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Jens Lehmann vs. Tim Wiese – Torhüter und ihr Persönlichkeitsrecht

Ein Frosch ohne Humor ist nur ein kleiner grüner Haufen

Ein Torwart darf grundsätzlich immer ein bisschen verrückter sein, als die übrigen Feldspieler. Illustre Namen haben dies immer wieder bewiesen. Zu denken ist beispielsweise an Toni Schumacher, Uli Stein oder natürlich Oliver Kahn.

Aktuell fechten zwei dieser „verrückten“ Torhüter eine Fehde außerhalb des Fußballplatzes aus. Es geht um eine Äußerung von Tim Wiese, welche Herrn Lehmann nach dessen Vorbringen schwerwiegend in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzt hat.

Heute, am 7. April sollte der Rechtsstreit zwischen den beiden Torhütern vor der 8. Zivilkammer des Landgerichts München II verhandelt werden. Aufgrund einer anderweitigen Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten von Herrn Lehmann wurde dieser „Showdown unter Torhütern“ nunmehr auf den 14. Juli verlegt.  Seinen Ursprung hatte der Streit auf dem Fussballplatz. Tim Wiese spielte für seinen Verein Werder Bremen am 14. September 2010 in der Champions-League gegen Tottenham Hotspurs. Nach dem Spiel kritisierte Herr Lehmann – in seiner Rolle als „Experte“ für den übertragenden Fernsehsender Sky – Tim Wiese in Bezug auf sein Verhalten bei einem Gegentor. Bereits zuvor hatte sich Herr Lehmann mehrmals kritisch über die Leistungen von Tim Wiese geäußert, insbesondere hinsichtlich der Frage der Nominierung als Nationaltorwart.

Tim Wiese konterte über eine Boulevard-Zeitung. Er ist bekannt für manch deftige Aussage, diesem Stil blieb er treu:

«Der Lehmann soll in die Muppet-Show gehen. Der Mann gehört auf die Couch. Vielleicht wird ihm da geholfen. Einweisen – am besten in die Geschlossene!»

Wumms. Das hat gesessen. Davon muss man zumindest ausgehen, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass Herr Lehmann nun wegen einer schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung einen so genannten Geldentschädigungsanspruch gerichtlich geltend macht.

Bei diesem von den Medien irrtümlich als „Schmerzensgeldanspruch“ titulierten Geldentschädigungsanspruch handelt es sich um einen von der Rechtsprechung entwickelten Anspruch zum Ausgleich eines immateriellen Schadens bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Ein solcher immaterieller Schaden ist nach den Vorgaben in § 253 Abs. 1 BGB grundsätzlich nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen zu ersetzen. Eine gesetzliche Bestimmung, welche einen immateriellen Schadensersatz bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorsieht, gibt es aber schlicht und einfach nicht, insbesondere nicht in der dafür vorgesehenen Regelung des § 253 Abs. 2 BGB.

Um diese gesetzliche Regelungslücke zu füllen und die Interessen der Betroffenen von tatsächlich schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu wahren, sprang eines Tages der Bundesgerichtshof in die Bresche und entschied in der bekannten Herrenreiter-Entscheidung, dass demjenigen, der infolge einer Persönlichkeitsrechtsverletzung einen immateriellen Schaden erleidet, ein Geldentschädigungsanspruch zusteht (BGH, NJW 1958, 827). So war der Geldentschädigungsanspruch geboren, welcher heute als eigenständiger, vom Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs.2 BGB losgelöster und auf § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gestützter Rechtsbehelf anerkannt ist.

Genau auf diesen Anspruch stützt Herr Lehmann aktuell sein rechtliches Vorgehen gegen Tim Wiese .

Die Essenz der Herrenreiter-Entscheidung des Bundesgerichtshofes wurde später noch einmal durch das Bundesverfassungsgericht auf den Punkt gebracht. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass es einen solchen Geldentschädigungsanspruch wegen eines immateriellen Schadens geben müsse, weil ansonsten „Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben, mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde“ (BVErfG, NJW 2000, 2187, 2188).

Es geht im vorliegenden Fall übertragen ausgedrückt also um die Würde und Ehre des Herrn Lehmann, der gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt, damit der Rechtsschutz seiner Persönlichkeit nicht verkümmert. Oder besser gesagt, um eine nachträgliche Genugtuung für die verletzte Ehre des Herrn Lehmann. Dem Geldentschädigungsanspruch kommt nämlich nach den Vorgaben der Rechtsprechung eine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion zu, wobei anders als beim klassischen Schmerzensgeldanspruch die Genugtuungsfunktion überwiegt (BGH, NJW 1997, 1148, 1150).

Kommen wir nun zum Knackpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen Herrn Lehmann und Tim Wiese. Ein Geldentschädigungsanspruch ist nämlich nicht in jedem Fall einer rechtswidrigen Persönlichkeitsrechtsverletzung gegeben. Es muss sich vielmehr um eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung handeln, wie sie streitgegenständlich zumindest von Herrn Lehmann auch empfunden wird. Eine solche schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung ist beispielsweise bei der Verletzung der Intimsphäre (z. B. durch die unberechtigte Verbreitung von Nacktfotos einer Person, OLG Oldenburg, NJW 1989, 400) oder bei einer unzutreffenden Darstellung einer Person als Straftäter (OLG Karlsruhe, NJW-RR 1995, 477f.) gegeben.

Teilweise genügt aber auch bereits eine Schmähkritik, um einen Geldentschädigungsanspruch zu begründen. Eine Schmähkritik ist immer dann gegeben, wenn die Absicht zu verletzen und die Würde des Betroffenen in ihrem Kern zu treffen offenkundig ist. Die Diffamierung der Person muss im Vordergrund stehen und stärker sein, als die Absicht seine Meinung im Sachzusammenhang zu äußern (vgl. BVerfG, NJW 1993, 1462). Der Begriff der Schmähkritik wurde ebenfalls vom BGH in seiner Höllenfeuer-Entscheidung geschaffen (BGH NJW 1966, 1617, 1619). Schmähkritik allein begründet aber noch keinen Geldentschädigungsanspruch, Resultat der Schmähkritik muss wie festgestellt gerade eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung sein.

Das Gericht wird insofern entscheiden müssen, ob es sich bei der Aussage von Tim Wise um eine Schmähkritik in der Form handelt, dass sie einen Geldentschädigungsanspruch von Herrn Lehmann begründet, weil sie diesen schwerwiegend in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt.

Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise in einem Fall einer Schmähkritik einen Geldentschädigungsanspruch zugesprochen, in welchem die Aussage zu beurteilen war, eine Fernsehsprecherin sehe aus wie eine „ausgemolkene Ziege“ und bei ihrem Anblick werde den Zuschauern „die Milch sauer“ (BGH, NJW 1963, 902). Presserecht hat teilweise durchaus amüsante Nuancen.

Eine ganz andere Frage ist dann die Höhe des Geldentschädigungsanspruchs. Herr Lehmann beziffert den von ihm vorgetragenen Anspruch in Höhe von 20.000 €. Grundsätzlich legt das Gericht die Höhe der Geldentschädigung gemäß § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO nach seiner freien Überzeugung fest. Dabei sind verschiedene Bemessungskriterien wie die Eingriffsintensität, der Grad des Verschuldens, das Präventionsbedürfnis oder der Verbreitungsgrad zu berücksichtigen.

Es gibt viele Gerichtsentscheidungen zur Höhe der zu zahlenden Geldentschädigungen, mit teilweise überraschenden Ergebnissen. Darüber werden wir gerne ein anderes Mal berichten. Es bleibt spannend. (ha)

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