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Focus Markenrecht
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Vertragsstrafe in Höhe von 53 Millionen Euro?

Der Bundesgerichtshof hatte im Juli 2008 über die Angemessenheit einer außerordentlich hohen Vertragsstrafe zu entscheiden (BGH, Urteil v. 17.07.2008, I ZR 168/05). In dem zugrundeliegenden Fall hatten die Parteien ein Vertragsstrafeversprechen vereinbart, wonach sich der Unterlassungsschuldner verpflichtete es zu unterlassen, Wärmekissen herzustellen oder zu verbreiten. Eine Ausnahme sah die Vereinbarung für den Restbestand vor, der in einem genau festgelegten Zeitraum verkauft werden durften. Für den Fall einer Zuwiderhandlung wurde eine Vertragsstrafe in Höhe von 7.669,39 EUR bestimmt.

Die Unterlassungsgläubiger stellten daraufhin 7.000 Verstöße gegen diese Vertragsstrafenvereinbarung fest; die Gegenseite hatte entgegen der Bestimmung 7.000 Wärmekissen verkauft. Der Unterlassungsgläubiger forderte daraufhin folgerichtig – wie in dem Vertragsstrafeversprechen vorgesehen – eine Vertragsstrafe in Höhe von über 53 Millionen EUR.

Gegen diese Forderung wehrte sich erwartungsgemäß der Unterlassungsschuldner. Eines seiner Argumente war, dass es sich vorliegend nur um einen einzigen Verstoß handele.

Der Bundesgerichtshof stellte diesbezüglich zunächst klar,

dass zwar grundsätzlich auch eine Mehrzahl von Verstößen gegen eine Unterlassungsverpflichtung zu einer natürlichen Handlung oder einer Handlung im Rechtssinne zusammengefasst werden könne. Entscheidend für die Frage, ob mehrere Verstöße als eine einzige Zuwiderhandlung zu behandeln sind oder jeder einzelne Verstoß die Vertragsstrafe auslöst und deshalb eine Aufsummierung der Vertragsstrafen vorzunehmen ist, ist aber die Auslegung der Vertragsstrafevereinbarung„.

Im vorliegenden Fall hatten die Parteien ausdrücklich eine Vertragsstrafe für jedes angebotene, verkaufte oder verbreitete Produkt vereinbart. So kam der Bundesgerichtshof selbst zu dem Schluss, dass aufgrund der 7.000 Verstöße eine Vertragsstrafe von mehr als 53 Millionen EUR verwirkt sei.

Das oberste Gerichte hat dann jedoch entsprechend des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB diese Forderung als unangemessen hoch eingestuft und insofern entschieden, dass die Vertragsstrafe auf einen Betrag herabzusetzen ist, der jedenfalls 200.000 EUR nicht übersteigt.

Das Besondere an diesem Fall ist, dass der Bundesgerichthof sich hierbei über die handelsrechtlichen Vorschriften und die damit einhergehenden Besonderheiten bei einem Handelsgeschäft hinweggesetzt hat. Gemäß § 343 BGB in Verbindung mit § 348 HGB ist nämlich die Herabsetzung einer Vertragsstrafe wegen unverhältnismäßiger Höhe bei Kaufleuten ausgeschlossen. Diese wüssten schließlich was sie im Hinblick auf ihr Handelsgewerbe tun bzw. erklären.

Dennoch hat der Bundesgerichtshof diesen Fall klar als Sonderfall herausgestellt, insbesondere aufgrund des krassen Missverhältnisses der Vertragsstrafenforderung zu der Bedeutung der Zuwiderhandlungen. Hinsichtlich der Angemessenheit einer Vertragsstrafe ist laut Bundesgerichtshof auf den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe, Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung und ihre Gefährlichkeit für den Gläubiger sowie auf das Verschulden abzustellen.

Fest steht auch nach diesem Urteil, dass eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung – gerade im geschäftlichen Bereich – tunlichst eingehalten werden sollte; denn auch eine Vertragsstrafe in Höhe von 200.000 EUR schmerzt zweifellos sehr (nh).

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