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Berichte aus der Parallelwelt, Teil 3 – Der doppelte Boden

Schatztruhe enthüllt leuchtendes GeheimnisZitat aus einem anwaltlichen Schreiben:

„Ich nehme gemeinsam mit meiner Mandantin zur Kenntnis, dass Sie es für erforderlich hielten, eine einstweilige Verfügung zu erwirken, obgleich Sie im Besitz einer vollstreckbaren Unterwerfungserklärung sind, aus der wiederum gerade keine Rechte abgeleitet werden. Dieses Gebaren lasse ich unkommentiert […].“

Doppelte Böden sind die älteste Masche, um billige Taschenspielertricks oder wertvolles (Diebes-) Gut im sicheren Schein der Unscheinbarkeit zu vertuschen. Es ist da. Man sieht es nur nicht.

Doppelte Böden gibt es auch in nichtstofflichen Universen. Sie verstecken sich zwischen Zeilen, hinter Metaphern oder in Ironie und Sarkasmus. Der empathisch Minimalstgebildete hat früh gelernt, diesen doppelten Boden zu erkennen. Oder eher: das zu erkennen, was sich in diesem doppelten Boden verbirgt.

Was will der Dichter uns damit sagen? oder der Autor will zum nachdenken anregen sind die konditionierten Reize, die unser Hirn auf die Suche nach dem doppelten Boden schicken. Wir kommen mit hechelnder Zunge zurück gelaufen wie ein Pawlowscher Hund und präsentieren Interpretationen, Intentionen und Inspirationen.

Die Ironie und der Sarkasmus sind längst zum massentauglichen Stilmittel mutiert und statt einer klaren Aussage wird lieber von Grund auf negiert.

Das ist gut ist zu einfach. Das finde ich nicht uninteressant klingt soviel eloquenter.

Das geht nicht zu einfältig? Wie wäre es mit Das ist gar nicht so sinnvoll.

Damit werden nicht nur zwei Zeilen im Artikel sondern auch – mit einer vorangegangenen kurzen Denkpause – entscheidende Konversationsminuten gefüllt.

Die Matrix hinter Dazu sage ich jetzt mal nichts, das lasse ich unkommentiert und ich möchte ja niemandem zu nahe treten, aber… wird jedoch nicht ernsthaft in einem doppelten Boden versteckt. Maximal wird die Klappe aufgelassen oder der Schlüssel, beschriftet und für alle sichtbar, neben das Schloss gelegt.

Neugierige und Langfinger willkommen. Offensichtlich subtil.

Da muss auch der Abiturient nicht lange überlegen, wenn er ein Gebaren wie solches liest. Der Kommentar hinter dem Antikommentar springt den Rezipienten an wie ein übermütiger Hund (wo wir wieder bei Pawlow wären) und das soll er ja auch. Darauf ist er konditioniert und dafür wird er ja erst von der Leine gelassen. Bildlich gesprochen. Und das ist gar nicht mal so subtil, wie es den Anschein macht. Anschein machen soll.

Das imaginäre P.S: Ich bin nur dafür verantwortlich, was ich sage. Nicht für das, was du verstehst darf zwar aus markenschutzrechtlichen Gründen (die Industrie für lustige und nachdenkliche Sprüchepostkarten hat sich diesen und einige weitere Sätze wie z.B. Träume nicht dein Leben sondern lebe deinen Traum exklusivrechtlich gesichert) nicht unter das Anschreiben gesetzt werden, sichert dem Adressanten aber den warmen Platz auf dem Diplomatiesofa und erlaubt trotzdem eine bissige Spitze in Richtung des Adressaten, Intention offensichtlich.

Ob man sich so etwas auch sparen kann, lasse ich in diesem Fall einmal unkommentiert.

(Bild: Schatztruhe enthüllt leuchtendes Geheimnis © Smileus)

Der Beitrag stammt von unserer freien Autorin Katharina Reber. Er ist Teil unserer neuen Reihe „Berichte aus der Parallelwelt“. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge, Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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