hat, deren Rechte aus Art. 77-79 DSG VO in Anspruch zu nehmen, wenn nach ihrer Ansicht deren Rechte verletzt worden sind. Diese Regelung ist nicht unumstritten, weil damit letztlich Dritte über das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen verfügen. Von einer entsprechenden Befugnis der Mitbewerbers des Verletzers, die Rechte der betroffenen Person ohne deren Zustimmung wahrzunehmen, ist in Art. 80 Abs. 2 DSG VO nicht die Rede.

Es wird die Frage diskutiert, ob die Durchsetzungsregelungen der DSG VO eine abschließende unionsrechtliche Regelung darstellen oder ob im jeweils nationalen Recht Erweiterungen zulässig sind. Es geht darum, ob der nationale Gesetzgeber über die Öffnungsklausel des Art. 80 Abs. 2 DSG VO hinaus zusätzliche Durchsetzungsregelungen aufstellen darf. Vor allem wird diskutiert, ob die Gerichte wegen eines Vorrangs des Unionsrechts daran gehindert sind, bestehende Regelungen des deutschen Rechtes anzuwenden, die zusätzliche Rechtsbehelfe gewähren könnten.

Im Rahmen der Anwendung des §§ 3 Buchst. a UWG wird die Ansicht vertreten, die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung seien Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3 Buchst. a UWG und dementsprechend seien auch Mitbewerber des Verletzers nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG berechtigt, gegen Verstöße vorzugehen (vergleiche Wolff ZD 2018,248). Diese Ansicht verkennt, dass § 3 Buchst. a UWG dann nicht anwendbar ist, wenn die betreffende Regelung in der Datenschutzgrundverordnung die Rechtsfolgen eines Verstoßes abschließend regelt, was wiederum durch Auslegung festzustellen ist (vergleiche im Einzelnen Köhler ZD 2018,337 ff.). Eine solche abschließende Regelung gegenüber § 3 Buchst. a UWG stellen, so Köhler und Barth (Köhler ZD 2018,337 ff., Barth WRP 2018,790) die Art. 70 ff. Datenschutzgrundverordnung dar.

Diese Ansicht beruft sich auf den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts, dass Ausnahmeregelungen, wie hier Art. 80 Abs. 2 DSG VO, eng auszulegen sind (ständige Rechtsprechung: EuGH WRP 2015, 1206, Rn. 54) und dementsprechend nicht über den Wortlaut hinaus erweitert werden dürfen. Die Autoren schließen aus dem Umstand, dass der Unionsgesetzgeber nicht schon jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person ohne deren Auftrag einräumt hat, sondern dafür ganz konkrete Anforderungen aufstellt, dass der Unionsgesetzgeber keine Erstreckung dieser Befugnis auf Mitbewerber des Verletzers zulassen wollte. Hätte der Unionsgesetzgeber, so die Autoren, dies gewollt, so hätte es nahegelegen, dass er eine dem Art. 11 Abs. 1 RL 2005/29/EG („einschließlich Mitbewerbern“) entsprechende Durchsetzungsregelungen eingeführt hätte.

Köhler unterstreicht diese Argumentation durch die Herausarbeitung der unterschiedlichen Schutzzweckbestimmung der DSGVO auf der einen Seite und dem UWG auf der anderen Seite. Die Datenschutzgrundverordnung schützt „die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten“, insoweit wird auf Art. 1 Abs. 2 DSG VO Bezug genommen. Damit bringe die Datenschutzgrundverordnung klar zum Ausdruck, dass es um den Individualschutz der Betroffenen geht, vergleichbar dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nach den §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB analog. Demgegenüber stehe die Konzeption des UWG. Dieses Gesetz dient „dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen“, insoweit wird auf § 1 S. 1 UWG Bezug genommen.

Die gesetzliche Konzeption der Datenschutzgrundverordnung hat mit der dargestellten Regelung in Kap. VIII primär die Rechtsdurchsetzung bei den Aufsichtsbehörden angesiedelt, während § 8-10 UWG die Durchsetzung des Lauterkeitsrecht vollständig der privaten Initiative überlässt. Daraus folgt, dass einem Mitbewerber nach den §§ 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG die Klagebefugnis fehlt. Diese vornehmlich in der Literatur vertretene Ansicht findet ihre Bestätigung in der Entscheidung des Landgerichtes Bochum (Landgericht Bochum (12. Zivilkammer), Teil-Versäumnis- und Schlussurteil vom 7.8.2018-1-12 0 85 / 18 zitiert nach Beck RS 2018,25219). Das Landgericht Bochum hat ausgeführt, dass dem Verfügungskläger eine Klagebefugnis nicht zusteht, weil die Datenschutzgrundverordnung in den Artikeln 77-84 eine die Ansprüche von Mitbewerbern abschließende und ausschließende Regelung enthält.

Das Landgericht Bochum hat sich der Ansicht von Köhler mit dem Argument angeschlossen, dass die Datenschutzgrundverordnung eine detaillierte Regelung des anspruchsberechtigten Personenkreises enthält. Danach steht nicht jedem Verband ein Recht zur Wahrnehmung der Rechte einer betroffenen Person zu, sondern nur bestimmten Einrichtungen, Organisationen und Vereinigungen ohne Gewinnerzielungsabsicht unter weiteren Voraussetzungen. Hieraus sei zu schließen, dass der Uniongesetzgeber eine Erstreckung auf Mitbewerber des Verletzers nicht zulassen wollte. Diese Ansicht überzeugt, da es keine Rechtsschutzlücke besteht. Vor dem Hintergrund, dass keine Rechtsschutzlücke im Bereich der Datenschutzgrundverordnung besteht, muss sie auch nicht durch eine Anwendung des §§ 3 Buchst. a UWG geschlossen werden.

An diese Überlegungen knüpft die Bundesratsinitiative des Freistaats Bayern an, wonach zur Anpassung zivilrechtlicher Vorschriften an die Datenschutzgrundverordnung ein Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht worden ist (Bundesratsdrucksache 304/18 vom 26.6.2018) woraus sich ableiten lässt, dass eine Klagebefugnis eines angeblichen Mitbewerbers ausscheiden soll, da ihm bereits eine Abmahnungsmöglichkeit verwehrt wird.

Es ist streitig, ob die fehlende Anspruchsberechtigung und fehlende Klagebefugnis zur Abweisung der Klage als unzulässig oder als unbegründet führt, doch handelt es sich bei der Anspruchsberechtigung um eine Frage der Aktivlegitimation und damit um eine Prüfung im Rahmen der Begründetheit der Klage, so dass die Klage auf Erlass einer einstweiligen Verfügung als unbegründet abzuweisen war.“

Abmahnwelle wird ausbleiben

Wir gehen davon aus, dass sich die vermittelnde Ansicht des OLG Hamburg letztendlich durchsetzen wird. Daher kann in Bezug auf DSGVO-Abmahnungen zwar grundsätzlich keine Entwarnung gegeben werden, es steht aber auch fest, dass eine Abmahnwelle vor allem wegen DSGVO-Petitessen ausbleiben wird.

Auf einem anderen Blatt steht, ob sich die konkret betroffene natürliche Person gegen ein bestimmtes Verhalten zur Wehr setzen kann, das ihr eigenes Datenschutzrecht und somit auch ihr Persönlichkeitsrecht verletzt. Juristische Personen scheiden aber auch diesbezüglich als Anspruchsteller von vornherein aus.

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