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Die Folgen der "Framing"-Entscheidung des EuGH: Es bleibt die Störerhaftung

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rahmenÜber die „Framing“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.10.2014 (EuGH, Beschluss v. 24.10.2014, Az. C-348/13) wurde bereits ausgiebig berichtet.

Im Rahmen seines Beschlusses musste der EuGH bekanntlich zu einer Vorlage des BGH Stellung nehmen, die sich mit der Frage befasste, ob das so genannte Framing, also die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt.

Konkret gegenständlich war die Einbettung eines YouTube-Videos auf der Seite des Konkurrenten des Urheberrechtsinhabers.

Viele fachlich qualifizierte Kollegen, darunter auch ein Kollege unserer Kanzlei, haben zu der Entscheidung Stellung genommen:

Während alle zitierten Kollegen die Folgen der EuGH-Entscheidung wohl zutreffend einschätzen, nämlich, dass die Handlung, mittels Framing auf einen an anderer Stelle bereits öffentlich zugänglich gemachten Inhalt zu verweisen, keine urheberrechtlich relevante Handlung darstellt, weist der Kollege Stadler im Rahmen eines Updates in seinem Beitrag als Einziger auf einen jedenfalls auf den ersten Blick bestehenden Widerspruch in der EuGH-Entscheidung hin.

War das Ursprungsvideo mit oder ohne Zustimmung des Rechteinhabers veröffentlicht?

In der Beschreibung des Ausgangsverfahrens und der Vorlagefrage wird vom EuGH darauf hingewiesen, dass der streitgegenständliche Film auf der Videoplattform YouTube ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers eingestellt worden sei. In den Ausführungen zur Vorlagefrage erweckt der EuGH demgegenüber den Eindruck, als würde er über eine Konstellation entscheiden, in der das betreffende urheberrechtlich geschützte Objekt vom Berechtigten selbst bereits öffentlich zugänglich gemacht wurde.

In den Randnummern 15 und 16 der Entscheidung führt der EuGH aus:

 (…) Was speziell die Fallgestaltung betrifft, bei der ein Dritter auf einer Website ein geschütztes Werk, das bereits auf einer anderen Website frei öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines Internetlinks einstellt, hat der Gerichtshof in Rn. 24 des Urteils Svensson u. a. (C-466/12, EU:C:2014:76) entschieden, dass eine solche Wiedergabehandlung, da sie sich desselben technischen Verfahrens bedient, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf einer anderen Website verwendet wurde, nur dann als “öffentliche Wiedergabe” im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001129 einzustufen ist, wenn die Handlung gegenüber einem neuen Publikum erfolgt.

Ist dies nicht der Fall, insbesondere weil das Werk bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich ist, kann die betreffende Handlung nicht als “öffentliche Wiedergabe” im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001129 eingestuft werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Svensson u. a., EU:C:2014:76, Rn. 25 bis 28).

Widersprüchliche EuGH-Entscheidung?

Stadler zieht aus diesen Ausführungen den Schluss, dass die Entscheidung des EuGH nur für den Fall gelte, in dem das Werk mit Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers zugänglich gemacht worden ist. Demgegenüber bleibe offen, was für diejenigen Fälle gelte, in denen ein Werk urheberrechtswidrig im Netz steht.

Ich bin demgegenüber mittlerweile der Auffassung, dass der vermeintliche Widerspruch nur ein scheinbarer ist. Erstens beziehen sich die oben zitierten Ausführungen auf einen Sachverhalt aus der in Bezug genommenen „Svensson-Entscheidung“, bei dem es um die Verlinkung eines vom Rechteinhaber bereits auf einer anderen Internetseite öffentlich zugänglich gemachten Werks ging. Auch der Wortlaut spricht nicht zwingend für einen Widerspruch. Bei genauerem Hinsehen spricht der EuGH davon, das ein neues Publikum „insbesondere“ in dem Fall nicht erschlossen werde, in dem das Werk bereits auf einer anderen Webseite mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich sei.

Es steht daher zu vermuten, dass der EuGH in seiner Entscheidung keinen Widerspruch verursacht bzw. sogar einen Fehler gemacht hat, sondern die Vorlagefrage des BGH schlicht in dem Sinne beantworten wollte, als dass das Framing seiner Meinung nach schlicht keine urheberrechtlich relevante täterschaftliche Handlung darstellt. Eine solche wäre das Framing auch dann nicht, wenn die Ursprungsveröffentlichung rechtswidrig erfolgt wäre.

These: Der EuGH hat nur zur  täterschaftlichen Haftung Stellung genommen – nicht zur Störerhaftung

Diese Annahme führt aber wiederum zu der Vermutung, dass die großflächige Entwarnung, die vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung ausgesprochen wird, eventuell etwas voreilig ist. Denn nur weil eine Handlung keine täterschaftliche Urheberrechtsverletzung darstellt, heißt das noch lange nicht, dass damit nicht eine (verschuldensunabhängige) Störerhaftung begründet werden könnte. Dass eine Störerhaftung durch die bloße Setzung eines Hyperlinks grundsätzlich in Betracht kommt, hat der BGH bereits mehrfach klargestellt (z.B. BGH, Urteil v. 18.10.2007, Az.  I ZR 102/05 – ueber18.de; BGH, Urteil v. 1. April 2004, Az. I ZR 317/01 – Schöner Wetten).

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass der Bundesgerichtshof die Klage auf Schadensersatz bzw. auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten eventuell in Ermangelung einer täterschaftlichen Haftung der Beklagten als unbegründet zurückweisen müsste. Damit wäre aber noch lange nichts darüber gesagt, ob die Beklagten nicht eventuell doch wenigstens als Störer auf Unterlassung haften (gehaftet hätten).

Eine Entscheidung über diese Frage ist dem BGH allerdings aufgrund der Tatsache verwehrt, dass die Streitparteien den Rechtsstreit nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagten diesbezüglich für erledigt erklärt haben. (la)

(Bild: © GoldPix – Fotolia.com)

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