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Wenn „durchgeknallte“ Äußerungen von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt sind

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In einem aktuellen Beschluss setzte sich das Bundesverfassungsgericht zum wiederholten Male mit der Zulässigkeit der Bezeichnung einer Person als „durchgeknallt“ auseinander (BVerfG, Beschluss v. 11.12.2013, Az. 1 BvR 194/13). Streitgegenständlich war ein Beitrag eines BILD-Kolumnisten in Bezug auf eine Ex-Politikerin aus Bayern, der in den folgenden Sätzen gipfelte:

„Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.

Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.“

Nachdem die Betroffene mit ihrem entsprechenden Unterlassungsbegehren in der Berufungsinstanz abgewiesen wurde, reichte sie nunmehr – mit Erfolg – eine Verfassungsbeschwerde ein.

Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts habe das Berufungsgericht – soweit es die Äußerung, die Beschwerdeführerin sei eine „durchgeknallte Frau“, für zulässig erachtet hat – das Ausmaß der damit einhergehenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin nicht hinreichend erfasst und die sich gegenüberstehenden Positionen in Ansehung des konkreten Einzelfalls nicht in ein angemessenes Verhältnis gebracht.

In seiner Entscheidung bestätigt das Bundesverfassungsgericht zwar die Einordnung der streitigen Äußerung als Meinungsäußerung, beanstandet jedoch, dass das Berufungsgericht bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin ein zu schwaches Gewicht beigemessen habe:

„Wenn die Beschwerdeführerin von der Beklagten die Unterlassung der Äußerung „Frau Dr. P. ist eine durchgeknallte Frau“ beantragt, so wendet sie sich gegen diese Äußerung als Zusammenfassung des vorangegangenen Absatzes […]. Durch das Wort „durchgeknallt“ wird dieser Absatz zusammengefasst. Das Wort „durchgeknallt“ hat hier somit eine grundlegend andere Bedeutung als in dem von dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall „durchgeknallter Staatsanwalt“ (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2009 – 1 BvR 2272/04 -, NJW 2009, S. 3016). Eine schlichte Übertragung der verfassungsrechtlichen Beurteilung jenes Falls auf den vorliegenden Fall durch den formalen Verweis auf die in beiden Fällen gefallene Bezeichnung einer Person als „durchgeknallt“ scheidet so von vorneherein aus.

Das Oberlandesgericht übersieht die persönliche Ehre als in Art. 5 Abs. 2 GG ausdrücklich genannte Schranke, die auf zivilrechtlichem Gebiet durch die §§ 823 ff. BGB gesetzlich normiert ist (vgl. BVerfGE 33, 1 ). Die Beklagte verschiebt mit ihrem Text die öffentliche Auseinandersetzung um die Person der Beschwerdeführerin in dem inkriminierten Absatz hin zu rein spekulativen Behauptungen über den Kern ihrer Persönlichkeit als Privatperson. Sie stützt diese auf Beurteilungen, die thematisch den innersten Intimbereich betreffen, ohne dass diese Spekulationen irgendeinen Tatsachenkern hätten. Sie knüpft zwar an das Verhalten der Beschwerdeführerin an, die für ein Gesellschaftsmagazin posierte und eine Serie von Fotos von sich fertigen ließ, weswegen sich die Beschwerdeführerin eine Auseinandersetzung hiermit auch gefallen lassen muss. Die von der Beklagten hieraus gezogenen Folgerungen, die sie mit den Worten „durchgeknallte Frau“ zusammenfasst, haben jedoch als solche keinerlei Anknüpfungspunkt in dem Verhalten der Beschwerdeführerin. Die Beklagte zielt hier vielmehr bewusst darauf, die Beschwerdeführerin nicht nur als öffentliche Person und wegen ihres Verhaltens zu diskreditieren, sondern ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsanspruch gerade schon als private Person abzusprechen.“

Angesichts dieser Umstände könne sich die Meinungsfreiheit nicht durchsetzen.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich streitgegenständlich um einen bewusst geschriebenen und als Verletzung gewollten Text handele, der nicht Ausdruck einer spontanen Äußerung im Zusammenhang einer emotionalen Auseinandersetzung sei, wie es in dem von dem Bundesverfassungsgericht entschiedenen, vorstehend erwähnten Fall „durchgeknallter Staatsanwalt“ der Fall gewesen sei. Auch bleibe es der Beklagten unbenommen, sich – auch zugespitzt und polemisch – zu dem Verhalten der Beschwerdeführerin zu äußern. Die in den Intimbereich übergreifende Verächtlichmachung der Beschwerdeführerin durch die fragliche Beschreibung sei jedoch mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin nicht mehr vereinbar.

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