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Alle XING-Profile sind rechtswidrig – meint das LG Stuttgart

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xingabmahnungErst Anfang Juli 2014 hatten wir von einer Entscheidung des Landgerichts München I (LG München I, Urteil v. 3.6.2014, Az. 33 O 4149/14) berichtet.

LG München I: Impressumsverstoß bei XING ist Bagatelle

Damit hatte das Gericht einen der zahlreichen Verfügungsanträge des Rechtsanwalts Michael Winter zurückgewiesen, der insbesondere einige im Social Media-Recht tätige Rechtsanwälten mit Impressumsabmahnungen öffentlich vorführen wollte. Der Versuch vor dem Landgericht München I hatte keinen Erfolg.

Dies allerdings nicht, weil die angerufene Kammer den Antrag für unzulässig oder nicht eilbedürftig erachtete. Das Landgericht ging auch grundsätzlich davon aus, dass es sich bei einem XING-Profil um einen Telemediendienst im Sinne des § 5 TMG handelt, der ein Impressum benötigt.

Die Kammer vertrat allerdings  – zu Unrecht (wir berichteten) – die Auffassung, dass der Verstoß gegen die Impressumspflicht nicht über das Wettbewerbsrecht von Mitbewerbern zu verfolgen sei, da es sich im konkreten Fall um einen nicht spürbaren Rechtsverstoß und somit wettbewerbsrechtlich um eine Bagatelle handele.

LG Stuttgart: Gestaltung bei XING „abmahnfähig“

Die Rechtsanwälte Weiß und Partner berichten aktuell über eine gegenläufige Entscheidung des Landgerichts Stuttgart (LG Stuttgart, Urteil v. 27.06.2014, Az. 11 O 51/14), das zwischenzeitlich im Rahmen einer negativen Feststellungsklage nicht nur entschieden hat, dass ein Impressumsverstoß auf XING keine Bagatelle darstellt, sondern auch, dass die Darstellungsweise des Impressums bei XING momentan nicht ausreicht, um der Impressumspflicht gerecht zu werden. Das Impressum auf XING ist zurzeit nur durch einen in kleiner Schrift gehaltenen Link erreichbar, der sich am unteren Ende des Browserfensters befindet und erst durch Scrollen erreichbar ist:

xingimpressum

Das Gericht erachtet diese Gestaltung als unzureichend. Das Landgericht Stuttgart führt dazu wörtlich aus:

Nicht ausreichend ist, dass diese Angaben in dem Impressum auf der Internetseite der Kanzlei „„.“, der der Kläger angehört, enthalten sind, das vom XING-Profil des Klägers aufgerufen werden kann, indem man zunächst auf den dort vorhandenen Link „Impressum von . „“ klickt, woraufhin sich das Fenster „Impressum von „.“ öffnet, in dem sich der weitere Link http://„.de.de/30/impressum.html befindet, bei dessen Anklicken das Impressum auf der Internetseite der Kanzlei „„. Rechtsanwälte“ angezeigt wird, das nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers alle erforderlichen Angaben für den Kläger enthält, also auch diejenigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 und 6 TMG. Denn diese Form der Verfügbarkeit der erforderlichen Angaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 und 6 TMG ist nicht „leicht erkennbar“ i. S. v. § 5 Abs. 1 TMG.

Zwar kann die Erreichbarkeit einer Anbieterkennzeichnung über zwei Links, die nacheinander aufgerufen werden können, den Anforderungen einer „leichten Erkennbarkeit“ im Sinne von § 5 Abs. 1 TMG genügen. Voraussetzung ist jedoch, dass (1.) die jeweiligen Links, die zu der Seite mit der Anbieterkennzeichnung führen, für sich genommen leicht erkennbar, also effektiv optisch wahrnehmbar sind und dass sie (2.) so eindeutig gekennzeichnet sind, dass die angesprochenen Adressaten ohne weiteres erkennen können, dass über diese Links die gesetzlich vorgeschriebene Anbieterkennzeichnung gemäß § 5 TMG erreicht werden kann. So reicht es z. B. aus, dass die jeweiligen Links mit den Begriffen „Kontakt“ oder „Impressum“ bezeichnet sind, da den durchschnittlich informierten Nutzern des Internets mittlerweile bekannt ist, dass mit den Begriffen „Kontakt“ und „Impressum“ regelmäßig Links bezeichnet werden, über die der Benutzer zu einer Internetseite mit den Angaben zur Anbieterkennzeichnung gelangt (BGH, Urt. v. 20.07.2006, 1 ZR 228/03 – Anbieterkennzeichnung im Internet, juris Rn. 20).

Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn der erste Link, der zum Erreichen des Impressums auf der Seite der Kanzlei „„. Rechtsanwälte“ angeklickt werden muss, ist zwar für sich genommen hinreichend deutlich bezeichnet („Impressum von .„“). Er ist jedoch so gestaltet, dass er nicht effektiv optisch wahrnehmbar und daher nicht leicht erkennbar ist. Der Link befindet sich ausweislich der Anlage 11 0 101/14, AG 6, am unteren rechten Rand des Profils. Dieser Bereich kann nur durch ein Hinunter-Scrollen erreicht werden. Er ist in sehr kleiner Schriftgröße gehalten, die deutlich hinter den Schriftgrößen der übrigen Text-Passagen des Profils zurückbleibt. Er befindet sich außerdem außerhalb des eigentlichen Textblocks und somit in einem Bereich, dem der Durchschnittsleser keine besondere Aufmerksamkeit mehr schenkt. Er ist daher insgesamt so unauffällig gestaltet, dass er auch von einem Leser mit durchschnittlicher Aufmerksamkeit leicht übersehen wird. Von einer effektiven optischen Wahrnehmbarkeit kann daher keine Rede sein. Die Anforderungen der leichten Erkennbarkeit der Anbieterkennzeichnung sind daher nicht erfüllt. ee) Es liegt somit ein Erstverstoß gegen § 4 Nr. 11 DWG i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 5 und 6 TMG vor. Sonstige Verstöße gegen § 5 TMG (i. V. m. § 4 Nr. 11 UWG) sind nicht ersichtlich.

Dieser Verstoß ist spürbar i. S. v. § 3 UWG.“

Praxistipp:

Viele werden sich jetzt vielleicht fragen, wie es möglich sein kann, dass ein Landgericht, nämlich das Landgericht München I bereits die „Abmahnfähigkeit“ eines Impressumsverstoßes auf der XING-Plattfrom verneint während kurze Zeit später das Landgericht Stuttgart in der nahezu identischen Frage zu einem gegenläufigen Ergebnis kommt; nicht nur, dass XING-Nutzer wegen eines fehlerhaften Impressums abgemahnt werden können, sondern sogar, dass die konkrete Gestaltung den Vorgaben nicht gerecht wird.

Vor dem Hintergrund, dass sich im Internet begangene Rechtsverletzungen typischerweise deutschlandweit auswirken, kann der Gläubiger eines vermeintlichen Unterlassungsanspruchs ein Gericht an einem beliebigen Standort anrufen. Da jeder Richter in seiner Entscheidung unabhängig ist, entsteht so die Gefahr divergierender Entscheidungen. Die Tatsache, dass die Gläubiger ähnlicher Unterlassungsansprüche nicht irgendein, sondern das Gericht anrufen werden, welches am ehesten ihrer Rechtsauffassung folgt, führt dazu, dass die strengere Entscheidung (vorbehaltlich einer Korrektur durch höhere Gerichte) nun zum Maß der Dinge und die weniger strenge Entscheidung praktisch bedeutungslos wird. Bereits aus praktischen Erwägungen ist es daher ratsam, zukünftiges Verhalten stets an der strengeren Entscheidung auszurichten.

Eine Überprüfung am heutigen Tage hat ergeben, dass XING bisher noch nicht reagiert hat und der Impressumslink nach wie vor erst nach Scrollen am unteren Ende des Fensters sichtbar wird. Für die XING-Nutzer bedeutet dies, dass sie, um ganz sicher zu gehen, ihr Profil abstellen müssten. Da der Fehler einigen leichten Handgriffen zu beheben sein wird, gehen wir davon aus, dass XING nun schnell handelt und die Seitengestaltung anpasst.

Ich persönlich gehe das Risiko ein, werde mein Profil nicht abschalten und hoffe auf eine schnelle Änderung der Gestaltung. (la)

UPDATE 25.7.2014:

Wie der Kollegen Dr. Carsten Ulbricht am 25.7.2014 mitteilt, geht das Urteil auf eine von ihm angestrengte Feststellungsklage zurück. Er kritisiert das Urteil verständlicherweise scharf und hat vor dem Hintergrund, dass nunmehr feststehen dürfte, dass alle (professionellen) XING-Profile rechtswidrig und abmahngefärdet sind den gesamten Vorgang #Xinggate getauft. Er ist laut eigenen Angaben gegen das Urteil bereits in die Berufung zum OLG Stuttgart gegangen. Einzelheiten sind seinem Artikel „#XINGGATE: Alle XING Impressen abmahnfähig ?! Das vollständige Urteil des LG Stuttgart (Az. 11 O 51/14) und Bericht aus der Verhandlung“ zu entnehmen.

Wir haben die Entscheidung zum Anlass genommen, eine offizielle Anfrage bei XING zu stellen. Denn dort hat man auf die Entscheidung noch nicht reagiert und die die Gestaltung der Impressumshinweise noch nicht geändert, obwohl dies eine Sache von Minuten wäre. Wir halten es offen gestanden für bedenklich, ein über einen Monat zurückliegendes Urteil einfach zu ignorieren und so tausende Nutzer und damit unter anderem zahlende Kunden im Regen stehen zu lassen. Vielleicht ist man sich dort auch der Tatsache nicht bewusst, dass durchaus Regressansprüche in Betracht kommen, sollten weitere Nutzer wegen der unzureichenden Angaben abgemahnt werden. (la)

UPDATE 26.7.2014:

XING teilt im hauseigenem Blog mit, dass man die Gestaltung der Impressumsangaben nun anhand der Vorgaben aus Stuttgart verbessern wolle. Es geht doch! Wie sagt Kollege Diercks in seinem Blogartikel so schön?: „Anbieterkennzeichnung? No Rocket Science.“.

UPDATE 6.11.2014:

Rechtsanwalt Winter hat die Berufung gegen das Urteil des Landgericht München I (LG München I, Urteil v. 3.6.2014, Az. 33 O 4149/14) zurückgenommen. Allerdings nicht, weil das OLG eine im Person bei Kriegen ablehnen würde, sondern aufgrund einer Gesamtschau des Verhaltens des Herrn Winter bei der Verdacht eines rechtsmissbräuchlichen Vorgehens nahe lag.

UPDATE 20.11.2014:

Das OLG Stuttgart ist offenbar anderer Auffassung, als das Landgericht Stuttgart. Der Kollege Carsten Ulbricht hatte gegen das genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart im Rahmen der von ihm erhobenen negativen Feststellungsklage Berufung eingelegt.

Er berichtet heute  in seinem Blog von der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht (Az. 2 U 95/14). Der Senat hat den Angaben des Kollegen zufolge in der mündlichen Verhandlung deutlich gemacht, dass es den vom Kollegen Winter geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus mehreren Aspekten für nicht gegeben erachtet. Der in der Konstellation der negativen Feststellungsklage Beklagte Rechtsanwalt Winter erkannte die Klage nach diesen Hinweisen an. Details dazu bei Carsten Ulbricht.

Die Abmahnwelle des Herrn Winter dürfte daher nun langsam „abebben“. Die Unsicherheit bleibt allerdings. Denn anders als das OLG Stuttgart zweifelte das OLG München nicht daran, dass ein XING-Profil grundsätzlich gemäß §5TMG impressumspflichtig sei.

 

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